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Bis sich der Kauf der Wohnungen für die Gewobag amortisiert hat, wird es wohl sehr lange dauern.

© Christoph Soeder/dpa

Wohnungen in der Karl-Marx-Allee: Rückkäufe könnten Gewobag 100 Millionen Euro kosten

Die landeseigene Gewobag kauft bis zu 316 Wohnungen in Friedrichshain, damit diese nicht an die Deutsche Wohnen gehen. Das könnte teuer werden.

Die Freude war groß bei den Mietern in der Karl-Marx-Allee. Doch der Rückkauf der Mietwohnungen dürfte die Gewobag und damit das Land Berlin teuer zu stehen kommen. Die an den bisherigen Besitzer und Verkäufer der Wohnungen, die Predac Immobilien Management AG, zu zahlende Summe könnte nach Überschlagsberechnungen am Ende zwischen 90 und 100 Millionen Euro liegen – vielleicht sogar etwas darüber. Von den beteiligten Akteuren selbst war bislang keine belastbare Zahl in Erfahrung zu bringen.

Einen „großen Erfolg“ bescheinigte der Berliner Mieterverein den beteiligten Senatsverwaltungen sowie dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg für den Ende vergangener Woche festgezurrten Deal. Gemeinsam mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag hatten sie ein Konzept entwickelt, mit dessen Hilfe Mieter den Verkauf ihrer Wohnungen an den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen verhindern können. Über einen als Intermediär eingesetzten Notar nehmen diese ihr Vorkaufsrecht wahr, verkaufen ihre Wohnung aber unmittelbar danach an die Gewobag. Dieses Modell nennt sich „gestreckter Erwerb“.

Für dieses Geld hätte die Gewobag auf Grundstücken des Landes mindestens doppelt so viele Wohnungen neu bauen können. Und das ohne die jetzt noch zu erwartenden enormen Folgekosten. Der Effekt für den Wohnungsmarkt wäre sehr erheblich positiver!

schreibt NutzerIn heiko61

Quadratmeterpreise von 3.000 bis 4.500 Euro

Damit könnten 316 der 680 in den 90er Jahren aus dem Bestand der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain herausgelösten Wohnungen rekommunalisiert werden. 46,5 Prozent der Flächen in den betroffenen Blöcken würden in Mieterhand bleiben, die Deutsche Wohnen muss auch deren Interessen künftig achten.

Bislang gibt es keine offiziellen Zahlen, welche Kosten auf die Gewobag zukommen. Die lassen sich aber mit der Zahl der im Zuge des „gestreckten Erwerbs“ verkauften Wohnungen, der durchschnittlichen Größe sowie Näherungswerte des zu zahlenden Quadratmeterpreises grob berechnen. Der Quadratmeterpreis belief sich verschiedenen Quellen zufolge zuletzt auf 3000 bis 4500 Euro, wobei die Preise selbst zwischen teilweise identischen Wohnungen stark divergieren.

„Es gibt keinen logischen Zusammenhang zwischen der Lage der Wohnungen und den Preisen“, sagte Norbert Bogedein, Vorsitzender des Mieterbeirats Karl-Marx-Allee, der maßgeblich an der Mobilisierung der Mieter beteiligt war. Von Verkaufspreisen zwischen 150.000 und 350.000 Euro pro Wohnung ist die Rede, die kleinsten Wohnungen seien 50 Quadratmeter groß, die größten 110 Quadratmeter. Bei einem Mittelwert für die Wohnungsgröße von 80 Quadratmetern und für den Quadratmeterpreis – 3750 Euro – ergibt sich eine Gesamtsumme von 94,8 Millionen Euro, die von der Gewobag an die Predac überwiesen werden müsste.

In einem konkreten Fall sollten die Mieter für eine 69 Quadratmeter große Wohnung 250.000 Euro zahlen. Bei diesem Quadratmeterpreis in Höhe von 3623 Euro läge die Gesamtsumme bei 91,6 Millionen Euro. Andere Quellen sprechen von einem Gesamtbetrag knapp über 100 Millionen Euro.

52 Jahre bis zur Amortisierung bei aktuellem Mietspiegel

Auf Nachfrage verwiesen die an Vorbereitung und Durchführung des Modells beteiligten Senatsverwaltungen für Finanzen sowie Stadtentwicklung und Wohnen an die Gewobag. Diese bat um Verständnis, „dass wir nicht auf weitere Einzelheiten der Transaktion eingehen“. Einziger Hinweis: „Die Gewobag erwirbt die Wohnungen von den Mietern zu den Konditionen, die in den Einzelkaufverträgen ausgewiesen sind.“ Intern hat sich Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) aber bereits kritisch über den Kauf der Wohnungen für einige wenige Berliner geäußert.

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Bleibt die Frage, wann sich der Ankauf der Wohnungen für die Gewobag – falls die Politik nicht helfend zur Seite springt – amortisiert hat. Bei der im Mietspiegel für die Blöcke ausgewiesenen Nettokaltmiete in Höhe von sechs Euro je Quadratmeter würde das 52 Jahre dauern. Unberücksichtigt bleiben dabei aber anfallende Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten und mögliche Mietanhebungen.

Unklar bleibt auch, zu welchem Preis der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sein Vorkaufsrecht im Fall eines ebenfalls zum Verkauf an die Deutsche Wohnen vorgesehenen Blocks in der Karl-Marx- Allee ausgeübt hat. Eine Auskunft gab es mit Hinweis auf den Datenschutz nicht. Der Block mit 80 Wohn- und acht Gewerbeeinheiten wurde zugunsten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte erworben.

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