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Theodoros Boulgarides (2.v.r.) wurde mit Schüssen aus solch einer Pistole ermordet. Verdächtigt wurde zunächst sein Bruder.

© Bernd Thissen/dpa

Zeuge im Brandenburger NSU-Ausschuss: Kein Verständnis für "gewöhnliche" Mordopfer

Uwe Menzel, bekannter Neonazi in Brandenburg, sagte im NSU-Ausschuss des Landtags aus. Seine Vorstellungen hält er nicht hinterm Berg.

Er war Mordopfer Nummer 7. Theodoros Boulgarides wurde 41 Jahre alt. Er hinterließ eine Frau, zwei Töchter und einen Bruder, der unschuldig unter Verdacht stand, für Theodoros’ gewaltsamen Tod verantwortlich zu sein. Boulgarides war ein griechischstämmiger Einzelhändler in München. Er wurde laut Anklage im Münchner NSU-Prozess am 15. Juni 2005 von dem Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mit drei Schüssen in den Kopf im Laden seines Schlüsseldienstes niedergestreckt.

Auf den Tag genau 13 Jahre nach dem Mord an Boulgarides sagt ein dritter rechtsextremistischer Uwe im NSU-Untersuchungsausschusses des Potsdamer Landtags aus: „Morde an Dönerverkäufern und Blumenhändlern – das ist für mich sinnlos. Das hat sich für mich nicht erschlossen.“

Doch es sind nicht Bedauern, Mitleid oder Mitgefühl, die aus Uwe Menzel sprechen. Vielmehr – diesen Eindruck muss man ob seiner rassistischen Bekenntnisse im Ausschuss bekommen – scheint es Unverständnis darüber, warum sich das Terrortrio für seine Aktionen ausgerechnet so „gewöhnliche“ Opfer ausgesucht hat wie Blumenhändler, Dönerverkäufer oder den Inhaber eines Schlüsseldienstes.

„Jugendliches Auf-die-Kacke-hauen“

Zumindest in seinen früheren Jahren hielt Uwe Menzel, europaweit bekannter Neonazi, Rechtsrock-Sänger aus Potsdam und am Freitag Zeuge im Brandenburger NSU-Ausschuss, mit seiner Vorstellung vom richtigen Vorgehen nicht hinterm Berg. „Durch gezielte Schläge müssen wir unsere Feinde in Angst und Schrecken versetzen“, bekundet er in den 90ern in einem Interview mit einem einschlägigen Magazin.

„Jugendliches Auf-die-Kacke-hauen“ um sich einen Namen zu machen sei das gewesen, sagt Menzel, Jahrgang 1974, Spitzname „Uwocaust“, nachdem ihm die Obfrau der Grünen im Ausschuss, Ursula Nonnemacher, mehrere solcher Passagen vorgehalten hat.

„The Order zeigt uns den Weg. Wir müssen den Weg nur gehen“, lautet eine andere Äußerung Menzels in einem Naziheft. Der jüdische Radiomoderator Alan Berg wurde 1984 in Denver von der rassistischen Terrorgruppe „The Order“ ermordet. „Aryan Brotherhood“, Arische Bruderschaft, hieß eine von Menzels Bands. Mehrere Morde in US-Gefängnissen gehen auf das Konto der rassistischen, der Gang „Aryan Brotherhood“.

"Keine Morddrohung"

Interessant für den Ausschuss ist Menzel aus mehreren Gründen. Die im wahrsten Sinne schwergewichtige Brandenburger Szene-Größe kannte zwangsläufig Carsten Szczepanski alias „Piatto“, den früheren Rechtsextremisten und V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes. „Piatto“, der am Montag wie nun Menzel unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen und für die Öffentlichkeit nur hör-, aber nicht sichtbar aussagte, gab im Sommer 1998 einen Hinweis auf ein untergetauchtes Trio aus Sachsen, das später als NSU bekannt wurde.

Der Verrat des Überläufers kann Menzel nicht gefallen haben: In einem Lied von 2007, das eindeutig Szczepanski gewidmet ist, heißt es unter anderem „wir sind der Strick am Genick“. Ob das eine Morddrohung Richtung „Piatto“ sei, will Nonnemacher wissen. „Das ist keine Morddrohung“, sagt Menzel. „Das ist emotionale Bildsprache.“

Noch mehr als „Piatto“ pflegte Menzel enge Kontakte zum rechtsextremen „Blood and Honour“-Netzwerk in Sachsen, zu dessen Dunstkreis auch die beiden Namensvettern des NSU zählen. Menzel war befreundet mit NSU-Unterstützern, übernachtete – wie die Abgeordnete Isabelle Vandre (Linke) mit ihren Fragen herausarbeitet – in einem Haus in Chemnitz, in dem sich zeitweise das untergetauchte Trio versteckt haben soll.

Davon habe er nichts gewusst, behauptet Menzel, er habe Mundlos, Böhnhardt und Tschäpe nicht gekannt, nie getroffen. Wäre er aber gefragt worden, Untergetauchten aus der Szene zu helfen, hätte er es gemacht, sagt er. „Ich bin aber nicht gefragt worden.“

Marion Kaufmann

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