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Andreas Kaps (1946 - 2017)

© Jan Sobottka - www.catonbed.de

Zum Tode von Andreas Kaps: Kunst gegen Architektur

Der Berliner Maler und Kunstkritiker Andreas Kaps ist im Alter von 71 Jahren gestorben. Hier sein Tagesspiegel-Text über Matthias Koeppel und die Schaubühne vom 6. September 1981.

"Der Mendelsohn-Bau am Lehniner Platz aus dem Jahre 1926/28 wurde von dem Architekten Jürgen Sawade abgerissen. Gegen Kunst- und Volkesstimme will er nur seine eigenen ehrgeizigen Pläne beim Bau eines Theaters verwirklichen." So jedenfalls heißt es in einem Katalogbeitrag zu Matthias Koeppels riesigem neuen Ölgemälde "Die sieben Todsünden". Das mit 85.000 DM ausgepriesene Polyptychon (das auch für ein paar Mark als farbiges Plakat erhältlich ist) muß tatsächlich äußerst motiviert gemalt worden sein, denn wer bringt heutzutage noch ein volles Jahr konzentrierter Arbeit auf, um in einem Kunstwerk auszudrücken, was ihn-aufwühlt?

Ganz systematisch hat Matthias Koeppel, der vielen ja auch als Autor der "starckdeutschen Gedichte" bekannt ist, seinem Zorn über Maßlosigkeiten und Widersprüche bei der vom Berliner Senat so großzügig finanzierten neuen Spielstätte für die Schaubühne eine Form gegeben: Bereits im Oktober 1979 inszenierte der Maler mit Freunden vor dei Baustelle die Posen eines Mysterienspiels, um "Die sieben Todsünden" zu aktualisieren.

Die vor Ort gemachten Gruppen- und Detailfotos, zahlreiche gezeichnete und gemalte Vorstudien, Ideenskizzen und Arbeitsstudien vermitteln nun in der Ladengalerie den Entstehungsprozeß dieser satirischen, aber durchaus ernst gemeinten ästhetischen Anklage. Das Hauptwerk selbst nimmt eine ganze Wand ein, und man kann auf dem realistischen Ölbild genau nachvollziehen, welcher Darsteller aus dem Bekanntenkreis des Künstlers welche Untugend besonders kompetent darstellen konnte: ,

Ganz links erscheint als "Neid" die Inhaberin der Ladengalerie, halbnackt, das Gesicht viel häßlicher als in Wirklichkeit, mit einer afrikanischen Maske zwischen zwei Autos stehend. "Hoffart" zeigt ein Filmproduzent, der sich etwas mondsüchtig auf einen Porsche stützt mit dem Kennzeichen B-MK 81. "Wollust" vermittelt ein aus dem Auto hochgestrecktes Bein der Frau des zuständigen Kunstamtleiters. "Trägheit des Herzens", wohl die schlimmste aller hier beklagten Sünden, spielt ein Fagottist aus dem Berliner Symphonieorchester, der teilnahmslos genießend auf eine über Monitor übertragene Prügelszene mit Polizisten und einem fast wehrlosen Demonstranten blinzelt. "Völlerei" wird gleich zweimal dargestellt: Von einer liegenden Filmemacherin mit hochgerutschtem Rock, die eine Tube in Mundhöhe auspreßt, und von einem Pfarrer, der mit Baguettes, Obstkisten und Weinflaschen bepackt in die Szene dringt. "Geiz" mimt mit rollenden Augen der gebückt schleichende Künstler selber, in der linken Hand Geldscheine knüllend, rechts scheinbar einen spitzen Gegenstand führend, der sich aber bei genauerem Hinsehen als ein Geigenstock entpuppt, den eine Frau im Hintergrund benutzt. "Zornig" drängt schließlich ein Amateurpoet mit Regenschirm ins Bild, dessen erhobene Faust und wehendes Resthaar mehr randalierend als verändernd zu den verächtlich heruntergezogenen Mundwinkeln paßt. Im Hinter- und Mittelgrund vor der Mendelsohn-Bauruine dann noch einige mehr oder weniger wichtige kommentierende Gestalten wie der füllig-elegant am Bauzaun lümmelnde Architekt, der uniformierte Kunstamtsleiter und neben beiden einundeinhalb aufsteigende S-Formen, die auch an die S-Bahn erinnern.

Das Sympathische dieses aktuellen Historienschinkens von Matthias Koeppel und seinen Mitspielern ist die Mischung aus Schärfe, Witz, Mut zur Häßlichkeit und einem guten Schuß Selbstironie in der Stoßrichtung der Anklage. Das Wichtige ist die hohe künstlerische Qualität dieses Bildes, die aus außergewöhnlicher Selbstdisziplin in Verbindung mit ernsthaft empfundenem Engagement gewachsen ist.

Mehr über Andreas Kaps lesen Sie zum Beispiel auf seiner Website und bei der Galerie Poll. Eine Würdigung aus dem Checkpoint-Newsletter von Lorenz Maroldt finden Sie hier.

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