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Viel zu tun. Die Verwaltungsmodernisierung ist in Berlin seit langem ein Thema, nun gibt es neue Ideen dafür.

© Stephanie Pilick/dpa

"Zukunftspakt" für die Berliner Verwaltung: Gemeinsam ist das  Zauberwort der Veränderung

Berlin hat sich auf Modernisierungspläne für die Verwaltung verständigt. Warum die nicht im Papierkorb, sondern in den Köpfen landen? Ein Gastbeitrag.

Es ist so einfach wie ernüchternd: Die öffentliche Verwaltung ist immer dann im Gespräch, wenn sie nicht oder nicht ausreichend funktioniert. Wenn Aufgaben und Dienstleistungen nicht zur Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger erbracht werden. Wenn Wartezeiten zu lang werden, nötige Maßnahmen ausbleiben oder Leistungen nicht die gewünschte Qualität haben.

Die Berliner Verwaltung ist seit Jahren immer wieder Thema. Polizei, Flüchtlingsamt, Standesämter, Baubehörden – die Liste ist lang. Und sie zeigt: Es gibt nicht das eine Problem, die eine Diagnose, die eine Lösung. Denn es gibt nicht die einheitliche Berliner Verwaltung.

So vielfältig wie die Aufgaben so unterschiedlich sind Tätigkeiten, Organisation und Abläufe. Bürgerservice sieht bei Polizei und Ordnungsämtern anders aus als bei Bürgerämtern. Jugendämter, Baugenehmigungsstellen oder Friedhofsverwaltungen zeigen die unterschiedlichen Facetten von Verwaltungstätigkeit – beratend, gestaltend, genehmigend, eingreifend, ordnend.

   Verwaltungsmodernisierung "von oben" funktioniert nicht

Verwaltungsmodernisierung und die konsequente Nutzung digitaler Arbeitsmethoden lassen sich nur auf dem mühsamen, aber lohnenden Weg der vielfältigen Veränderungsschritte mit gemeinsamer Zielsetzung und gemeinsamer politischer Verantwortung  erreichen. Gemeinsam ist das Zauberwort der Veränderung.

Verwaltung wird von Menschen gemacht – jeden Tag und jede Stunde. Beschäftigte und politisch Verantwortliche prägen die Rahmenbedingungen und die Ergebnisse der Verwaltung. Wir alle tragen gemeinsam dafür Verantwortung, dass Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen Berlins auf die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, und damit in den Rechtsstaat, vertrauen können.

Eine Verwaltungsmodernisierung „von oben“ muss scheitern, da sie die Motivation der Beschäftigten, den wesentlichen Erfolgsfaktor für jede Reform, außer Acht lässt. Der Ruf nach dem „starken Mann“ (selten übrigens nach einer starken Frau) oder der Ruf, etwas müsse zur „Chefsache“ gemacht werden, birgt nur in autokratischen Systemen oder Diktaturen die scheinbare Lösung. Und schlimmer noch: Der Ruf nach der Chefsache suggeriert, dass die politischen und administrativen Aufgaben einer Millionenstadt allein durch die Entscheidung eines oder einer Einzigen gelöst werden könnten.

Dieser Ruf blendet die Komplexität des Rechtsstaates mit verbindlichen Regeln für alle aus. Und auch für die politischen Zielkonflikte unserer wachsenden Stadt – aktuelles Beispiel sind Flächenkonkurrenzen zwischen Wohnungsbau, Gewerbe, Grünflächen, Schulen oder anderen öffentlichen Einrichtungen – werden nach unserer Überzeugung die nachhaltigeren Ergebnisse im breiten Schulterschluss erzielt.

Auch allein "von unten" wird nicht klappen

Eine Reform allein „von unten“ verkennt, dass politische und Führungsentscheidungen den Handlungsrahmen für die Arbeit der Verwaltung bilden. Auch notwendige Reformprozesse müssen politisch verantwortet und geführt werden. Mangelnde Unterstützung „von oben“ hat in der Vergangenheit mehrere ambitionierte Pläne zu Fall gebracht.

Wir haben aus diesen Erfahrungen gelernt: Fortschritt erreichen wir nur gemeinsam! Kooperation auf Augenhöhe und gemeinsame Verantwortungsübernahme werden die Verwaltungskultur nachhaltig verändern.

Dem trägt der Entstehungsprozess für den Zukunftspakt Verwaltung Rechnung. Gemeinsam haben sich Bezirks- und Senatsverwaltungen, Politikerinnen und Politiker sowie Beschäftigtenvertretungen auf den Weg gemacht und Themenbereiche identifiziert, an denen wir gemeinsam arbeiten wollen. Die Themen sind nicht beliebig – sie wurden in gemischten Diskussionsrunden auf der Grundlage des Berichtes einer von Heinrich Alt geführten Expertenkommission erarbeitet und gehen sogar darüber hinaus.

Fortschritt klappt nur gemeinsam

Nicht überraschend spielt das Thema Personalgewinnung und -entwicklung sowie Führungskultur – übrigens für alle Hierarchieebenen und auch die politisch Verantwortlichen – eine große Rolle. Anders als noch vor einigen Jahren kämpfen alle Berliner Verwaltungen um qualifiziertes Personal.

Vielzitiertes Herzstück des Zukunftspaktes ist die gesamtstädtische Steuerung, flankiert von veränderten Strukturen und Prozessen – inklusive der konsequenten Modernisierung und Nutzung digitaler Technologien. Der Erfolg in diesen Handlungsfeldern entscheidet, was bei Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen ankommt. Dabei geht es um zwei Grundanliegen:

1. Entscheidungen sollen in der Millionenstadt Berlin von Verwaltung und Politik nachvollziehbar und in überschaubarer Zeit getroffen werden.

Dafür wollen wir  eine gesamtstädtische Steuerung etablieren, die ein gemeinsames Grundverständnis über die Ziele herstellt und Verantwortlichkeiten festlegt.  Kompetenzgerangel und gegenseitige Schuldzuweisungen insbesondere zwischen Senat und Bezirken darf es nicht mehr geben.

Hierfür schaffen wir Steuerungsinstrumente als Grundlage für gemeinsame Entscheidungen. Sie werden nicht nur juristisch, sondern auch organisatorisch und technisch verankert. Doppelzuständigkeiten und unnötige Abstimmungsschleifen müssen aufgedeckt und abgeschafft, klare Verantwortungszuordnung gestärkt werden.

2. Dienstleistungen der Verwaltung sollen überall in hoher Qualität, serviceorientiert und zeitnah verfügbar sein.

Die Modernisierung und zentrale Steuerung der Informations- und Kommunikationstechnik in der Berliner Verwaltung sowie der Ausbau der Online-Angebote ist dank des E-Government-Gesetzes und entsprechendem Ressourcenaufbau angelaufen. Der Digitalisierungsprozess wird jedoch noch mehrere Jahre dauern - übrigens ähnlich lang wie in privaten Großunternehmen.

Im Zukunftspakt Verwaltung wird der Fokus auf die Handlungsfelder gelegt, die diesen Prozess unterstützen und die Steuerung der Dienstleistungen verbessern. Wir setzen hier auf gute Erfahrungen, Zielvereinbarungen und ein transparentes Controlling. Das machen wir nicht für uns. Ziel sind konkrete Verbesserungen für Bürgerinnen, Bürger, Beschäftigte und Unternehmen.

Modernisierung abhängig von realistischen Zielsetzungen

Alle am Zukunftspakt Verwaltung Beteiligten wussten und wissen: Verwaltungsmodernisierung ist abhängig von klaren Schwerpunktentscheidungen und realistischen Zielsetzungen. Denn gemessen werden wir an der Umsetzung. Deshalb setzen wir statt wolkiger Formulierungen auf 27 konkrete Projektsteckbriefe. Wir haben die Instrumente und Handlungsfelder aufgeführt, die wir aus unserer Sicht für eine konsequente Verwaltungsmodernisierung anpacken müssen.

Wir nennen Verantwortliche und Zeitziele. Und wir nehmen uns das Machbare vor – parteipolitische Konkurrenz und persönliche Eitelkeiten bleiben außen vor und das soll so bleiben. So gelingt das gemeinsame Vorhaben.

Wir werden für die Umsetzung des Zukunftspaktes Verwaltung viel Energie brauchen und wünschen uns Begleiterinnen und Begleiter, die uns auf unserem Weg kritisch-konstruktiv – mit positiver Energie! –  unterstützen. Dann schaffen wir gemeinsam den mühsamen, aber lohnenden Weg. Es geht um die Menschen dieser großartigen Stadt. Es geht um die Bürgerinnen und Bürger und um die Beschäftigten.

Zu den Autor/innen dieses Beitrags: Sabine Smentek (57) verantwortet als Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport die Digitalisierung der Berliner Verwaltung. Grundlage ihrer Arbeit ist das E-Government-Gesetz Berlin. Die geborene Berlinerin, gelernte Diplom-Kauffrau und Bankkauffrau, war vor ihrer jetzigen Aufgabe 20 Jahre als selbständige Unternehmensberaterin für die Öffentliche Verwaltung tätig. Frank Nägele (55) ist Staatssekretär für Verwaltungs- und Infrastruktur-Modernisierung in der Senatskanzlei Berlin. Vor seinem Amtsantritt in Berlin war er Staatssekretär für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Sabine Smentek, Frank Nägele

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