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Ein Zeugnis alter Industrieherrlichkeit in Berlin: die Turbinenhalle von Siemens in der Moabiter Huttenstraße.

© imago/Jürgen Ritter

Zukunft in Moabit: Warum Siemens Energy seine Konzernzentrale nach Berlin verlegt

Bisher wurden hier nur Gasturbinen gefertigt. Bald wird die gesamte Energiesparte aus Moabit gelenkt – und Berlin kann sich mit Zukunftstechnologien schmücken.

Christian Bruch, Vorstandsvorsitzender der Siemens Energy, kann demnächst mit der Straßenbahn ins Büro fahren. Denn mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller hat sich Bruch nun auf einen „zügigen Ausbau“ der Linie M10 bis in die Huttenstraße verständigt, wo Siemens Gasturbinen produziert. Und wo demnächst Bruch seinen Arbeitsplatz haben wird.

Vor drei Wochen hatte Siemens Energy bekannt gegeben, die Konzernleitung in Berlin anzusiedeln. Eine Voraussetzung für die Entscheidung war ein „gemeinsames Standort- und Entwicklungskonzept“, das Senat und Konzern nun angehen wollen. Vorrangig dabei ist die Prüfung der „städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten für den Standort ,Gasturbinenwerk‘ in der Huttenstraße in Berlin-Moabit“, teilte Siemens Energy mit.

In dem dortigen Werk mit der berühmten Turbinenhalle, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts von dem Industriearchitekten Peter Behrens für die AEG entworfen worden war, produziert Siemens mit mehr als 2000 Beschäftigten die weltweit effizienteste Gasturbine. An das Moabiter Werk angeschlossen sind eine Turbinenschaufelfertigung am Nonnendamm sowie ein Turbinentestzentrum in Ludwigsfelde. Alles in allem hängen rund 3700 Arbeitsplätze in der Region an der Gasturbinenfertigung.

In Moabit ist auf dem Gelände noch ausreichend Platz, um einen Neubau mit Büroflächen für den Vorstand zu schaffen. Bis dahin werden der Vorstandsvorsitzende Bruch sowie Finanzvorstand Maria Ferraro bestehende Räume nutzen. „Für den weiteren Ausbau der Konzernleitung wird zeitnah ein Konzept ausgearbeitet“, teilte Siemens am Dienstag mit. Der Senat habe dazu „seine weitreichende Unterstützung zugesagt“, ließ sich Bruch zitieren.

Siemens sucht die Nähe zur Politik – und zur Wissenschaft

An dem traditionsreichen Standort sind vor allem Belange des Denkmalschutzes zu berücksichtigen. Das galt und gilt auch für das Großprojekt der Siemensstadt 2.0, das vor knapp zwei Jahren beschlossen worden war: In diesem Jahrzehnt wollen Siemens und das Land Berlin mit jeweils rund 600 Millionen Euro das Gebiet um die Nonnendammallee zu einem Innovationscampus mit Forschungseinrichtungen und Produktionsstätten sowie Wohnungen und einer Schule ausbauen.

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Der Siemens-Vorstand unter der Leitung Joe Kaesers hatte sich auch deshalb für Berlin entschieden und nicht für einen Standort in Asien, weil es hier die Nähe zur Politik gibt und sich die Konzernmanager viel versprechen von der Berliner Wissenschaftslandschaft.

Mit Urkunde. Joe Kaeser (r.) mit Michael Müller, dem Siemens-Energy-Chef Christian Bruch, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Finanzvorstand Maria Ferraro. Foto: promo
Mit Urkunde. Joe Kaeser (r.) mit Michael Müller, dem Siemens-Energy-Chef Christian Bruch, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Finanzvorstand Maria Ferraro. Foto: promo

© promo

Darauf wies der Regierende Bürgermeister Müller diese Woche hin. Die Stadt sei nicht nur ein wichtiger Produktions- und Entwicklungsstandort von Siemens Energy, sondern „der bundesweit führende Wissenschafts- und Forschungsstandort mit idealen Rahmenbedingungen, um gemeinsam an der Zukunft nachhaltiger Energiesysteme arbeiten und damit die Energiewende voranbringen zu können“, sagte Müller.

„Berlin ist der perfekte Standort für Siemens Energy, um Innovationen und die Energietechnik der Zukunft zu entwickeln“, kommentierte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) die Ansiedlungsentscheidung. „Berlin bietet Spitzenforschung, internationale Talente, ein starkes Cluster Energietechnik und eine wachsende Digitalwirtschaft.“

Siemens Energy: 29 Milliarden Euro Umsatz, 91.000 Beschäftigte

Der komplette Energiebereich war von Siemens abgespalten und im September an die Börse gebracht worden. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Sparte rund 29 Milliarden Euro Umsatz mit weltweit 91.000 Beschäftigten. Siemens Energy ist in der Energieerzeugung tätig sowie in der Energieübertragung und -speicherung.

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Durch die Mehrheitsbeteiligung an der in Spanien ansässigen Siemens Gamesa gehört Siemens Energy zu den Weltmarktführern bei erneuerbaren Energien. Nach eigenen Angaben basiert rund ein Sechstel der weltweiten Stromerzeugung auf Technologien von Siemens Energy. Mit der Entscheidung, die Zentrale in Berlin anzusiedeln, kehre man zu den historischen Wurzeln des Konzerns zurück, sagte Bruch. In Berlin war der Konzern 1847 gegründet worden.

Siemens setzt auf den „Berliner Gründergeist“

Teilungsbedingt hatte die Stadt nach 1945 viele Unternehmen verloren. Vor allem die industrielle Basis schrumpfte erheblich. In den vergangenen Jahren konnte die Stadt eine neue Dynamik entfalten. „Berlin hat sich zum wichtigen Standort für Innovation und Gründergeist entwickelt und überzeugt durch die Nähe zu politischen Gesprächspartnern, Verbänden und internationalen Einrichtungen“, begründete Siemens Energy vor drei Wochen die Standortentscheidung für Berlin.

Nun geht es an die praktische Umsetzung, bei der die Politik nicht nur mit einer Straßenbahn hilft, sondern auch „bei der Transformation der industriellen Fertigung mit dem Ziel zukunftsweisender Arbeitsplätze“. Schließlich habe der Senat „seine Unterstützung bei der Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Berliner Konzernleitung zugesagt“.

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