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Anneliese Kleinschmidtin ihrem " Blumenparadies "in der Wrangelstraße.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wrangelkiez: Nachbarn sammeln Spenden für Traditionsblumenladen

Seit Dekaden führt Anneliese Kleinschmidt das Blumenparadies im Wrangelkiez. Um die erkrankte Ladeninhaberin zu entlasten, sammeln treue Kunden nun Geld.

Hinter der blau-weißen Markise in der Kreuzberger Wrangelstraße verbirgt sich ein Blumenparadies – im wahrsten Sinne des Wortes. In Vasen und Töpfen ranken sich Lilien, Nelken, Callas oder Goldrauten, dazwischen einige Kakteen. Von der Decke hängt eine riesige Kunstrose, an der holzgetäfelten Wand ein großer Orchideenfächer. Hinter der Theke, neben der Registrierkasse, steht Anneliese Kleinschmidt.

Und sie steht dort schon etwas länger: Seit 45 Jahren schmeißt die Frau den Laden, im September feiert das „Blumenparadies“ Jubiläum. Ihren Kunden bindet Kleinschmidt nicht nur Sträuße aller Art, sondern gibt ihnen auch noch ein paar Tricks mit auf den Weg: „Das Bindegrün Salal wird geschnitten, die anderen Blumen gebrochen.“

Obwohl Kleinschmidt einen großen Teil ihres Lebens in der Hauptstadt verbracht hat, nennt sich die gebürtige Oranienburgerin nicht eine „Berlinerin“ – wegen der Zwischenzeit nach dem 17. Juni 1953. Ihr Vater war unter den Aufständischen, die an diesem Tag in der DDR protestierten. Die Verhaftung drohte, deshalb floh die Familie in den Westen. Zuerst nach Frankfurt am Main, dann nach Herborn.

Dass sie dort als „Flüchtlinge“ behandelt wurden, sei keine schöne Erinnerung. Trotzdem steht im Laden immer noch ein Relief vom Herborner Schloss. Mit 16 zog es sie wieder nach Berlin, zwei Jahre später lernte sie „den Herrn Kleinschmidt“ kennen und Kreuzberg wurde ein neues Zuhause.

Liegestühle vor dem Laden

Den Laden haben Bodo und Anneliese Kleinschmidt neben ihren Jobs – Taxifahrer und Stationshilfe – geplant. 1974 war es dann so weit: Das Blumenparadies eröffnete ursprünglich in der Schlesischen Straße. Damals war die Markise gelb und „die Schlesische Straße die schönste Straße in ganz Berlin“, erzählt Anneliese Kleinschmidt. Das Geschäft wurde zum Lebensmittelpunkt der Familie: Im Sommer stellten die Kleinschmidts Liegestühle vor den Laden oder spielten Federball auf der Straße. 1982 zog der Laden in den Wrangelkiez um.

Manchmal kommen Nachbarn vorbei, die nicht mehr im Kiez wohnen, und sagen: „Ach, du bist noch da!“ Beruhigend ist das, aber nicht selbstverständlich. Es gibt viele neue hippe Läden und Bars im Wrangelkiez, neben dem Blumenparadies seien nur die Apotheken und ein Spielzeugladen übrig, „alles andere ist weg“. Und nicht nur der Wandel im Viertel macht dem Laden zu schaffen.

Im vergangenen Dezember erkrankte die Ladenbetreiberin, einen Monat musste sie im Krankenhaus bleiben. „Dass ich mal krank bin, kennt hier keiner“, sagt sie hinter der Theke. Zwischendurch bedient sie immer wieder Kunden, das Blumenpackpapier raschelt, die Stängel knacken. Wie es ihr geht? „Peu à peu besser.“ Fast täglich spaziere sie von der Reichenberger Straße eine halbe Stunde zum Laden und nach drei Stunden wieder zurück. Den Rest übernimmt Sohn Björn, denn mehr wäre doch „ein bisschen viel“.

Etwa 1500 Euro sind schon zusammen

So ganz gut gehe es ihr noch nicht, erzählte Björn der Nachbarin Alisa Ehlert. Ausruhen müsse sie sich, um in Ruhe gesund zu werden. Aber da ist ja noch das Blumenparadies. „Der Laden soll bleiben und Anneliese gesund werden“, findet Alisa Ehlert und startete eine Aktion auf der Online-Spendenplattform Betterplace. Und die Nachbarn spenden: Rund 1500 Euro sind schon zusammengekommen.

Einige hinterlassen Kommentare: „Dieser Blumenladen gehört einfach hierher.“ Oder: „Werden Sie schnell wieder gesund, wir brauchen Sie.“ Nachbarschaftliche Netzwerke wie Nebenan.de oder Bizim Kiez teilten den Aufruf. Das macht Anneliese Mut, sie wünscht sich, „dass es mit dem Laden so weitergeht“. Nachbarin Ehlert beschreibt den Laden so: „Ein Ort mit ganz viel Herz. Man kennt sich, wird nicht übers Ohr gehauen, quatscht und der Hund bekommt ein Leckerli.“

Als Nachbarin Ehlert mit Hund Oscar den Laden verlässt, ruft Anneliese Kleinschmidt ihr noch hinterher: „Nimm dir eine Sonnenblume mit.“ Was sie mit dem Geld mache werde? Eine Woche freinehmen wäre schön, sagt Kleinschmidt, und eine neue Markise – diesmal vielleicht wieder eine gelbe.

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