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Freie Fläche: Das Tempelhofer Feld ist eines von Berlins unbebauten Arealen.

© Thilo Rückeis

Wohnraum in Berlin: Wie es mit dem Wohnungsbau in Berlin weitergehen könnte

Der Wohnraum in Berlin ist knapp. Zugleich gibt es viele unbebaute Areale. Kann sich die Stadt diese Freiflächen überhaupt noch leisten?

Eines der drängendsten Anliegen der neuen Koalitionsvereinbarung ist der Wohnungsbau. Die Ziele der neuen rot-rot-grünen Landesregierung sind umfangreich: Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen gestärkt werden, ihr Bestand soll in den kommenden fünf Jahren um 55.000 Wohnungen wachsen. Jährlich sollen 6.000 Wohnungen neu gebaut werden, in dieser Legislaturperiode mindestens 30.000. Doch gleichzeitig bleiben Flächen wie das Tempelhofer Feld, landwirtschaftlich genutzte Areale und Kleingärten unberührt. Kann sich Berlin solche Tabuflächen überhaupt leisten?

„Wir brauchen starke Bebauungsgrenzen, die Naherholungs-, Grün- und Freiflächen berücksichtigen“, sagte Andreas Faensen-Thiebes, Bundes- und Landesvorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), auf einer Podiumsdiskussion am Montagabend. Unter dem Titel „Berlin wächst: Gibt es Tabuflächen der Stadtentwicklung?“ hatten der Tagesspiegel und die Architektenkammer Berlin in die Urania am Wittenbergplatz geladen. Zu Gast waren neben Faensen-Thiebes auch Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, die Leiterin des Stadtentwicklungsamtes in Treptow-Köpenick Ulrike Zeidler sowie Georg Maria Roers, Beauftragter des Erzbistums Berlins für Kunst und Kultur.

„Der BUND ist nicht gegen jede Bebauung, es gibt auch keine generellen Tabuflächen der Stadtentwicklung“, sagte Faensen-Thiebes. Stadtentwicklung hieße allerdings auch mehr als Wohnungsbau und beinhalte alles, was die Lebensqualität der Menschen betreffe. „Die Tabus sind wichtig für die Selbstvergewisserung der Bürger und dafür, was man in der Stadt haben und erhalten will“, ergänzte Roers. Ulrike Zeidler widersprach: „Es hat noch nie Tabus in der Stadtplanung gegeben.“ Und wenn, dann als Ausdruck langer politischer Diskussionen. Man müsse sich diese aber auch leisten können.

Initiativen formieren sich auf Landes- und auf lokaler Ebene

Die politischen Diskussionen betreffen längst eine Fülle von Bauprojekten im gesamten Stadtgebiet. Auf Landesebene haben sich Initiativen wie „Immer Grün“ des BUND gefunden, die sich für Areale einsetzen, auf denen Berlin nicht wachsen soll. Lokal formieren sich Bürgerinitiativen gegen einzelne Vorhaben – politischer Druck mit inbegriffen.

Gerade erst hat die künftige Landesregierung den Bau von 5.000 neuen Wohnungen in der Elisabeth-Aue gestoppt - mit Wohnraum für rund 12.500 Menschen eines der größten geplanten Wohnungsbauprojekte Berlins. Während die SPD das Vorhaben fortsetzen wollte, stellten sich die künftigen Koalitionspartner Grüne und Linke dagegen. Schließlich fiel das Projekt einem Kuhhandel um ein strengeres Nachtflugverbot am BER zum Opfer.

Doch wie ist - vor allem sozialer - Wohnungsbau möglich, wenn große landeseigene Areale als Baugrund wegfallen? „Wir müssen eine soziale Stadtentwicklung denken. Es darf nicht nur darum gehen, was gebaut wird, sondern auch für wen“, sagte Wild. Es müsse überlegt werden, was sozioökonomisch und für das soziale Gefüge gebraucht werde. Im innerstädtischen Bereich verbessere sich nur noch die Wahlmöglichkeit von Besserverdienenden. „Der Wohnungsbau in Berlin ist derzeit die Verteidigung der sozialen Schieflage der Stadt“, so Wild. „Es wird deutlich, dass Menschen mit geringem Einkommen an den Rand gedrängt werden“, ergänzte Roers.

Senat setzt auf Neubau und Nachverdichtung

Zwar hätte bis 2014 rechtlich gar nicht die Möglichkeit bestanden, mietpreisgebundenen Wohnraum in Bauprojekten verpflichtend mit entstehen zu lassen, sagte Zeidler. Doch die Kritik reicht weiter: „Über die Jahre hat die Stadt es versäumt, ein vernünftiges Liegenschaftsmanagement zu betreiben. Das führt jetzt zu Schwierigkeiten“, sagte Wild. Viele Prozesse des Wohnungsbaus seien nicht mehr steuerbar. Der Großteil des Wohnungsbaus werde daher nicht mehr durch die öffentliche Hand gesteuert, sondern durch private Investoren, so Wild. Im innerstädtischen Bereich könne die Stadt kaum noch reagieren.

Tatsächlich verschreibt sich der künftige Senat im Koalitionsvertrag neben zwölf Neubau-Projekten auch der Nachverdichtung. „Allein durch den Wohnungsbau werden die Probleme nicht behoben.“ In den vergangenen drei Jahren sei die Stadt um jeweils 40.000 Einwohner pro Jahr gewachsen. In diesem Jahr kämen 50.000 Menschen neu nach Berlin. „Angesichts dieser Entwicklungen wird es ein Umdenken in der Verkehrspolitik erfordern“, sagte Faensen-Thiebes. Roers ging noch weiter: „Auch der öffentliche Raum muss mitgestaltet werden. Ganz gleich, wer baut, die Zeche zahlt die öffentliche Hand.“

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