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Berlin ist dicht? Für lange Garagen-Reihen, die schon zu DDR-Zeiten als Kellerersatz dienten, ist noch Platz.

© Thomas Loy

Wohnungsbau in Berlin: Garagenflächen als Baulandreserven

Laubenkolonien bebauen? Da lohnt ein Blick auf ein ganz anderes Phänomen: Garagenreihen. Es gibt Interessenten, aber auch Bewahrer.

In der Großstadt Berlin werden die Wohnungen inzwischen gestapelt, bis zu 150 Meter hoch, doch etwas abseits vom Zentrum herrscht immer noch die großzügig bemessene Vorstadtidylle der 60er und 70er Jahre: Viergeschosser stehen kreuz und quer in der Gegend herum, dazwischen viel Platz zum Wäscheaufhängen, Spielen und Rasenmähen.

Und für die Mieter-Garagen. Im Ostteil der Stadt gehört für Alteingesessene zur Wohnung auch eine fußläufig erreichbare Garage. Gern auch eine zweite, für die Fahrräder und den ganzen Krempel, der sich mit den Jahren so ansammelt.

Doch die Lage ist ernst: Viele Garagen verschwinden, werden abgerissen und zu Bauland umgewidmet. Die Rendite eines Mehrfamilienhauses übersteigt die Jahrespacht von 20 Garagen um ein Vielfaches. Protest dagegen erhebt sich nur noch selten, 2007 sind die letzten Schutzfristen abgelaufen, erklärt Lothar Blaschke, Garagenexperte des Vereins für Grundstücksnutzer (VDGN).

Zu Ost-Zeiten wurden die meisten Garagen in Eigenleistung auf öffentlichem Grund und Boden errichtet, die Pächter wurden praktisch Eigentümer und taten sich zu Garagengemeinschaften zusammen. Nach der Wiedervereinigung wurde dieses Konstrukt in einem Anpassungsgesetz rechtlich abgesichert, aber nur befristet.

"Die Grundstücke sind in ihren Voraussetzungen sehr unterschiedlich"

Eine Übersicht über die Garagenflächen der Stadt liege dem Senat nicht vor, sagt eine Sprecherin von Bausenatorin Katrin Lompscher. Bei der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement-Gesellschaft (BIM) ist die Informationslage schon deutlich besser: 1344 Garagen befinden sich in ihrem Bestand, die meisten davon in Lichtenberg und Treptow-Köpenick, hieß es vor einem Jahr in der Antwort auf eine Anfrage der Linken.

Von insgesamt 68 Liegenschaften ist derzeit die Rede, ein Teil sei bereits „geclustert“, also einer möglichen Nachnutzung zugeordnet. „Die Grundstücke sind in ihren Voraussetzungen sehr unterschiedlich. Manchmal sind es nur lange schmale Streifen und für die Bebauung ungeeignet“, erklärt die BIM. Manchmal mauerten aber auch die Bezirke, die solche Flächen gern behalten möchten. In der Türrschmidtstraße im Lichtenberger Kaskelkiez bietet die BIM zurzeit eine Garagenfläche „zur Errichtung eines Wohn-, Kunst- und Kulturgebäudes“ an.

Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben eigene Garagenflächen, die nicht unbedingt als Baulandreserve gesehen werden – mit Rücksicht auf die eigenen Mieter. „Im Einzelfall wägen wir aber immer ab, ob der Rückbau von Stellplätzen zugunsten eines neuen Wohnhauses mieter- und quartiersverträglich ist“, erklärt die Degewo auf Anfrage.

Wie viele Garagen die größte städtische Wohnungsbaugesellschaft im Bestand hat? Dazu macht sie keine Angaben. Auch die Howoge tut sich schwer, die Zahl ihrer Garagen zu beziffern.

Garagen und Parkplätze, wo eigentlich Häuser stehen könnten

Dabei würde ein Blick auf Google-Maps reichen, um einen Überblick zu bekommen. An der Südostallee in Baumschulenweg liegt ein Grundstück mit circa 70 Garagen, an der Alten Kaulsdorfer Straße in Köpenick erstreckt sich eine Garagenfläche, direkt an der Wuhle gelegen, perfekt geeignet für einen Block mit 40 Wohnungen – gegenüber wird schon gebaut.

An der Schwarzmeerstraße in Lichtenberg ein ähnliches Bild: Garagen und Parkplätze, wo eigentlich Häuser stehen könnten. In Zeiten der Wohnungsknappheit sind Reihengaragen die reine Platzverschwendung. Und Garagenpächter können sich anders als Kleingärtner nicht als Retter des Stadtklimas profilieren.

Doch die Beharrungskräfte sind nicht zu unterschätzen. Die „Garagengemeinschaft Kiefholzstraße“ sitzt auf einem 1,3 Hektar großen Grundstück nördlich der S-Bahn in Baumschulenweg. 338 Garagen finden hier Platz, alle sind vergeben. Würde der Eigentümer eine Lärmschutzwand an den Gleisen finanzieren, könnten hier problemlos Mietwohnungen gebaut werden.

Doch der Besitzer aus Bochum, der anonym bleiben möchte, hat gar nicht vor, seinen Profit zu maximieren. Er habe die Fläche vor einigen Jahren „mit der Absicht erworben, die Garagen zu erhalten“. Das Verhältnis zu den Pächtern ist gut, um Verwaltung, Neuvermietung und Reparaturen kümmert sich die Gemeinschaft selbst. „Es gibt immer mal wieder Anfragen, der Markt ist ja wie verrückt“, sagt der Eigentümer.

Mit Hilfe des Bochumers kann die DDR hier noch fortbestehen. Wer eine Garage übernehmen möchte, muss sie beim Vorbesitzer „kaufen“, dazu kommen dann eine jährliche Umlage von 440 Euro plus gelegentliche Arbeitseinsätze zur Grünpflege. Auch eine Mitarbeit im Vorstand der Gemeinschaft ist denkbar, aber nur ehrenamtlich.

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