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Tierisch was los. Die Hundeschau bei der ersten Grünen Woche.

© promo

Zwanziger Jahre: Berlin strömt zur ersten Grünen Woche

Es blökt, grunzt und gackert in den Messehallen unterm Funkturm. Ein fiktiver Bericht vom Sonntag, dem 21. Februar 1926.

Anlässlich des Serienstarts von "Babylon Berlin" am 13. Oktober haben wir ein Gedankenexperiment gewagt und Artikel aus der damaligen Sicht verfasst. Dabei fiel uns auf: Viele Themen - Wohnungsnot, Ärger um den Flughafen, wilde Partynächte - stehen damals wie heute für Berlin.

Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt – von wegen! Die Zukunft auf dem märkischen Acker sieht ganz anders aus. Wie? Das kann man jetzt vor und in den Hallen am Charlottenburger Messegelände erleben. Dort gab es gestern eine Premiere: Die erste große Landwirtschaftsausstellung in Berlin, die „Grüne Woche“, öffnete ihre Pforten.

Und gleich am Eingang, vor den zwei Messehallen mit der beeindruckenden Schau, steht ein Ungetüm, das als Symbol für die fortschreitende Mechanisierung in der Landwirtschaft gilt. Es ist ein „Universalschlepper“, vier Meter hoch, mit eisernen Raupenreifen, die sich durch jedes Schlammloch wühlen – mit sagenhaften 100 Pferdestärken. Erster Eindruck: Es geht voran in der Landwirtschaft.

Jeder fünfte Berliner arbeitet in der Landwirtschaft

Das passt gut zum technischen Endspurt hoch im Himmel über der Messe, wo Berlins neuer Funkturm gerade fertiggestellt wird. Darunter strömen nun Bauern, Forstwirte und Fischer aus ganz Deutschland, aber auch viele naturbegeisterte Berliner, in die Ausstellungshallen, in denen bisher die neuesten Automobile oder funktechnischen Geräte gezeigt wurden. Bereits am ersten Messetag kamen etwa 10.000 neugierige Besucher. Bis zum letzten Tag am kommenden Sonntag rechnen die Veranstalter mit 60.000 Gästen.

Oberbürgermeister Gustav Böß (DDP) machte in seiner Eröffnungsrede klar, dass die Grüne Woche ja keineswegs nur für den Landmann von Interesse ist. „Berlin gehört zu den größten Guts- und Waldbesitzern Deutschlands“, sagte er. Oftmals werde verkannt, dass die Hauptstadt entscheidend von der Agrarwirtschaft geprägt sei, jeder fünfte Berliner verdiene in dieser Branche sein Brot.

Hühnerställe in Hinterhöfen

Tatsächlich wiehert, grunzt und gackert es in der Stadt noch gewaltig. In Berlin leben derzeit 45 000 Pferde, 25 000 Schweine, 21 000 Kühe und eine halbe Million Hühner. Nicht nur am Stadtrand, sondern oft mittendrin, in Hinterhofställen. Statistiker haben errechnet, dass jeder fünfte in Berlin getrunkene Liter Milch aus hauptstädtischen Eutern kommt.

Ein kleiner Messebummel: Da begegnet uns in Halle 1 gleich die Obstbau-Reformkolonie „Eden“, die bei Oranienburg neue Wege im Dienste der gesunden Ernährung ausprobiert. Ein paar Stände weiter beginnt für die Melkerinnen das Paradies. Vorbei die harte Arbeit mit gebeugtem Rücken an den Zitzen. Dort zischt eine der ersten „Kannenmelkanlagen“.

Und auch bei den Getreidesorten tut sich was. Es gibt immer leistungsfähigere Weizenkörner. Klar, dass die Messe auch ein kunterbunter Bauernhof ist. Schwarz-bunte Rinder, Sattelschweine, Skutten, Sundheim-Hühner und andere märkische Rassen kann man bewundern. Ein Abenteuer für naturferne Stadtkinder.

Woher die Messe ihren Namen hat

Die Messe signalisiert: Der Einbruch, die Krise auf dem Lande während des Weltkrieges ist vorbei. Höfe werden modernisiert, gut ausgebildete Bauern übernehmen vom Adel abgewirtschaftete Ländereien. Erfreuliche Aussichten für die Grüne Woche.

Erinnern wir uns, wie sie zu ihrem Namen kam. Das hängt mit den grünen Lodenmänteln der Besucher vom Lande zusammen, die in Heerscharen bis 1925 alljährlich zur Wintertagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft kamen. „Die Grünen sind wieder da“, riefen die Berliner. Nun hat man die Tagung zur Messe erweitert und den Volksmund zum Namensvetter genommen: Willkommen auf der Grünen Woche!

Zum Weiterlesen: Wohnungsnot in Groß-Berlin und das wilde Nachtleben. Weitere Artikel zum Thema "Zwanziger Jahre in Berlin" finden Sie hier.

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