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Wölfe vergreifen sich vor allem dort an Nutztierherden, wo geeigneter Schutz fehlt. Um Menschen machen sie einen großen Bogen.

© Carsten Rehder/dpa

Zu viele Wölfe?: Brandenburgs Bauernverband befürwortet Jagd auf Wölfe – und erntet Kritik

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner will Wölfe stärker bejagen. Von Brandenburgs Bauernverband kommt Lob. Doch Naturschützer sehen keine Grundlage.

Von Sandra Dassler

Der brandenburgische Landesbauernverband (LBV) begrüßt die Ideen von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die streng geschützten Wölfe zu bejagen. „Wir treten ja schon seit längerem dafür ein, den Wolfsbestand in Brandenburg entsprechend zu managen“, sagte LBV-Sprecher Tino Erstling dem Tagesspiegel: „Unser Vorschlag ist, einen Zielbestand festzulegen, damit die Wolfspopulation erhalten bleibt. Wenn es dann mehr Tiere als festgelegt gibt, sollten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Da sind wir derselben Ansicht wie Frau Klöckner.“

Die Bundeslandwirtschaftsministerin hatte sich angesichts steigender Zahlen von gerissenen Nutztieren für die Jagd auf Wölfe ausgesprochen. Zwar gehe es nicht darum, sie auszurotten, erklärte die Ministerin der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, „aber wenn wir die Weidetierhaltung in einigen Regionen nicht aufgeben wollen, müssen wir handeln.“

Klöckner bezog sich auf die zuvor veröffentlichte Statistik der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW), wonach im vergangenen Jahr 3959 Weidetiere in Deutschland von Wölfen getötet wurden, darunter 3444 Schafe. Damit stieg die Zahl der aufgrund eines Wolfsangriffes getöteten, verletzten und vermissten Nutztiere um 37 Prozent gegenüber 2019.

Tier- und Naturschützer sowie die Grünen-Fraktion im Bundestag kritisierten die Äußerungen der Bundeslandwirtschaftsministerin als populistisch und dem Wahlkampf geschuldet. „Frau Klöckner muss einfach mal begreifen, dass die auch von ihr geförderte Erleichterung des Abschusses von Wölfen nicht zu weniger toten Weidetieren führt“, sagte Axel Kruschat, der brandenburgische Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Zahl der getöteten Weidetiere gestiegen

„Das kann nur durch eine Verbesserung des Herdenschutzes erfolgen. Die Bundesregierung sollte lieber die Weidetierhalter dabei unterstützen, anstatt immer nur mehr Abschüsse zu fordern. Die sind keine Lösung.“ Auch die DBBW-Experten hatten darauf verwiesen, dass Wolfsrisse vor allem dort vorkommen, wo sich Halter noch nicht auf die Anwesenheit der Räuber eingestellt haben. So sei etwa in Niedersachsen und Schleswig-Holstein bei mehr als 80 Prozent der Übergriffe kein ausreichender Herdenschutz vorhanden gewesen.

Aber auch in Brandenburg, wo es schon seit längerem Wölfe gibt, stieg die Zahl der von ihnen getöteten Weidetiere stark. Vom Potsdamer Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz hieß es dazu, dies sei zum einen in Gebieten der Fall, wo Wölfe neu einwandern und erstmals Territorien etablieren.

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„Allerdings kommt es auch in Gebieten mit mehrjähriger Wolfspräsenz noch immer zu Übergriffen, da eine fachgerechte Anwendung von Herdenschutzmaßnahmen in Wolfsgebieten leider noch immer keine Selbstverständlichkeit ist“, sagte eine Sprecherin.

Der empfohlene Herdenschutz bleibe das effektivste Mittel gegen Wolfsangriffe. Deshalb habe Brandenburg in den vergangenen Jahren die Förderung solcher Maßnahmen stetig verbessert und finanziere neben Anschaffung, Aufbau und Unterhalt von wolfssicheren Zäunen auch Anschaffung, Ausbildung und sogar Futterkosten von Herdenschutzhunden.

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„Die Unterstützung der Weidetierhalter in Brandenburg ist im Vergleich zu anderen Bundesländern schon ziemlich gut“, sagte BUND-Sprecher Axel Kruschat. Er kritisiert allerdings, dass auch hier die Wolfsverordnung angepasst wurde. Zuvor mussten die getöteten Tiere einem einzelnen Wolf konkret zugeordnet werden, was in der Praxis so gut wie unmöglich war. Die neue Verordnung sieht vor, dass nicht nur einer, sondern auch weitere Wölfe gejagt werden können, solange in dem betreffenden Gebiet beziehungsweise vom betreffenden Rudel weiter Nutztiere gerissen werden.

Tatsächlich hat es in Brandenburg bislang noch keinen auf dieser Grundlage genehmigten Abschuss gegeben. Das sei auch gut so, sagt Kruschat: „Ob wegen angeblicher Probleme oder weil ein ominöser Zielbestand überschritten wurde – Abschüsse führen nie zum Rückgang der Wolfsrisse. Im Gegenteil: Wenn das Leittier eines Rudels getötet wird und bei der Jagd auf Wildschweine und Rehe fehlt, werden sich die anderen Wölfe noch mehr auf die einfachere Beute, sprich: auf die Weidetiere konzentrieren.“

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