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Bombardier-Werk in Hennigsdorf 2018: Enak Ferlemann (CDU, links), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, und Michael Fohrer, Bombardier Deutschland-Chef, stehen neben dem neuen Batteriezuges Talent 3".

© ZB

Zughersteller Bombardier und Alstom: Werk in Hennigsdorf bei Berlin verliert Prestige-Abteilung

Als Zugeständnis an die EU-Kommission soll das Bombardier-Werk die Fertigung des Talent 3-Nahverlkerhstriebwagens abstoßen. Das Werk selbst ist nicht in Gefahr

Der neue Schienenfahrzeughersteller Alstom-Bombardier bekommt langsam Konturen. Die französische Alstom, die für rund sechs Milliarden Euro die Schienensparte des kanadischen Bombardier- Konzerns übernehmen will, veröffentlichte am Donnerstag Zugeständnisse gegenüber der EU-Kommission, mit denen wettbewerbsrechtliche Bedenken ausgeräumt werden könnten. Unter anderem sollen „die Talent 3-Plattform und die damit verbundenen Produktionsanlagen am Standort Hennigsdorf“ veräußert werden.

Hennigsdorf im Kreis Oberhavel am nordwestlichen Berliner Stadtrand ist mit knapp 2500 Beschäftigten, von denen der Großteil in der Administration und der Entwicklung tätig ist, der größte Bombardierstandort hierzulande. In der Produktion gibt rund 450 Arbeitskräfte, davon knapp 200 in der Talent 3-Fertigung. Der Talent ist ein Triebwagen für den Nahverkehr.

Alles in allem beschäftigt Bombardier Transportation noch gut 6000 Personen in Deutschland. Hennigsdorf ist das Entwicklungszentrum und spezialisiert auf den Bau von Prototypen und Testfahrzeuge; Kassel fungiert als Produktionszentrum für Loks, die in Mannheim entwickelt werden. In Braunschweig ist die Signal- und Steuerungstechnik ansässig und in Siegen Drehgestelle.

Der traditionsreiche Standort Görlitz hat sich auf Wagenkästen spezialisiert und das hochmoderne Werk in Bautzen auf den Innenausbau. Bombardier Transportation schleppt sich von einer Umstrukturierung zur nächsten und hat Tausende Arbeitsplätze in den letzten Jahren abgebaut. Dazu geriet das Unternehmen immer wieder mit Qualitätsmängeln und Lieferproblemen in die Schlagzeilen.

Michael Fohrer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bombardier Transportation 2017 in Hennigsdorf bei einer Pressekonferenz die Neuausrichtung des Unternehmens.
Michael Fohrer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bombardier Transportation 2017 in Hennigsdorf bei einer Pressekonferenz die Neuausrichtung des Unternehmens.

© Rainer Jensen/dpa

Michael Fohrer, Deutschlandchef von Bombardier Transportation (lesen Sie hier ein Interview aus dem März), hatte vor einigen Wochen einen Antrag bei der IG Metall zur Abweichung vom Tarifvertrag gestellt. In den kommenden vier Jahren möchte Fohrer gerne 125 Millionen Euro Personalkosten in allen deutschen Werken sparen, unter anderem durch Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und längere Arbeitszeit ohne zusätzliche Bezahlung. Anfang August stehen dazu erste Verhandlungen an, doch die Neigung der Arbeitnehmervertreter zur Tarifabweichung ist gering, solange nicht klar ist, wann die Fusion mit Alstom kommt und mit welche Auswirkungen. Der weltweite Markt für Schienenfahrzeuge wird von einem Oligopol dominiert mit einem chinesischen Konzern an der Spitze.

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Ursprünglich wollte Siemens seine Schienensparte mit Alstom fusionieren, doch die EU-Kommission legte ein Veto ein. Vor allem bei Signaltechnik hätte der neue Konzern eine marktbeherrschende Stellung bekommen, so das Argument Brüssels. Die Franzosen orientierten sich dann anders und gaben Anfang des Jahres eine Übernahmeplan für Bombardier Transportation bekannt. Mit Brüssel sind die Gespräche jetzt offenbar so weit gediehen, dass Alstom erste Details veröffentlichte, „um die potenziellen wettbewerblichen Bedenken der Kommission zu adressieren“. Unter anderem wird Bombardier seinen Projektanteil an der Kooperation eines Hochgeschwindigkeitszugs abgeben; die Fertigung von Alstoms Coradia Polyvalent und der Produktionsstandort Reichshoffen in Frankreich wird verkauft. Schließlich sollen Wettbewerber „Zugang zu bestimmter fahrzeugseitiger Signaltechnik sowie Zugsteuerungs- und -sicherungssystemen von Bombardier Transportation“ bekommen.

„Die vorgeschlagenen Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt der Freigabe durch die Europäische Kommission“, teilte Alstom mit. Die Verkäufe würden „in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern umgesetzt“. Alstom bekräftigte das Ziel, die Übernahme von Bombardier in der ersten Hälfte des kommenden Jahres abschließen zu wollen. In Branchenkreisen hieß es dagegen, man erwarte bereits in den nächsten Wochen die Zustimmung der EU. „Anfang August soll es in Brüssel etwas geben.“

Die Übernahme wird von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) weiterhin positiv bewertet. Daran ändere auch die von Alstom geplante Veräußerung des Talent 3-Zugprogrammes nichts, sagte er dieser Zeitung. „Alstom agiert sehr transparent“, sagte Steinbach. Insgesamt gehe er mit der Altstom-Übernahme von einer Stabilisierung des Bahnstandortes Hennigsdorf aus.

Mitarbeit: Benjamin Lassiwe

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