zum Hauptinhalt
Reichen Appelle allein in Berlin nicht aus?

© Christophe Gateau/dpa

„Zu viele Berliner sind zu undiszipliniert“: In der Hauptstadt wirkt der Teil-Lockdown am wenigsten

Während bundesweit im „Lockdown light“ die Zahlen zurückgingen, stiegen sie in Berlin. Was läuft falsch? Am Donnerstag berät der Senat über die Corona-Regeln.

Es ist Woche vier vom „Lockdown light“, in dem strengere Coronamaßnahmen das öffentliche Leben drosseln – und einen Rückgang der Neuansteckungen mit dem Virus bewirken sollen. Aber klappt das? Eine Analyse des Beratungsinstituts IGES zeigt: in Deutschland ja – in Berlin dagegen: nein.

„Der Lockdown in Berlin wirkt herzlich wenig“, sagt IGES-Chef Bertram Häussler. Im bundesweiten Durchschnitt seien die Zahlen immerhin stagniert, in der vergangenen Woche sogar leicht gesunken. Der Wert blieb bei rund 152 Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen pro 100.000 Einwohner in den Wochen zwei und drei des Lockdowns fast gleich.

In Berlin hatten sich die Zahlen dagegen deutlich erhöht: In der Woche vom 5. bis 11. November lag die 7-Tage-Inzidenz bei 200,4, in der darauffolgenden Woche bei 226,6. „Zu viele Berliner sind zu undiszipliniert und halten sich nicht an die Kontaktbeschränkungen und Schutzmaßnahmen“, sagt Häussler. Erst langsam scheint es auch in Berlin eine Trendwende zu geben, in der vergangenen Woche waren die Neuinfektionen nicht mehr so stark angestiegen.

Dass die Zahlen insgesamt in Deutschland stagnieren, lag erst mal an Bundesländern wie dem Saarland oder Hamburg, wo die Maßnahmen schneller ihre Wirkung gezeigt hatten und die Zahl der Neuinfektionen deutlich zurückgegangen war. Auch Bayern, Hessen und Niedersachsen verzeichneten leichte Rückgänge. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg stiegen die Zahlen – aber nirgendwo so stark wie in Berlin.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der erste Lockdown wirkte in Berlin besser als der zweite

Die besonders betroffenen Bezirke wie Neukölln oder Friedrichshain-Kreuzberg, in denen die Zahl der Neuinfektionen trotz Lockdown um 60 Prozent stiegen, müssten womöglich noch sehr viel strengere Regeln durchsetzen, sagt Häussler.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Mittlerweile liegt die Zahl der Neuinfektionen in Friedrichshain-Kreuzberg in sieben Tagen pro 100.000 Einwohnern bei 409,6 - schon wieder ein eklatanter Anstieg. Dafür sind die Fallzahlen in anderen Bezirken deutlich zurückgegangen - etwa in Lichtenberg oder Charlottenburg Wilmersdorf.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Im Gegensatz zur jetzigen Situation habe der erste Lockdown sehr gut gewirkt - und die Neuinfektionen seien deutlich gesunken, sagt Häussler. Das zeigt ebenfalls eine IGES-Berechnung. Demnach war die steile Kurve der Neuinfektionen ab dem 31. März, neun Tage nach Beginn des ersten Lockdowns zurückgegangen. Am 11. November, neun Tage nach Inkrafttreten des zweiten Lockdowns, war davon noch nichts zu spüren - bis heute flacht die Kurve nur zaghaft ab. „Die Kurve der zweiten Welle bleibt im Horizontalflug”, sagt Häussler.

Ratlosigkeit in den Bezirken

In den Bezirken selbst herrscht Ratlosigkeit in Bezug auf die Frage, warum die Infektionszahlen weiterhin steigen oder zumindest stagnieren, bislang aber nicht fallen. „Ich kann keinen sinnvollen Erklärungsversuch geben, warum die Einschränkungen nicht wirken“, erklärte Falko Liecke (CDU), Gesundheitsstadtrat von Neukölln. Er müsse davon ausgehen, dass zahlreiche Infektionen im privaten Bereich stattfinden, weil sich Menschen dort und nicht auf offener Straße oder in Kneipen treffen.

[Behalten Sie den Überblick über die Corona-Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

Derartige Zusammenkünfte zu unterbinden, sei so gut wie unmöglich, erklärte Liecke weiter. Er verwies auf eine positive Entwicklung und einen leichten Rückgang der Zahlen in den vergangenen Tagen, warnte aber: „Dafür, von einer Trendumkehr zu sprechen, ist es zu früh.“ Dem schloss sich Neukölln Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) an.

Er erklärte: „Wir beobachten seit Mitte letzter Woche eine Stagnation der Neuinfektionen, wenn auch natürlich auf hohem Niveau. Das exponentielle Wachstum ist in Neukölln im Augenblick jedenfalls gestoppt. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, weil Maßnahmen etwa zwei Wochen brauchen, bis sie greifen.“

Eine Maskenpflicht auf allen öffentlichen Plätzen ist möglich

Für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erklärte Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke): „Wir liegen seit Ende Oktober bei den täglichen Neuinfektionen im niedrigen dreistelligen Bereich und kommen davon nicht runter. Der größte Teil der Infektionen findet im häuslichen Bereich statt, das kriegen wir mit einem Lockdown nicht in den Griff.“

[Mehr zur Nacht der Entscheidung: Hinter den Kulissen des Corona-Gipfels - wer die Schulen auf die Agenda boxte, wem Merkels Drängen zu weit ging (T+)]

Wie vor ihm schon Liecke erklärte auch Midlner-Spindler, dass immer wieder Ausbrüche in Pflegeheimen die Wirksamkeit des Lockdown light aushebeln würden. Beide betonten, dass Fälle wie jener in Lichtenberg mit 15 Toten die absolute Ausnahme seien.

Aus Senatskreisen hieß es am Mittwoch, Berlin könne über die zwischen den Ländern und der Bundeskanzlerin beschlossenen Maßnahmen noch hinausgehen. Möglich sei eine Maskenpflicht auf allen öffentlichen Flächen oder eine Verschärfung der Ausnahmeregeln zwischen Weihnachten und Silvester. Auch eine Verkürzung des Ausnahmezeitraums sei denkbar. Über diese und andere Maßnahmen wird der Senat in einer Sondersitzung am Donnerstagnachmittag beraten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false