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Debatte um Mieten in Berlin. Hier ein Plakat aus der Karl-Marx-Allee.

© Christoph Soeder/dpa

Wohnungsmangel in Berlin: Eine Generation geht für die Stadt verloren

Wegen steigender Mieten ziehen immer mehr junge Familien aus Berlin weg. Und das wird zum Problem für die Hauptstadt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Zwei Meldungen von diesem Wochenende: Im zweiten Jahr in Folge bleibt Berlin bei den Baugenehmigungen hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. In der SPD wächst derweil, eine Woche vor dem Landesparteitag, die Tendenz, die Initiative zur Enteignung großer Wohnungsgesellschaften wie der „Deutsche Wohnen“ zu unterstützen. Der Regierende Bürgermeister will das verhindern, weil er negative Folgen für das Investitionsklima befürchtet.

Der Blick hinter die Nachrichten zeigt, wie ernst die Lage für die Stadt wirklich ist. Denn von den genehmigten 24.218 Wohnungen werden vermutlich nur 15.000 auch wirklich gebaut, die übrigen fast 10000 werden entweder später oder nie realisiert. Die Baugenehmigung alleine steigert den Wert des Grundstücks, es kann später gewinnbringend verkauft werden. Andere Wohnungen werden nie bezogen – leerstehend lassen sie sich gut erneut auf den Markt bringen.

Und die „Deutsche Wohnen“? Sie ruiniert den Ruf einer ganzen Branche, die zu phlegmatisch ist, sich gegen diesen permanenten Missbrauch gesetzlicher Möglichkeiten für Mieterhöhungen zu wehren. Statt auf Distanz zu den Wohnungsraubrittern zu gehen, begreifen Immobilienunternehmen nicht, dass die Verschlechterung des eigenen Ansehens populistische Strömungen stärkt, die sich das öffentliche Unbehagen über die zugespitzte Situation auf dem Wohnungsmarkt zu nutze machen.

Unmittelbare Folge ist der Wegzug einer ganzen Generation junger Familien. Sie arbeiten zwar noch in der Stadt, finden aber keine angemessene Wohnung mehr und leben daher im Umland. Damit wandert aber auch Steueraufkommen aus Berlin ab. Die Jahre steigender Staatseinnahmen werden alleine aus diesem Grund bald zu Ende sein.

Zurück bleiben Zuzügler, die entweder als Studierende oder als Arbeitsuchende kommen, die mangels Qualifikation keinen die eigene Existenz sichernden Job bekommen werden.

Schon einmal, Ende der 90er Jahre, gab es, aus anderen Gründen, einen ähnlichen Aderlass in der mittleren Generation, die für die Stabilität einer städtischen Gesellschaft so wichtig ist. Damals zogen aus den Großsiedlungen wie dem Märkischen Viertel Familien aus, die zu viel für einen Wohnberechtigungsschein verdienten. Sie ließen sich in Brandenburg nieder.

Zurück blieb vor allem, wer von staatlicher Unterstützung abhängig ist. Die soziale Schieflage im MV ist bis heute nicht ausgeglichen. Eigentlich müsste diese Erfahrung eine Warnung sein: Es bleibt nicht mehr viel Zeit zur Umkehr in der Wohnungsbaupolitik.

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