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Zoodirektor Blaszkiewitz: Der Berliner Bärbeißer

Die Biologen loben ihn. Andere schreiben ihm Schmähbriefe. Bernhard Blaszkiewitz, Direktor des Berliner Zoos (West) und des Tierparks (Ost), hat viele Gegner. Weil er so stur ist. Der Zoo ist doch kein Disneyland, sagt er.

Es könnte damit alles gesagt sein: Das Lieblingstier von Bernhard Blaszkiewitz ist das Nashorn.

Nashörner sehen schlecht, Umrisse eher als Details. Sie sind Einzelgänger. Sie greifen jeden an, der ihnen zu nahe kommt. Ihr Horn nutzt sich im Kampf ab, aber es wird dabei immer spitzer.

Wäre Bernhard Blaszkiewitz ein Tier, dann ganz bestimmt ein Nashorn. Er ist Vorstand der Zoologischer Garten Berlin AG, und damit der erste Zoodirektor, der sowohl den Zoo (West) als auch den Tierpark (Ost) leitet, beides Träger von Superlativen: Der Berliner Zoo ist der artenreichste der Welt, und der Tierpark ist der größte Europas. Dennoch ist Blaszkiewitz der erste Zoodirektor von Berlin, dem es nicht gelingt, Sympathien für sich zu wecken. Und das in der Stadt der Tierverliebten. Der Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Zoochefin Katharina Heinroth über alles liebte und dem Ex-DDR-Tierparkdirektor Heinrich Dathe sogar seine NSDAP-Mitgliedschaft verzieh. Blaszkiewitz dagegen bekommt allein von Biologen Lob. Von anderen bekommt er Schmähbriefe und bitterböse Mails.Was ist da los?

Es ist ein Wintertag im Tierpark in Berlin-Friedrichsfelde. Hier gibt es zwar Nashörner, aber vor ihrem Gehege ist es menschenleer. Das Restaurant: geschlossen. Die Tier haben sich bei diesem Wetter in ihren Höhlen und Unterständen versteckt.

Im Alfred-Brehm-Haus ist es aber voll, das ist eines der größten Tierhäuser der Erde. Hier geht es heute ums große Geld. Blaszkiewitz klopft sich die Nässe vom Mantel. Gabriele Thöne ist mit dabei, Ko-Vorstand, Kollegin fürs Kaufmännische, und der neue Finanzsenator von Berlin, Ulrich Nußbaum. Der sagt, er sei zuvor nie im Tierpark gewesen. Was typisch ist. Zoo ja, Tierpark nein.

Das gehört zu Bernhard Blaszkiewitz’ Problem. Er ist Vater zweier ungleicher Töchter, die eine schön, begehrt und im Mittelpunkt, die andere langweilig, zu groß, zu weit weg von allem. Aber Vaters Herz verlangt nach Gleichbehandlung der ungleichen Töchter. Er kann ja auch beide lieben. Warum nicht die anderen? Warum nicht mal der Finanzsenator? Der reiche Onkel? „Da sind Sie leider nicht der Einzige“, quittiert also Blaszkiewitz das Bekenntnis von Ostzooneuling Nußbaum.

Der hat sich an diesem Tag deshalb nach Friedrichsfelde aufgemacht, weil das Land Berlin die Zoo AG unterstützt. Der Tierpark wäre ohne die fast sechs Millionen Euro, die er in diesem Jahr vom Land Berlin bekommt, sofort pleite. Nicht mal eine Million Besucher passierten 2010 die Kassenhäuschen von Europas größtem Landschaftstiergarten. Im Zoo zahlten im gleichen Zeitraum fast drei Millionen Besucher Eintritt. Der könnte notfalls ohne öffentliche Zuwendungen überleben und bekam trotzdem 2010 noch 1,4 Millionen Euro Zuschuss. Nun aber soll die Zoo AG mehr als zwei Millionen Euro Subventionen zurückzahlen. Das ist das Geld, was der Zoo 2007 als öffentliche Zuwendung bekam, um den Betriebsverlust auszugleichen. Der Landesrechungshof fordert das, und der Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus hat zugestimmt.

Denn der Zoo hat zuletzt viel Geld verdient. Allein von Ende 2006 bis Ende 2008 machte er sechs Millionen Euro Gewinn – ohne die Lizenzverkäufe. Das lag am Eisbärbaby Knut, geboren am 5. Dezember 2006. Knut war wie der glitzernde Klunker am Hals der schönen Tochter. Aber Vater Blaszkiewitz kann Klunker nicht leiden.

Knut, der die Welt verzückte, war für Blaszkiewitz ein Nervtöter, der die Aufmerksamkeit von den anderen Tieren abzog: 24 594 Tiere in 2438 Formen stellen Zoo und Tierpark zusammen aus, so sagt das der Biologe. Aber plötzlich schien es nur noch ein einziges Zootier zu geben. Plötzlich ging es um Merchandising und TV-Lizenzen, das lenkte von der wirklich wichtigen Arbeit ab. Durch den Hype um Eisbär Knut konnte der Zoo seine finanziellen Rücklagen Ende 2007 um 5,4 Millionen Euro aufstocken. Obwohl Blaszkiewitz die Knut-Show nicht mochte, schmückt er sich jetzt mit deren Erfolg.

„Wenn ich so eine Lusche wäre, wie einige Leute behaupten, gäbe es ja dieses Ergebnis wohl nicht“, sagt Blaszkiewitz zum Finanzsenator.

Blaszkiewitz’ Büro lag bis vor kurzem in dem alten Verwaltungsgebäude auf dem Tierparkgelände, rund 15 Minuten zu Fuß vom Raubtierhaus entfernt. Hier riecht es in einigen Fluren noch heute, als würde mit Restbeständen von DDR-Reinigungsmitteln geputzt. Derzeit bezieht der Chef gerade sein neues Büro, im frisch renovierten Schloss Friedrichsfelde. Blaszkiewitz, der Schlossherr, das passt ja, sagen seine Gegner.

Er ist in West-Berlin geboren, 1954, aber alle denken, der Zoodirektor sei ein alter Ostler. Weil er einen schnell merken lässt, dass er gar nicht mit einem reden will. Weil er muffelig ist. Verweigernd. Motzig. Aber auch nett. Und humorvoll. Sogar charmant. Aber unberechenbar.

Er sagt gerne Sätze wie: „Der Zoo ist keine Volksdemokratie, einer muss die Verantwortung schließlich tragen.“ Und: „Der Zoo Berlin hat heute die gleiche Aufgabe wie bei seiner Gründung 1844, und das ist, Tiere zu präsentieren.“ Seine Mitarbeiter kennen diese Leitsätze. Die man in Zeiten computergesteuerter Tierdokumentationen für überholt halten kann.

Vor dem Raubtierhaus kämpfen sich Tierpfleger auf Fahrrädern und in Arbeitsfahrzeugen durch Schnee und Matsch. Was der Chef besonders gut kann, und was nicht? Sie kneifen die Lippen zusammen. Sie sagen nichts, man möge bitte Verständnis haben. Je 240 Kollegen arbeiten noch in Zoo und Tierpark, und die haben Angst um ihren Job.

Es sind Mitarbeiter dabei, die haben die Erzfeindin ihres Chefs, das ist die Tierrechtskämpferin Claudia Hämmerling, Abgeordnete der Grünen im Landesparlament von Berlin, mit internen Informationen ausgestattet. Einer muss ihm sogar mal den Tischkalender aus dem Büro geklaut haben, mit Eintragungen zur Fuchsjagd auf dem Gelände, die soll gesetzlich verboten gewesen sein.

Der Chef hat auch Thomas Dörflein, den am 22. September 2008 verstorbenen Pfleger von Knut, mehrmals in sein Büro zitiert. Ihn abgemahnt, weil er mit dem herangewachsenen Eisbären noch herumtollte, obwohl der Chef ihm das untersagt hatte. Weil er seinen Mitarbeiter aus Fürsorgepflicht schützen wollte, sagt Blaszkiewitz. Weil er ein Spielverderber sei, fanden die Menschen am Gehege.

Eine Pflegerin im Tierpark wagt sich irgendwann doch vor. „Ich bin auch schon mit dem Chef aneinandergeraten“, verrät sie unter Zusicherung von Anonymität, „aber man muss ihn zu nehmen wissen, dann kommt man klar.“ Man dürfe bei ihrem Chef bloß nicht auf Frontalangriff gehen. Aber der lebe und arbeite für seine Tiere.

In seiner Welt macht Blaszkiewitz alles richtig. Er baute im Zoo die Affenanlage artgerechter um, gab den Elefanten mehr Platz und freut sich über seltene Nachkommen etwa bei den Maguaristörchen. Er hat eine der erfolgreichsten Elefantenzuchten der Welt vorzuweisen und positive Noten bei Zootests von Zeitschriften. Im Tierpark will er den Raubkatzen bald mehr Platz geben, und er möchte ein Menschenaffenhaus bauen. Da werden die Leute kommen! Er will sogar Baumstege in das Tropenhaus bauen lassen, auch das wird saniert. Er ist aber gegen Disneyland im Zoo.

Vor den Raubtierkäfigen beobachten Zoodirektor und Finanzsenator jetzt einen Königstiger, der seinem Weibchen den Pelz putzt. „Das ist ein ganz sanfter Kater, der hat sie schön gedeckt und ist nicht böse zu ihr“, erklärt Blaszkiewitz dem Senator, der interessiert nickt.

Dann ein Stopp für Fotos. Blaszkiewitz fragt Nußbaum, den medienerfahrenen Besucher, ob er als Gastgeber seinen Hut für die Pressefotos aufsetzen oder abnehmen solle. „Tragen Sie den ruhig, das macht sich doch gut im Bild“, sagt Nußbaum. „Wer hat schon einen leibhaftigen Finanzsenator als Modeberater“, scherzt Blaszkiewitz da vergnügt. Aber er kann auch anders.

Blaszkiewitz, der Katzenmörder, titelten im Frühjahr 2008 die Berliner Boulevardzeitungen. Vor fast 20 Jahren hat er Katzenbabys hier im Tierpark nahe dem Raubtierhaus das Genick gebrochen. Er musste sich dafür Mitte April 2008 im Gesundheitsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses rechtfertigen. „Ich habe sie artgerecht getötet“, sagte er da.

Tierschützer überziehen ihn von jeher mit Strafanzeigen. Er soll auch Zwergflusspferde und eine Kragenbärfamlie an einen Zootierschlachter nach Belgien geliefert haben. Keiner Anzeige folgte je ein Prozess, geschweige denn eine Verurteilung. Transparenz für das Universum da draußen würde helfen, aber dafür sieht Blaszkiewitz in nashornhafter Einzelgängermanier keinen Anlass.

Auch auf die Besucher geht er selten zu. Kaum Wegführungen, kaum Informationen an Gehegen, Käfigen, Volieren. Fremdsprachliches schon gar nicht. Dabei kommen 65 Prozent der Besucher im Zoo von woanders her. Immer wieder hört er deshalb dieselben Fragen, auf die er mit seinem ewigen Nein antwortet. Ob der Tierpark nicht attraktiver würde mit internationaler Beschilderung, durch moderne interaktive Multimedia-Bildschirme? Ob man den Tierpark vielleicht nach Kontinenten oder Regionen neu einteilen könne? Andere Zoos stellen Angaben zu den Tieren, die sie aufnehmen oder abgeben, für jeden einsehbar ins Internet. Blaszkiewitz lässt die tierpolitischen Sprecher der Berliner Politik auf Anfrage in seine Bücher gucken, die Einträge versteht aber keiner wirklich. Manche sagen, am liebsten wäre er Zoodirektor für sich ganz allein, ohne die Besucher.

Drei Jahre läuft sein Vertrag noch, der Aufsichtsrat steht hinter ihm.

Der Hauptgrund der Kritik an Blaszkiewitz aber ist und bleibt sein Umgang mit Knut. Der war gerade ein paar Monate alt und auf dem Weg zum weltweiten Superstar, als Blaszkiewitz auch die Zooleitung übernahm – und von Beginn an nichts ausließ, um den Rummel um das Tier klein zu machen. Das ist auch heute noch so. Wenn die Zoobesucher zu Knut wollen, dann finden sie ihn nur schwer. Ihr Liebling, die Euromaschine, ist nicht ausgeschildert. Und am Gehege dann die nächste Enttäuschung. Es wird nicht erklärt, welcher der vier Bären nun Knut ist. So verschrecke man seine Besucher, ein Zoo sei doch kein Selbstzweck, der Zoo sei doch für die Menschen da, sagen Gegner von Blaszkiewitz.

„Das, was Sie alle schreiben, stimmt sowieso oft nicht, Sie haben ja keine Ahnung“, hat er bei einer Pressekonferenz im Zoo mal in die Runde gesagt. Er verachtet die Boulevardjournalisten, die sich für die besten Bilder sogar nachts im Zoogebüsch verstecken. Er musste die klammheimliche Schadenfreude einiger Medienvertreter ertragen, als ihm Schimpanse Pedro am 8. Juni 2009 seinen Zeigefinger abbiss. Da leuchteten sie seinen Fingerstumpf mit Blitzlicht aus, und er hielt seinen Verband den Kameraobjektiven der Meute trotzig entgegen: „Hier habt ihr ihn!“

Der Tierparkrundgang mit dem Finanzsenator ist im Tropenhaus angekommen. Heiß ist es hier, schwül, es tropft von der Decke. Ulrich Nußbaum guckt hinauf zu den beschlagenen Dachfenstern des maroden Gebäudes. „Das hat Potenzial, da kann man was draus machen“, sagt er. Er meint das sicher nicht so, aber man könnte es als Beleidigung verstehen.

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