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Auch eine Grußbotschaft macht nicht unbedingt Freude.

© Cay Dobberke

Zu Hause hinterm Riesenposter: Gegen die Gelbgier vor Balkons und Fenstern

Wer Mietern in der Coronakrise illegal ein Großplakat ans Haus hängt, dem muss man die Ohren lang ziehen. Eine Glosse.

Eine Glosse von Stefan Jacobs

Heute ein König? Lange her, wenn man am am lärmumtosten Kaiserdamm wohnt, zumindest vorne raus. Jetzt, da coronabedingt alle zu Hause bleiben sollen, ist es ein wenig ruhiger geworden. Aber nicht angenehmer für die Bewohner der Nr. 109.

Das Haus an der Ecke Witzlebenstraße – die Lage ist leider das Einzige an dieser Geschichte, was einen Witz enthält – gehört einer Luxemburger Investmentgesellschaft, die artspezifisch Geld braucht, möglichst viel und möglichst schnell.

Deshalb hat die Hausverwaltung den Bewohnern gerade ein neues Riesenplakat vor Fenster und Balkone gehängt, auf dem der Mineralölkonzern Shell (für die Älteren: das ist der, den wir 1995 so heldenhaft boykottiert haben, damit er die ausgediente Plattform „Brent Spar“ nicht im Atlantik versenkt) dem eigenen Personal und allen anderen dankt, die bei der Bewältigung der Krise helfen.

Die Hausbewohner bekommen selbige erst, weil ihnen tags das Licht und nachts durch Strahler der Schlaf geraubt wird. Gelb regiert die Welt – zumindest die der hinterm Plakat zum Hausarrest Verdammten.

In der Torstraße gab es kürzlich einen ähnlichen Fall, der sich zugleich als besonderes Leckerli für diplomierte Verwaltungsbewirtende mit Studienschwerpunkt zweistufige Administration erwies, da sich der Gehweg mit dem plakattragenden Gerüst in einem anderen Bezirk befand als das Gebäude mit den abgehängten Bewohnern.

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„Go well“, das Poster aber bitte zuerst

Der Fall vom Witzlebenplatz scheint klarer zu sein, da a) die für die Fassadenmaskierung genehmigte Frist bereits abgelaufen ist und sich b) bereits ein Stadtrat für zuständig befunden hat, der c) auch zeitnah aktiv werden und der Hausverwaltung die Ohren lang ziehen will, dass es ein Fest ist.

Der Slogan am Fuße des Plakates lautet übrigens „Go well“, was man in Charlottenburg vielleicht mit „Schönen Tach!“ oder „Mach’s jut!“ übersetzen würde. Auf Neuköllsch dürfte es eher „Verpiss dich!“ heißen. So oder so: Hauptsache, go.

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