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Kalter Kaffee. Gegen Ende der Kaiserzeit war das Café Kranzler Unter den Linden Ecke Friedrichstraße (re.) einer der beliebtesten Treffpunkte der Stadt. Das zweite, 1934 am Kurfürstendamm eröffnete Haus ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst, wie ohnehin die alte Kaffeehauskultur in Berlin weitgehend verschwunden ist. Zuletzt wurde das Opernpalais mit seinem Café (li.) geschlossen, die Zukunft des Gebäudes ist offen. Fotos: Kai-UweHeinrich, bpk

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Berlin: Wohin mit der Sahne?

Mit der früher berühmten Berliner Kaffeehaus-Kultur ist es nicht mehr weit her. Darüber hat sich jetzt auch der Dramatiker Rolf Hochhuth aufgeregt.

Der triste Anblick fördert traurige Gedanken, gleichzeitig weckt er nostalgische Erinnerungen an Kaffeekränzchen und Tortengebirge. Wer am Opernpalais Unter den Linden durch schmale Wege zwischen Bauzäunen und Absperrungen hindurchschlüpft, spürt deutlich, was der Straße seit Monaten fehlt: das Operncafé. Es wurde Ende vergangenen Jahres geschlossen und soll renoviert werden. Einen Zeitplan gibt es nicht, was bleibt, ist eine Kaffee-Leere und ein kleiner Kratzer am Image der Stadt, die an ihrer einstigen Prachtstraße neben dem Café Lebensart nur noch das Café Einstein als quirligen Treffpunkt für Prominenz, Touristen und Einheimische zu bieten hat.

Jetzt beklagt auch der Dramatiker Rolf Hochhuth, der nahe dem Brandenburger Tor wohnt, den Verlust der Kaffeehaus-Kultur in Ost und West. In einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit fordert der Dichter, dafür zu sorgen, dass das Operncafé erhalten bleibt, und ebenso, dass „am Kurfürstendamm die dort unentbehrlich gewesenen – wie sich erst nach ihrer Schließung zeigt – Café Kranzler und Möhring“ wieder aufgemacht werden. Hochhuth wütet gegen „den niedrigsten aller Beweg-,Gründe’“ für die Schließung der Cafés: den Mietwucher. Und ihm missfällt, dass eines der Möhring-Cafés am Kurfürstendamm ebenso wie das Kranzler zum Textilgeschäft umgebaut wurden. „Im Kranzler, wenn man einen klo-kleinen Lift besteigt, kann man unter dem Dach noch ein Stück Torte kaufen.“

Der Schriftsteller, der seinem Unmut über Zustände, die ihm gegen den Strich gehen, gern freien Lauf lässt, betont, dass „das zivilisatorische Niveau einer bedeutenden Metropole ebenso von ihren Café-Häusern abhängt wie das kulturelle von ihren Theatern und Opern“. Deshalb würden in Wien und Warschau altehrwürdige Cafés subventioniert. Wo aber, fragt Hochhuth, sollen die Touristen im Zentrum Berlins zwischen Uhlandstraße und Zeughaus noch Kaffee trinken? Und: „Wenn Berlin seine Kunststätten vorbildlicher subventioniert als jede andere Stadt der Welt, so wird ja auch eine bescheidene Mitfinanzierung der Cafés möglich sein. Denn Gaststätten verdienen nichts an dem, was man gemeinhin in einem Café trinkt: Tee, Kaffee, Kakao.“

Berlins Kaffeehaus-Kultur findet tatsächlich nur noch auf alten Fotos und in der Erinnerung statt. Das Besondere bei Kranzlers Unter den Linden war um 1914 die „Rampe“, eine schmale Terrasse entlang des Boulevards, wo man im Freien sitzen und an der belebtesten Stelle der Stadt, der Lindenecke, den Großstadttrubel beobachten und dabei Torte essen konnte. Am 7. Mai 1944 wurde das Kranzler durch Bomben zerstört, 1934 war ein zweites Café am Kurfürstendamm entstanden. Das Haus mit diesem Namen ist, zusammengedrängt unter der Rotunde, nur noch ein Schatten seiner selbst – in West-Berliner Zeiten, vor der Mauer und nach dem Mauerfall, war es einfach ein Begriff, weil sich hier Ost und West trafen und dabei das Gefühl hatten, auf dem Präsentierteller einer Großstadt zu sitzen. Ebenso beim Café Möhring, das sich nun am Potsdamer Platz als Restaurant-Café etabliert hat, nachdem seinen Platz am Gendarmenmarkt ein blau-weißes Bayern-Lokal eingenommen hat. Legendär waren in Ost-Berlin das Lindencorso mit Mocca-Bar und Kaffeehausmusik, das Café im Linden-Hotel und das Kisch-Café am Boulevard – alles verschwunden. Ersatz? Null. Dafür gibt es eine vollkommen neue Kaffeetrinkkultur neben dem To-go-Becher: Ketten wie Starbucks haben die Gemütlichkeit rauchgeschwängerter, etwas plüschiger Kaffeehäuser verdrängt und abgelöst, aber wo sitzen die Herrschaften reiferen Alters zur Teestunde und beim Kaffeeklatsch, wo rufen sie dem Kellner hinterher „...aber bitte mit Sahne!“? Vielleicht kommt das wieder, mit Geld und Geduld.

Olaf Willuhn von der TLG-Immobilien, der das Opernpalais gehört, sagt, es werde geprüft, wie damit verfahren wird. Mit mehreren Interessenten werde über Verkauf oder Nutzung, auch als Kaffeehaus, verhandelt. Staatssekretär André Schmitz jedenfalls findet, dass die „Linden“ solch einen Ort gepflegter Gemütlichkeit gebrauchen können. Und im neuen Hotel Waldorf Astoria soll es eines Tages wieder ein „Romanisches Café“ geben. Wie einst. Nur, dass die Dichter ihren Laptop neben die Kaffeetasse stellen.

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