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Thomas Pollhammer lebt in seine selbstgezimmerten Protesthütte im Plänterwald.

© Sven Darmer

Wohnungsnot in Berlin: Eine Hütte im Wald - für ihn ein Leben in Würde

Eine Wohnung kann der Künstler Thomas Pollhammer nicht bezahlen. Er zog in den Plänterwald. Nun soll er sein Zuhause nach acht Jahren verlassen.

Erst geht es einen Wanderweg entlang, quer durch den Plänterwald, dann wählt Tom einen abzweigenden Trampelpfad, das Unterholz wird dichter, dünne Äste schürfen an der Kleidung, Haufen von Totholz liegen herum, der Weg schmiegt sich um den Stamm einer mächtigen Buche, und plötzlich steht sie da, Toms Hütte, sein Zuhause seit einem Jahr, ein niedriger, solider Holzbau, das Dach mit Teerpappe gedeckt, auf der zur Tarnung Äste und Borken liegen.

Tom, der eigentlich Thomas Pollhammer heißt, würde gerne in einer normalen Wohnung leben, aber weil er keine findet, die er bezahlen kann, wohnt er eben im Plänterwald. Vor einem Jahr hat er sich die Hütte gebaut, aus Latten und Styropor vom Baumarkt und Schrankteilen vom Sperrmüll, vier Meter lang, knapp drei Meter breit, 1,80 hoch. Drinnen ist Platz für eine Sitzbank, ein Bett, einen Tisch, ein kleines Regal und ein schönes Fenster mit Aussicht ins Gestrüpp, davor steht eine Mona-Lisa-Replik aus Gips, schneeweiß und ein wenig kitschig.

Tom ist Straßenkünstler, meistens ist er im Simon-Dach-Kiez in Friedrichshain unterwegs. Abends kehrt er dann in seine Hütte zurück und zündet den selbstgebastelten Teelichterofen an, der nicht vollumfänglich den Bauvorschriften für eine Hausfeuerung entspricht.

Erst Heizungsbauer, dann Zimmermann.
Erst Heizungsbauer, dann Zimmermann.

© Sven Darmer

Der Wald ist für Tiere da

Bevor er die Hütte baute, lebte er in Zelten, die er mit einer Kuppel aus Ästen vor den Blicken der Spaziergänger schützte. Und vor seinem „gefährlichsten Feind“, dem Förster. Der hat sein Haus gleich nebenan, nur 100 Meter von der Hütte entfernt, eigentlich in Sichtweite, wäre da nicht das Unterholz. Seit acht Jahren lebt er schon im Plänterwald, erzählt Tom, ohne dass der Förster davon Wind bekam.

Ende Januar bekam er dann doch ein Schreiben von den Berliner Forsten mit der Aufforderung, „ihre erbaute Einrichtung im Jagen 127“ bis zum 12. Februar zu beseitigen. Schließlich ist der Wald für die Tiere da, das sieht auch Tom ein. Und weil er sich einsichtig zeigt, verlängerte die Forstverwaltung die Frist nochmal um vier Wochen.

Tom, 41 Jahre alt, ein stiller, aber beherzter Überlebenskünstler, sucht jetzt also einen neuen Platz für seine Holzhütte, vielleicht auch mitten in der Stadt, als Protesthütte gegen die Wohnungsnot. Das Auffliegen seiner Waldexistenz kommt ihm gar nicht so ungelegen, er hatte damit gerechnet. Ein Leben in der Illegalität ist gar nicht sein Ziel. Deshalb hatte er dem Entdecker die Arbeit erleichtert und seine E-Mail-Adresse mit weißer Farbe an die Haustür gemalt, die eher eine Hausluke ist, dazu den Satz: „Das Haus der Würde des Menschen.“

Eigentumsrecht versus Menschenwürde

Im Internet bei Youtube ist ein langes Video zu sehen, in dem Tom die Würde des Menschen, inklusive einer würdigen Behausung, gegen das Eigentumsrecht abwägt und zum Schluss gelangt, die im Grundgesetz verbriefte Menschenwürde wiege schwerer als das Eigentumsrecht der Berliner Forsten. Sollte er keinen Ersatzstandort finden, werde er in seiner Hütte bleiben und sich dem Rechtsstaat anvertrauen. „Vielleicht sollte sich jeder obdachlose Mensch, der sich keine eigene Hütte baut, selbst anzeigen, weil er selbst nicht für die Einhaltung seiner eigenen Menschenwürde sorgt“, sagt Tom.

Aufgewachsen ist er in Landshut, Bayern. Weil sein Vater eine Heizungsbaufirma leitete, lernte er auch Heizungsbauer, brach die Ausbildung aber ab, dann lernte er Zimmermann, brach wieder ab, anschließend ging er nach Berlin, machte sein Abitur nach, arbeitete als Kulissenbauer für den Film, doch irgendwann blieben die Aufträge aus, er ging nach Barcelona, besetzte ein Haus, schlug sich als Straßenkünstler durch, doch irgendwann wurden seine Skulpturen von den Behörden beschlagnahmt, deshalb ging er nach Berlin zurück, suchte vergeblich eine Wohnung und zog in den Plänterwald.

Schwache Resonanz

Auch hier hat er inzwischen Ärger mit den Behörden. Das Ordnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg hat ihm untersagt, seine großen weißen Fantasiefiguren auf der Simon-Dach-Straße zu bearbeiten und auszustellen, das Verfahren liegt inzwischen beim Amtsgericht. Unterstützung bekommt er nur von der Galerie Sui Valet in der Prenzlauer Allee, im Keller des Hauses habe er sich ein Atelier eingerichtet, erzählt Tom. Dort zeigt er gelegentlich seine „zauberhaften Werke“, aber die Resonanz ist bislang ziemlich schwach.

Vielleicht fehlt es seinen Schöpfungen noch am geeigneten Kontext, den könnte die Waldhütte liefern, und auch das Amtsgericht. Tom definiert seine Skulpturen als Projektionsfläche für die Geschichten, die sich um sie herum entwickeln. Der Förster, der seinen Wald nicht kennt, dem langjährigen Bewohner aber mit der Räumung droht. Die Ämter, die ihre Gehwege veröden lassen, aber strahlend weiße Traumfiguren wider diese Verödung nicht akzeptieren wollen. Die Figuren selbst – etwa „Max, der Traumzauberdrache“ oder Mona Lisa – seien unverkäuflich, sagt Tom.

Wasserflaschen als Dusche

Im Winter, bei minus zehn Grad, könne es in der kleinen Hütte trotz Teelichterheizung ziemlich ungemütlich werden, aber im Sommer sei das Leben im dichten grünen Unterholz von besonderer Qualität. „Morgens um fünf das Vogelgezwitscher“, abends schauen Füchse oder Waschbären vorbei, manchmal auch Kitakinder, die anregende Fragen stellen: „Warum wohnst du hier?“ , „Wo wäscht du dich denn?“

Die Dusche befindet sich in Wasserflaschen, vor der Nutzung möglichst von der Sonne erwärmt. Der Kühlschrank ist eine in den Boden eingelassene Tonne, der Herd ein Campingkocher und das Klo der Wald jenseits von zehn Metern rund um die Hütte.

Für Tom ist das Hausen im Wald ein menschenwürdiges Leben. Im Obdachlosenasyl, so glaubt er, würde er seine Würde verlieren.

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