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Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin Berlins.

© dpa/Britta Pedersen

Wohnkosten in Berlin: Giffeys einkommensabhängige Miete – ein Vorschlag mit Tücken

Statt steigende Mieten zu begrenzen, fordert Berlins Regierende individuelle Obergrenzen von Vermietern. Als politisches Manöver ist das genial. Ein Kommentar.

Vom Einkommen 30 Prozent für die Miete zahlen. Mehr nicht. Für niemanden. Klingt gut und gerecht. Ist das jetzt die Formel, um den Mietenwahnsinn in Berlin zu stoppen? So einfach?

Genial ist die 30-Prozent-Grenze vor allem als politisches Manöver. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey punktet mit diesem Vorschlag. In Vergessenheit geraten andere Vorschläge ihrer Koalitionspartner, Grüne und Linke, etwa der allgemeine Mietenstopp, die Pause bei Mieterhöhungen oder wenigstens deren Deckelung auf ein Prozent.

Gut ist der Vorschlag von Giffey auch deshalb, weil er die zulässige Mieten an das individuell verfügbare Einkommen koppelt. Damit sind Absurditäten ausgeschlossen, wie sie der Mietendeckel ermöglicht hatte: Das Berliner Gesetz halbierte auch die Miete des Spitzenmanagers mit dem Millionengehalt für dessen Zweitwohnung am Kurfürstendamm. Solche Regelungen gehen auf Kosten der Vermieter. Dabei verfügen bei Weitem nicht alle von diesen über Geld im Überfluss. Vermieter müssen außerdem noch den ökologischen Umbau des Wohnungsbestandes bezahlen.

Dürfen sich nun also alle freuen über die neue einfache und gerechte Formel?

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Mieter eher nicht. Denn eine Verordnung oder ein Gesetz mit Bußgeldern oder Sanktionen wird es nicht geben. Das hat die Regierende ausgeschlossen. Gut so, denn ein Gesetz würde in Karlsruhe scheitern. Die Regulierung der Mieten ist ausschließlich Sache des Bundes. Mit dieser Begründung hatten die Richter am Bundesverfassungsgericht schon den Mietendeckel gekippt.

Kein Verbot, eine „Selbstverpflichtung“

Statt mit Zwang will Giffey die Wohnungsbranche mit Charme und Zugeständnissen bei den Regulierungen der Bauwirtschaft locken. Aus dem Nichts ist der Vorschlag ja nicht entstanden. Er wird verhandelt im „Bündnis für Neubau und bezahlbare Mieten“, das die Regierende einberufen hat. Giffeys Partner, die Vermieter in diesem Fall, sollen sich freiwillig selbst verpflichten, nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens von ihren Mietern zu verlangen.

Ist das realistisch? Einige werden es tun, andere nicht. Die gut gemeinte Prüfstelle kann bei hartnäckigen Verweigerern der Obergrenze mahnen und warnen. Aber durchsetzen kann sie nichts.

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Sicher, es wird moralischen Druck geben. Und vielleicht wird sogar die Mehrheit der Berliner Mieter von der neuen Grenze profitieren, falls die Selbstverpflichtung tatsächlich in der Vereinbarung zum Abschluss des Bündnisses bestehen bleibt. Den Mietenauftrieb am Markt wird es trotzdem nicht aufhalten. Denn es gibt genug Menschen mit höheren Einkommen in Berlin und zu wenig Wohnungen zu günstigen Mieten.

Der Teufel steckt im Detail

Außerdem sind manche Vermieter auf die hohen Mieten angewiesen, um Kredite oder energetische Sanierung bezahlen zu können. Einige nehmen auch, was sie kriegen – einfach, weil sie es können. Erst recht, wenn es nicht ausdrücklich verboten ist und nicht geahndet wird.

Der Teufel steckt eben im Detail. Mietervertreter etwa kritisieren, dass Haushalten mit ganz wenig Einkommen auch bei 30 Prozent Mietbelastung kaum noch Geld zum Leben übrig bleibt – und fordern eine gestaffelte Belastungsgrenze, beginnend bei 20 Prozent.

Spannend ist deshalb, ob die Selbstverpflichtung kommt und Giffey das als Erfolg verkaufen kann, trotz des eher gemischt ausfallenden Realitätschecks. Ob Linke und Grüne ihr das gönnen, entscheidet sich in zwei Wochen.

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