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Kleine Tricks. Vor allem Kinder beziehen Chris (links) und Andreas Ehrlich gern in ihre Show ein. Nicht nur werden sie mit dem großen, glitzernden Zauberstab-Mikro befragt – manch einer geht danach ohne Schuhe nach Hause, auf jeden Fall aber mit einem Fanshirt.

© Ralph Larmann/promo

Zaubershow in Berlin: Ehrliche Tricks

Magie gibt es doch gar nicht, oder? Nö, sagen diese Brüder und zaubern los. Bei den Ehrlich Brothers gibt es nur Illusionen. Und das funktioniert erstaunlich gut.

Ein Hauch von Haarspray hängt in der Luft. Nein, ehrlich gesagt ist es eine veritable Wolke, die hier in der etwas angestaubten Garderobe des Admiralspalastes hängt. Chris hat gerade noch mal nachgelegt, die Frise ordentlich in Form gebracht, hinten steil nach oben, vorne eher angeklebt. Ein paar Schneeflocken glitzern noch darin, vor einer halben Stunde hat es schließlich geschneit auf der Bühne und das hat Chris, 33, mit seinen bloßen Händen – tja, was eigentlich? Gezaubert? Sein Bruder Andreas, 37, die Haare steil nach oben, reißt die Tür auf, ein großes Hallo, willkommen, toll, dass du da bist! Sie nennen sich Ehrlich Brothers, der Name ist Programm: Kein magisches Getue, keine übersinnlichen Kräfte, nein, was Sie hier sehen, liebe Zuschauer, sind Tricks. Einfache, ehrliche Zaubertricks.

Es war im Jahr 2002, damals tourten die Ehrlich Brothers, die eigentlich Reinelt heißen und aus Herford kommen, noch als Andy McJoy und Chris Joker und hatten kleinere Fernsehauftritte. Eine Frau hat sie gesehen und rief bei Andreas an: Sie habe Krebs, ob er sie heilen könne? Immer und immer wieder habe sie angerufen, erzählt er, da wurde ihm klar: Er will kein Magier sein. „Seither distanzieren wir uns ganz klar davon. Es ist eine Illusion, da ist nichts Übersinnliches dabei.“

Eine halbe Stunde später kriegt Sebastian den Mund nicht mehr zu. Aus der Stahlplatte, auf die er gerade mit dem Hammer eingehauen hat (so doll er kann!), kommen jetzt Hände, es räkelt sich ein großer Berg, rauf und runter. Und Sebastian, neun Jahre alt, steht direkt daneben. Seine aufgerissenen Augen wandern hin und her, suchen nach der Erklärung, doch sie finden keine außer: Magie. Die Illusion funktioniert perfekt.

Es ist Naturwissenschaft, eine Illusion

Viele Kinder sind an diesem frühen Sonntagabend in den Admiralspalast gekommen, es ist bereits die zweite Show an diesem Tag. Zwei weitere folgen, nur für den Dienstagabend gibt es noch Restkarten, im Februar wollen sie die Arena am Ostbahnhof füllen. Die beiden Zauber- Brüder sind dick im Geschäft: Mehr als 500 000 Menschen haben ihre Shows schon gesehen, sie waren in Las Vegas, sind mit Mario Barth im Olympiastadion aufgetreten, Fernsehaufzeichnungen. Anfang Juni wollen sie als erste deutsche Zauberer ein Fußballstadion füllen, dann allerdings in Frankfurt.

Überhaupt scheint Zauberei wieder angesagt. Hans Klok lädt im Januar drei Tage lang ins Tempodrom, die Fernsehsendung „The Next Uri Geller“ brachte es auf zwei Staffeln, die Ehrlich Brothers wollten da lieber nicht mitmachen. Zu viel Mentalisten-Kram.

Nein, lieber Sebastian, wenn du in der Schule gut aufpasst, kannst du das auch lernen. Denn eigentlich ist das hier alles Naturwissenschaft. Wenn die Ehrlichs eine Idee haben, fangen sie erst mal an zu telefonieren. Professoren, Maschinenbauer, wie könnte man das umsetzen? Mehr als 1000 Betriebe haben sie in ihrer Kartei, die ihnen Material für ihre Illusionen zuliefern. Sie bauen alles selbst, da lassen sie auch niemanden mehr ran, seit ein Techniker sich mal darin versucht hat. „Die Illusion wurde genau einmal aufgeführt“, sagt Chris und lacht. „Alle, wirklich alle haben gesehen, wie es geht.“

David Copperfield wollte zwei ihrer Nummern kaufen

Und schließlich hat so alles begonnen. Ein Foto im Programmheft zeigt sie als Kinder mit dem ersten Zauberkasten. „Hardy’s Kinder-Zauberspiele“, der Klassiker mit dem weißen Kaninchen. Mit dem Vater, Werkzeugmacher und Maschinenbauer, bauten sie die ersten Tricks. „Ich war damals elf und Chris noch meine Assistentin“, erzählt Andreas. Sein Plüschhase sollte eine Möhre fressen, dann pupsen. Die Details der Experimentierphase in Sachen Pupsmechanismus behält er lieber für sich. Jedenfalls sind sie 1993 mit dem Familien-Volvo alle nach Berlin gefahren, auch die mittlere Schwester, die heute Lehrerin ist „und uns durchfüttert, wenn es nicht mehr läuft“, sagt Chris. Jugendzauberkongress in der Pumpe in der Lützowstraße. „Damals haben wir den ersten Döner gegessen.“

Kamel Alexandrio pupst. Die Bauchrednerpuppe mit dem markanten Gebiss und der großen Klappe, die auf Andreas Ehrlichs Arm versucht, eine Frau klarzumachen, profitiert noch heute von Papas Experiment. Überhaupt ist diese Familiengeschichte omnipräsent. Wenn die beiden im zweiten Teil der Show aus dem Buch der Erinnerungen steigen, wird ein Kindervideo gezeigt. Sie erzählen von Opas Gewächshaus, und dass sie es nicht abwarten konnten. Und plötzlich wächst der kleine Orangenbaum von ganz allein, als hätten sie die Zeit verzaubert.

Wegen dieses Baums hat vor vier Jahren dann David Copperfield angerufen. Er wollte den Trick und den mit dem Schnee kaufen. „Zuerst dachten wir: Natürlich, Held unserer Kindheit, hier hast du alles!“, sagt Andreas lachend. Wieder war es der Vater, der sie umstimmte: Macht lieber noch ein paar Jahre weiter, dann wollen die Leute diese Nummern von euch sehen!, soll er gesagt haben. „Copperfield hat uns erst das Selbstvertrauen gegeben, selbst auf Tour zu gehen“, sagt Chris.

Heute reisen die Brüder mit vier Trucks, 40 Mitarbeitern, einem Koch und einer Waschmaschine durchs Land. Sie waren bei Grönemeyer, Rammstein, wollten wissen, was die Menschen fasziniert. „Ist es nur der beste Kartentrick oder vielleicht was anderes?“, fragten sie sich.

Mario Barth erscheint auf dem Riese-iPad

Natürlich geht es nicht ohne den großen Knall. Schließlich ist Chris gelernter Pyrotechniker, am Eingang warnen Schilder, dass es laut werden kann. Sie fahren mit dem Motorrad aus einem riesigen iPad, verbiegen zu Rammstein-Musik eine Bahnschiene, echte Feuerwehrleute anwesend, zu einem Herz, vor dem sich die Fans draußen fotografieren lassen können. Facebook-Effekt und so. Überhaupt nervt es etwas, dass ständig überall ihr Name draufsteht, jeder, der zum Mitmachen verdonnert wird – nein, die meisten der rund 15 Helfer melden sich freiwillig – ein Fanshirt bekommt, ein Basecap oder ein Bierglas (immerhin ein volles). Alles ist ein bisschen zu laut, ein bisschen zu bunt. Und warum, fragt man sich, dieses kitschige Plakat, und diese Stachelhaare? Gerade als man denkt, das ist jetzt aber ein Mario-Barth-Witz, erscheint der per Video-Liveschalte auf dem überdimensionierten iPad.

Und trotzdem sind diese beiden grundsympathisch, plaudern noch fünf Minuten vor Showbeginn über Haare und Familie, wie Andreas heute versucht, seinen drei Kindern alles beizubringen, wie sein Vater es früher gemacht hat, und warum er im Zweifel lieber sie anguckt als Berlin.

Es sind die kleinen Tricks, die gelungene Stand-up-Comedy (ist Dieter Nuhr der dritte Bruder?), die die Show sympathisch machen. Wenn Andreas mit seiner offensichtlich selbst gebauten Ghostbusters-Riesenpumpe einen Luftballon aufpumpt, den sich Chris dann auf den Kopf setzt und rumhüpft wie ein kleiner Junge, um mit dem Mund die richtige Karte herauszufischen. Wenn die Bowlingkugel aus dem Blatt Papier herausfällt oder – als einer von vielen Seitenhieben aufs Magier-Gehabe – eine Flasche Maggi erscheint. Und wenn die beiden es dann ganz am Ende tatsächlich schaffen, es im ganzen Saal schneien zu lassen, ist das wirklich zauberhaft. Und ganz egal, ob die Haare voller Schnee sind.

Die Ehrlich Brothers treten am heutigen Dienstag, 19 Uhr, noch einmal im Admiralspalast auf, Friedrichstraße 101, Karten ab 43 €, Kinder 33. Am 14.2. (13.30 + 18.30 Uhr) kommen sie in die Mercedes-Benz-Arena, Mercedes-Platz 1, Friedrichshain, Karten ab 44 €, Kinder 33.

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