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Besonders vulnerabel und besonders betroffen: Pflegeheime bleiben in Berlin ein Corona-Hotspot.

© Sebastian Kahnert/dpa

Exklusiv

Zahlen steigen dramatisch: Mehr als jeder zweite Corona-Tote in Berlin steckte sich in Pflegeheim an

Berlins Pflegeheime bleiben ein Corona-Hotspot. Das zeigen neue Zahlen der Gesundheitsverwaltung, fast jede Einrichtung ist inzwischen betroffen.

Die Infektionszahlen in Berlins Pflegeheimen steigen weiter dramatisch. Das beweisen erstmals die Zahlen der Senatsverwaltung für Gesundheit, die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegen.

Demnach haben sich seit Pandemie-Beginn 3425 Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen mit dem Virus infiziert. Anfang Dezember hatte die Gesundheitsverwaltung zuletzt vergleichbare Zahlen mitgeteilt. Damals hatten die Gesundheitsämter noch 2050 Infektionen in Heimen gemeldet. Innerhalb von nur zwei Wochen kamen also fast 1400 neue Infektionen hinzu.

Die Zahlen bestätigen einen Trend, der für viele Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen tödlich enden kann: In der zweiten Corona-Welle sind die Pflegeheime ins Zentrum der Pandemie gerückt. So hatten sich in den ersten acht Monaten der Pandemie bis Mitte November nur 1021 Personen in Heimen angesteckt.

Weil das Virus in den Pflegeheimen grassiert, steigen in Berlin auch die Zahlen der an oder mit Corona Verstorbenen. Am Dienstag vermeldete die Gesundheitsverwaltung mit 53 Toten an einem Tag einen traurigen Rekord. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wies in der Senatspressekonferenz darauf hin, dass die Todesquote in Berlin auf 1,1 Prozent der Infizierten gestiegen sei. Tendenz weiter steigend. In den Pflegeheimen erreicht diese Quote inzwischen 15 Prozent.

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Tatsächlich geht mehr als jeder zweite Corona-Tote auf Ausbrüche in Heimen zurück. Laut Gesundheitsverwaltung sind bislang 492 Bewohnerinnen und Bewohner aus Heimen an oder mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. Insgesamt gibt es in Berlin, Stand Dienstagabend, 899 Todesfälle.

Auch viele Pflegekräfte infizieren sich

„Inzwischen gibt es keine größere Einrichtung mehr, die nicht betroffen ist“, sagte zuletzt der Gesundheitsstadtrat aus Mitte, Ephraim Gothe (SPD). In seinem Bezirk konzentriert sich das Gesundheitsamt deshalb nur noch auf die Heime, Schulen werden beispielsweise nicht mehr betreut. "Alarmierend" seien die Infektionen, sagte Gothe.

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Die Zahlen der Gesundheitsverwaltung bestätigen das: Seit Pandemie-Beginn gab es Corona-Fälle in 295 Einrichtungen. Zum Vergleich: Vor zwei Wochen waren noch 223 Stationen betroffen.

Davon sind auch die Pflegekräfte in den Einrichtungen betroffen. Bislang haben sich nach Angaben der Gesundheitsverwaltung 1619 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Virus infiziert. Wie viele daran gestorben sind, ist unklar.

Pflegerin beschreibt katastrophale Zustände

Doch es kommt immer wieder zu Todesfällen von Mitarbeitern - zum Beispiel beim bislang größten Ausbruch in einem Berliner Pflegeheim, dem "Goldenherz" in Mitte. Dort starben infolge eines Corona-Ausbruchs 23 Menschen, darunter eine Pflegerin. Inzwischen hat sich eine Pflegerin der Einrichtung anonym an den Tagesspiegel gewandt: „Vor dem Ausbruch bis zum 20. November wurden keine Hygienemaßnahmen durchgesetzt und von der Leitung wurden keine weiteren Maßnahmen wie die Maskenpflicht durchgehend kontrolliert. Mitarbeiter arbeiteten ohne Schutzkleidung oder Handschuhe und traten den Dienst trotz Erkältung an, durch Anweisung der Heimleitung.“

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Der Ausbruch im "Goldenherz" beschäftigt inzwischen die Heimaufsicht. Man prüfe die Absetzung der Heimleitung, sagte Gesundheitssenatorin Kalayci am Dienstag. Auch in einer Domicil-Einrichtung in Reinickendorf, wo sich mehr als 80 Heimbewohner infzierten, ist die Heimaufsicht inzwischen involviert. Die Heimleitung hatte eingeräumt, positiv Infizierte aus Doppelzimmern nicht isoliert zu haben.

Für die Angehörigen, die der Heimleitung weitere Vorwürfe machen, wäre ihre Absetzung wohl nur ein schwacher Trost. Am Dienstag stieg die Zahl der Corona-Toten aus dem Domicil-Heim von 12 auf 14.

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