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Engpass. Berlin wächst jedes Jahr um 40.000 Einwohner. Die Wohnungsnot wird größer, wenn nicht mehr gebaut wird.

© dpa

Wohnungsnot in Berlin: Bauen für die Ärmsten

Berlins Wohnungsmarkt ist ungerecht. Und das wird auch so bleiben, wenn nicht gebaut wird. Weil auch das beste Mietrecht Lücken hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Die Welt ist nicht gerecht, natürlich nicht. Aufgabe der Politik ist es, auszugleichen, Härten abzufangen, damit niemand ins Abseits gerät. Dann leben alle besser, weil es die Sicherheit gibt, die verloren geht, wenn einige nichts mehr zu verlieren haben.

Helfen heißt: Den Mangel beseitigen

Berlins Wohnungsmarkt ist ungerecht. Wer hat, dem wird gegeben. Hauseigentümer werden reicher, ohne einen Finger zu krümmen, weil der Markt es so will. Sie profitieren von Zinsen am Nullpunkt und vom Mangel an Wohnraum, der die Mieten und den Wert der Häuser steigen lässt. Wer eine Immobilie kaufte und sei es auf Pump, den kostet sie wenig. So viel wie nie zuvor zahlt dafür, wer eine Wohnung braucht. Dieses Unrecht beendet, wer den Mangel beseitigt. Denn wenn es mehr Wohnungen gibt, dann zahlt kein Mieter zu viel, weil genug da sind für alle.

Zivilcourage braucht es, wer hat sie?

Zivilcourage braucht, wer in politischer Verantwortung die Konsequenz zieht aus diesen Tatsachen und handelt. Mangelt es daran in der Koalition? Berlins Senatorin für Stadtentwicklung hat Mut bewiesen. Sie hat das enge Band zerschnitten, das Bauwirtschaft und Lokalpolitik verband und in der Ära der großen Koalitionen Ämterpatronage, Vorteilnahme und Berlins Bankaffäre auslöste. Sie hat sich angelegt mit Verbänden und Lobbyisten. Und sie hält ihre Hand über die Mieter. Aus politischem Kalkül, denn diese wählen sie: Die Linke ist nun stärker als die Sozialdemokratie in der Stadt.

Wer schwach ist, verliert

Reicht das aus? Nein, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Wähler es am eigenen Leibe erfahren. Wo der Staat den Mangel verwaltet, sind die Schwächsten die Verlierer. Häuser kaufen, Firmen enteignen schafft nicht mehr Wohnungen, um die Mieter kämpfen. Niemals lassen sich die Lücken im Mietrecht so stopfen, dass Spekulanten sie nicht ausnutzen, um vom Mangel zu profitieren. Der neueste Trend: ein Tisch, ein paar Stühle, und die Wohnung ist möbliert und die Mietpreisbremse gelöst. Wer nicht zahlen kann, verliert, es werden mehr, weil die Einkommen weniger steigen als die Mieten. Wem gehört Berlin? Den Hausbesitzern.

Zweite Halbzeit für R2G, die Entscheidende

R2G startet bald in die zweite Hälfte der Legislatur. In der ersten hat sie den Wohnungsmarkt reguliert. Jetzt, in der zweiten Halbzeit, geht es ums Ergebnis: die Bekämpfung des Mangels. Das geht nur durch Neubau. Nicht verschämt, auf Dächern und in Lücken, sondern weithin sichtbar: Wir müssen die Stadt erweitern durch neue Quartiere, neue Siedlungen.

Warum alle nach Wien schauen

Dazu braucht es ein politisches Bekenntnis. So wie Wien es tat, vor einem Jahrhundert mit dem „Gemeindebau“, der bis heute läuft: Für zig Millionen entsteht ein neuer Stadtteil. Und die Bewohner begehren nicht auf, weil sie profitieren von günstigen Mieten. Wer warnend auf die Kosten des sozialen Wohnungsbaus zeigt, der vergisst die Genossenschaften. Sie haben volle Kassen und wollen bauen. Deren Mieten sind vielleicht für Hartz-IV-Empfänger zu hoch, nicht aber für Polizisten und Krankenschwestern. Und die finden am freien Markt mit ihrem Einkommen auch keine Wohnung.

Tempelhof? Die Stadt ist groß genug!

Ach, noch etwas: Das Tempelhofer Feld muss nicht bebaut werden, nicht um jeden Preis. Die Berliner haben dagegen gestimmt und es bräuchte schon ein sehr überzeugendes Konzept, um neue Mehrheiten zu schaffen. Außerdem ist die Stadt groß genug. Es ist Platz in Spandau, in Pankow und wo sonst noch, das wird der Stadtentwicklungsplan Wohnen zeigen, der fast fertig ist. Denn es gibt viele Quartiere, denen es an Läden und Leben, Schulen und Kitas fehlt, die der Bau neuer Siedlungskerne bereichert. Das muss man erklären, vermitteln, dann ziehen die Berliner mit. Ein Team von Experten für Verkehr, Umwelt, Wirtschaft und Siedlungsbau, muss im Gespräch mit Bezirken die Orte finden und Ideen für die Stadterweiterung entwickeln. Getragen von der Gewissheit: Der Kampf gegen Wohnungsnot ist nur mit Neubau zu gewinnen, auch und gerade für die Schwächsten.

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