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Das Richard-Wagner-Denkmal an der Tiergartenstraße.

© Kai-Uwe Heinrich

Zum 200. Geburtstag: Wie Richard Wagner Berlin eroberte

Nur mit einigen Mühen konnte Richard Wagner Berlin erobern. Manchmal fluchte er über die Stadt – und fand hier doch Erfolg und Liebesglück.

Tout Berlin war gekommen, um den Komponisten nachträglich zum 90. Geburtstag zu ehren. Es war ein wunderschöner Herbsttag, am 1. September 1903, jedenfalls auf dem Gemälde Anton von Werners, der die Einweihung des Richard-Wagner-Denkmals am Rande des Tiergartens später in Öl festhielt. Es zeigt die ehrerbietige Begrüßung des in Paradeuniform erschienenen Prinzen Eitel Friedrich, des zweiten Sohns Wilhelms II., durch den Kosmetikfabrikanten und Mäzen Ludwig Leichner, ihm zur Seite der Bildhauer Gustav Eberlein. Zeitgenossen dürften auf dem Bild noch den einen oder anderen Prominenten identifiziert haben, darunter Adolph von Menzel und viele Mitglieder der Wagner-Gesellschaft, die das Denkmal gestiftet hatte.

So viel Verehrung, ja, Anbetung ist Wagner, der heute vor 200 Jahren in Leipzig geboren wurde, in Berlin nicht immer zuteil geworden. Ja, gerade hier waren ihm besonders zu Beginn seiner Karriere viele Steine in den Weg gelegt worden. So sehr, dass er schon mal fluchte über die „Stadt mit ihrer dürftigen Länge, die sie für Größe ausgibt“. Das war 1842, als er sich vergeblich um die Erstaufführung seines „Fliegenden Holländers“ an der Oper Unter den Linden bemühte. Zwar war sie ihm vom Vorgänger des Generalintendanten der Königlichen Schauspiele, Karl Theodor von Küstner, zugesagt worden, doch der sah das ganz anders, hatte schon in München das Stück als „für Deutschland ungeeignet“ abgelehnt. Erst zwei Jahre später nahm er den „Holländer“ in den Spielplan auf, eine Uraufführung war da aber nicht mehr möglich, die hatte sich Dresden gesichert.

Mittlerweile war das Haus Unter den Linden abgebrannt, man musste sich mit dem Schauspielhaus am Gendarmenmarkt behelfen. Das tat der Wagner-Oper gar nicht gut. Die Streicher mussten aus Platzgründen reduziert werden, nun schoben sich die Blechbläser in den Vordergrund, und der Dirigent wusste mit Wagner sowieso nichts anzufangen. Also griff der Meister selbst zum Taktstock, dirigierte die letzten Proben und die Uraufführung am 7. Januar 1844.

Ein denkwürdiger Abend, wie Wagner seiner Frau Minna schrieb: „Ein mir wildfremdes Publikum“ sitzt im Saal, „mit gewöhnlicher, kalter Neugier“, das nach der Ouvertüre keine Hand rührt. Im ersten Akt glaubt Wagner immerhin „gespannte Neugier und Verwunderung“ zu erkennen, doch erst im zweiten weiß er: „Ich habe das Publikum umsponnen.“

Aber wie! Noch nie habe er „einen solchen dauernden Ausbruch des Enthusiasmus gesehen und gehört, wie er sich hier kundgab, nachdem der Vorhang fiel.“ Die Kritiker freilich sahen das anders, machten Stück und Aufführung nieder, bestärkten so die Intendanz in ihrer Skepsis. Daher wurde der „Holländer“ nur noch einmal gegeben und verschwand für die nächsten 24 Jahre vom Spielplan.

Positive Erinnerungen an Berlin

Mit heroischem Blick - nur die Nase fehlt.
Mit heroischem Blick - nur die Nase fehlt.

© Kai-Uwe Heinrich

Solch eine Ablehnung sollte Wagner noch wiederholt in Berlin entgegenschlagen, etwa, als er dem Generalintendanten 1845 seinen „Tannhäuser“ schickte und nicht mal Antwort erhielt. Aber in seinem Bemühen, Berlin zu erobern, hat er doch nicht nachgelassen, war oft in der Stadt, aus beruflichen wie privaten Gründen. Er stieg dann mit Vorliebe im Hotel de Russie Unter den Linden ab, besuchte auch gern seinen ihn vergötternden Jünger Hans von Bülow und dessen Frau Cosima, so auch am 28. November 1863.

Eine Visite mit Folgen: Richard und Cosima waren sich langsam näher gekommen, nun war es so weit, wie Wagner in „Mein Leben“ schreibt: Während Bülow, ein Klaviervirtuose, sich auf ein Konzert vorbereitete, fuhr das künftige Paar „noch einmal in einem schönen Wagen auf die Promenade“, womit Wagner Unter den Linden oder den Tiergarten meinen dürfte. „Wir blickten uns schweigend in die Augen, und ein heftiges Verlangen nach eingestandener Wahrheit übermannte uns zu dem keiner Worte bedürfenden Bekenntnisse eines grenzenlosen Unglückes, das uns belastete. Unter Tränen und Schluchzen besiegelten wir das Bekenntnis, uns einzig anzugehören. Uns war Erleichterung geworden“ – so sehr, dass Wagner danach sogar das „vollendet feine und schwungvolle“ Konzert des Ehemanns seiner Geliebten zu genießen vermochte.

Ohnehin dürften bei Wagner die positiven Erinnerungen an Berlin überwogen haben. Vielleicht nicht an die private Einladung am 3. Mai 1871 durch Otto von Bismarck, den er vergeblich um Subventionen für Bayreuth anging. Aber doch an den gloriosen Erfolg zwei Tage später im Opernhaus Unter den Linden, wo Wagner in Anwesenheit des Kaiserpaares unter anderem seinen „Kaisermarsch“ und Ausschnitte aus „Lohengrin“ und „Die Walküre“ dirigierte. Und unvergesslich blieb für Wagner sicher auch der 5. Mai 1881, als im Victoria-Theater in der Münzstraße die Berliner Erstaufführung des „Rings“ begann, unter Beisein des Komponisten. Schon den Proben zur „Walküre“ hatte er beigewohnt – und sich, unzufrieden mit dem Kampf zwischen Siegmund und Hunding, auf dem Logensitz zum Eingreifen hinreißen lassen. Entschlossen kletterte er auf die Brüstung und vor bis zur Prozeniumsloge, schwang sich zur Bühne hinab, entriss Siegmund das Schwert und begann damit dreinzuschlagen, auch in der Kampfeskunst ein Virtuose. Exakt aufs Stichwort brach er zusammen, scheinbar zu Tode getroffen.

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