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Justizia.

© Helmut Vogler

Zwei Jahre und neun Monate Haft: Erzieherin muss wegen Missbrauchs eines 13-Jährigen ins Gefängnis

Eine Erzieherin hat gestanden, einen ihrer Schützlinge in einer Jugendhilfeeinrichtung missbraucht zu haben. Ein Chat-Verlauf verriet sie.

Der Junge war 13 Jahre alt, als sich seine 22 Jahre ältere Erzieherin zu ihm ins Bett legte. Der Schüler habe Sex mit ihr gewollt, schilderte die Frau rund eineinhalb Jahre später vor dem Amtsgericht Tiergarten. „Ich erklärte ihm, dass das strafbar wäre, aber dann kam es doch dazu.“ Um drei Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes ging es in dem Prozess am Mittwoch. Yvonne T. gestand. Allerdings schien sie sich auch als ein Opfer zu sehen.

Die heute 37-Jährige arbeitete zunächst als Auszubildende und ab Sommer 2017 als staatlich anerkannte Erzieherin in einer Jugendhilfeeinrichtung in Reinickendorf. Sie war Betreuerin in Wohngruppen. Dort musste auch Nico (Name geändert) untergebracht werden. Einer, der wie andere Kinder dort mit einem gewissen emotionalen Rucksack kam, hieß es im Prozess. Ein schmaler Junge, in sich gekehrt. Er benötigte Unterstützung, so das Gericht.

Sie habe sich auf die Jungen "eingelassen", sagt die Angeklagte

Die Angeklagte sagte, sie habe den Kindern helfen wollen. „Durch Nähe im Sinne von Verständnis.“ Es sei eine sehr schwierige Gruppe gewesen. Und das bei viel zu wenig Personal. Sie habe sich „auf die Jungen eingelassen“. Es sei eine „komische Dynamik“ entstanden. Nico habe sich ihr geöffnet, über Schule und Familie gesprochen. „Er kam und drückte mich.“ Er habe gefragt: „Kannst du mich mal krabbeln?“ Sie habe es ohne Hintergedanken gemacht. „Schließlich gab er mir einen Kuss auf den Mund.“ Schockiert sei sie gewesen. „Aber ich reagierte nicht.“

Die Erzieherin ist obendrein Mutter eines Jungen, der nur zwei Jahre jünger ist als Nico. Sie ließ sich auf intime Gespräche mit ihrem Schützling ein. „Er wollte sein erstes Mal Sex mit mir haben“, schilderte die Angeklagte. Sie habe abgelehnt: „Such’ dir jemanden in deinem Alter.“ Im Büro sei es zu einem Zungenkuss gekommen. „Irgendwie, automatisch“. Auch das erste Mal sei auf Initiative von Nico geschehen. Dann habe er ihr geschrieben: „War schön mit dir. Möchte es noch einmal.“ Monate später geschah es in der WG. Erneut ungeschützt.

„Er wollte es. Trotzdem gehören dazu zwei“

Ob sie Zuneigung für den Jungen empfand? „Ich mochte ihn“, sagte die 37-Jährige. „Ich wollte allen Jungs helfen, war für sie Bezugsperson geworden.“ Sie sei in ihrer Ausbildung nicht auf „so etwas“ eingestellt worden. Warum sie ihn in der WhatsApp-Gruppe „Schatz“ nannte? „Ich nenne auch Kollegen so“, konterte die Angeklagte. Wie sie nun ihre Verantwortung sehe? „Er wollte es. Trotzdem gehören dazu zwei.“

Als der Leitung der Einrichtung eine verdächtige Nähe der Mitarbeiterin zu Schützlingen auffiel, wurde über den entdeckten Chat-Verlauf auch der Missbrauch bekannt. Das Entsetzen war groß. Yvonne T. musste sofort gehen. „Sie weiß, dass sie nie wieder in dem Bereich arbeiten kann“, sagte ihr Verteidiger und plädierte auf eine Bewährungsstrafe. Das Gericht aber schloss sich dem Antrag der Staatsanwältin an und verhängte zwei Jahre und neun Monate Gefängnis.

Kerstin Gehrke

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