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Häuser ohne Wasser und Gas und Mieter unter Druck gibt es häufiger in Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wohnen in Neukölln: Zwei Wochen ohne Gas und Wasser

In Neukölln fühlen sich Mieter aus dem Haus gemobbt. Vermieter bieten ihnen Abfindungen. „Entmietung“ wie diese seien kein Einzelfall, sagt der Mieterverein.

Karl-Marx-Straße, ein typischer Altbau der Gründerzeit. Von außen betrachtet jedenfalls – drinnen herrscht Notstand: Seit fast zwei Wochen haben die meisten Mieter weder Wasser noch Gas. Eisig ist es im Hinterhaus. Aber Jan K. (Name geändert) will nicht aufgeben. Wie man es aushält unter diesen Umständen? Er grinst und zeigt mit dem Finger auf eine Gießkanne: „Von der Pizzeria im Vorderhaus“. Dort gibt es wenigstens noch Wasser. Und vor seinem Bett steht ein Heizlüfter. „Damit ich nachts nicht friere.“

Gas gibt es aber auch bei der Pizzeria im Vorderhaus nicht mehr. Und aus den Wasserhähnen auf den Gästetoiletten kommt kein Tropfen. Gegen die Kälte hilft nur der Pizzaofen. Im Gästebereich stehen Heizstrahler. „Uns wurde gekündigt“, sagt einer der beiden Männer hinter dem Tresen. Bei Gewerbemietern ist das einfacher als bei Wohnungsmietern.

"Kalte Entmietung"

Die betreffende Hausverwaltung versucht es aber auch bei Letzteren: Einer älteren Mieterin aus dem Hinterhaus und einer Familie im Vorderhaus, die sich über die Zustände beschwert hatten, empfahl die Verwaltung, auszuziehen – die Mängel im Haus ließen sich so leicht nicht beheben, es könne Monate dauern. Und wo drohen nicht hilft, wird gelockt: Mehreren Bewohnern wurde eine Abfindung angeboten, wenn sie ausziehen.

„Kalte Entmietung“ nennt der Mieterverein diese Strategie: Wasser und Wärme abdrehen, den Schaden auf Vandalismus oder irreparable Mängel schieben und hoffen, dass langjährige Bewohner mit günstigen Mieten aufgeben und kündigen. „Heiße Entmietung“ gebe es auch: Um Altmieter loszuwerden, gerät ein Dachstuhl in Brand, wie in der Liebigstraße 14 oder jemand zündelt im Keller.

Rund sieben aktuelle Fälle von Häusern, die mit teils umstrittenen Maßnahmen „entmietet“ werden sollen, zählt der Mieterverein berlinweit auf. „Die mietrechtlichen Auseinandersetzungen sind härter geworden“, sagt Mieterchef Reiner Wild. Vermieter kämen teilweise ihren Verpflichtungen nicht nach. Auch auf mehrmalige Anfrage des Tagesspiegel blieb eine Stellungnahme der zuständigen Hausverwaltung bis Redaktionsschluss aus. Ob bloß eine Verkettung unglücklicher Zufälle am Werk ist oder anderes – klären lässt sich das kaum.

Biedermann fordert Bewohnbarkeit

„Unangenehm und außergewöhnlich“ nennt Neuköllns Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Jochen Biedermann den Fall in der Karl-Marx-Straße. Anfang der letzten Woche sei er informiert worden. Und er griff ein: Das Bauamt forderte den Vermieter auf, die „Bewohnbarkeit“ des Hauses kurzfristig wiederherzustellen. Doch bei der Begehung des Hauses durch die Bauaufsicht waren die Mängel nicht abgestellt und der Vermieter nicht zugegen. Der Bezirk kann laut Biedermann nun eine „Ersatzvornahme“ einleiten, wie es im Amtsdeutsch heißt. Das Bauamt wird dann Firmen mit der Behebung der Mängel beauftragen und versuchen, die Kosten später beim Vermieter wieder einzutreiben. Wenn der dann noch greifbar ist: Die CDU forderte im Bezirksparlament den Abriss des Hauses, damit 40 neue Wohnungen entstehen könne. Mieter sind da nur im Wege.

Notstand auch in Mitte

Zwei Hilferufe binnen weniger Tage – auch in der Tagesspiegel-Redaktion melden sich vermehrt Betroffene. Aus Neukölln eben und auch aus Mitte: Ein Mieter eines Hauses in der Torstraße, der vor kurzem auszog, berichtet von einem Rohrbruch im Keller. Die Hausverwaltung habe zwar einen „24-Stunden-Notdienst“ eingerichtet, der die Havarie aufnahm, habe sonst aber nichts unternommen. Erst 24 Stunden später hätten Mieter dann Feuerwehr und Polizei zur Hilfe gerufen. Deren Bedienstete seien durch den knietief überschwemmten Keller gewatet und hätten das Wasser abgestellt, das immer noch gelaufen sei.

Die Hausverwaltung widersprach auf Anfrage: Sie habe „direkt“ nach Kenntnis von der Havarie „ein Sanitärunternehmen zur Lokalisierung, Einleitung von Notmaßnahmen und zur Behebung des Schadens beauftragt“. Die Instandsetzung der Leitungen seien „durchgeführt und abgeschlossen“ worden – das war allerdings fast eine Woche nach dem Rohrbruch. Von Mietern heißt es dagegen, die Verwaltung reagiere eigentlich nur, wenn sie Bereitschaft zeigen, auszuziehen. Dann helfe sie sogar nach und biete Abfindungen an.

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