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Der Hansaplatz in Berlin-Tiergarten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnungslosigkeit in Berlin: Mitte geht gegen aggressive Obdachlose vor

Ordnungsamt und Polizei greifen durch und führen nun Personenkontrollen in den Obdachlosen-Camps durch. Auch der Hansaplatz wurde geräumt.

Die aggressiven Obdachlosen haben sich erstmal zurückgezogen, sie leben jetzt in einer Unterführung am Gripstheater. Ordnungsamt und Polizisten haben für Ruhe gesorgt. Natürlich, das Problem ist damit nur verlagert, aber wenigstens sind die Problemfälle, sieben oder acht Männer, nicht mehr am Hansaplatz in der Nähe des Tiergartens. „Da hatten sie Bierflaschen gegen die Wand eines Supermarkts geworfen oder sogar an die Wand uriniert“, sagt Stephan von Dassel. Für ihn ist der Rückzug ein kleiner Erfolg, „es geht ja um gefühlte Sicherheit“. Der Grünen-Bezirksbürgermeister von Mitte, zuständig auch für den Hansaplatz, möchte, „dass die Bürger an diesem Ort das Gefühl haben, in Ruhe einkaufen zu können“.

Die Bezirke greifen gegen Obdachlose durch, auch deshalb, weil von Dassel vor wenigen Wochen öffentlich massiv Druck gemacht hatte. In Mitte rückten in den vergangenen Tagen rund 15 Mal Ordnungsamt-Mitarbeiter und Polizisten zu den Obdachlosen-Camps an. Am Hansaplatz wurde ebenso geräumt wie im Tiergarten, am Gesundbrunnen, am Spreebogen und in der Nähe des Hauptbahnhofs.

Und jedes Mal wurden die Personalien kontrolliert. Das ist neu, war aber offenbar längst überfällig. „Wir wollen wissen, wer da ist“, sagt von Dassel. Die Kontrolleure wollen noch viel mehr erfahren. „Sind die Leute nur einmal da oder dauernd und verstoßen dabei gegen alle Regeln? Sind es Leute, die Anspruch auf Sozialhilfe haben, oder Ausländer, die keine Aufenthaltserlaubnis haben?“

Viele der Obdachlosen in Berlin kommen aus dem Nachbarland Polen.
Viele der Obdachlosen in Berlin kommen aus dem Nachbarland Polen.

© dpa

Um Letztere, sagt von Dassel, kümmere sich die Polizei. Es geht auch um Psychologie. „Natürlich können wir von denen nie ein Bußgeld eintreiben, wenn sie gegen einen Platzverweis verstoßen“, sagt von Dassel, „aber sie sollen wissen, dass wir wiederkommen, dass sie nicht ungestört sind. Es geht um eine höhere Hemmschwelle, die eine schnelle Rückkehr verhindern soll.“ Der Erfolg? Nach ein paar Kontrollen schwer zu sagen. Aber von Dassel denkt, „dass es funktioniert“.

„90 Prozent der Menschen, die wir kontrollieren, sind Polen.“

Das Bild, das die Personenkontrollen ergeben, erstaunt von Dassel dann doch. „90 Prozent der Menschen, die wir kontrollieren, sind Polen.“ Mit so einer Quote habe er nicht gerechnet. „Das ist eine Gruppe, um die wir uns kümmern müssen.“ Da er inzwischen von vielen seiner Parteifreunden misstrauisch beäugt wird, betont der Grünen-Politiker, „dass ich selbstverständlich keine antipolnischen Ressentiments erzeugen möchte“. Aber, damit das auch klar ist: „Man muss aufpassen, dass nicht eine kleine Gruppe das Bild eines Landes prägt.“

Dieser Gedanken treibt inzwischen offenbar auch die polnische Regierung um. „2018 werden mit Hilfe polnischer Gelder Sozialarbeiter in Berlin Polen aufsuchen und sie beraten“, hatte der Presseattaché der polnischen Botschaft, Dariusz Pawlos, kürzlich überraschend mitgeteilt.

Von Dassel kennt bislang nur diese Ankündigung, aber er freut sich über das Angebot – „weil es zeigt: Wir unternehmen etwas gegen die Verelendung.“ Und Geld kann er gut gebrauchen für Hilfe gegen Obdachlosigkeit. Sozialarbeiter, Übernachtungsplätze, weitere Angebote, das alles kostet Millionen. Aber noch sind die polnischen Mittel nur angekündigt.

Deshalb hält sich von Dassel erstmal an die Fakten. Zum Beispiel an den Umstand, dass am Hansaplatz wieder Ruhe eingekehrt ist. Als er diese Entwicklung beschreibt, klingt der Bezirksbürgermeister fast überrascht über seine eigene politische Rolle. „Ich habe jetzt gesehen: Oh, der Staat ist doch stark, wenn er will. Man erreicht etwas, wenn man sich darum kümmert.“

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