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Hier werden die berühmten "Maple Leaf"-Münzen hergestellt.

© Gerd Braune

Woher kommt die berühmte Münze „Big Maple Leaf"?: In Ottawa geprägt, aus dem Berliner Bode-Museum geklaut

Sechs der wertvollen Münzen hat die „Royal Canadian Mint“ gefertigt. Ein Besuch in Kanadas staatlicher Münzprägeanstalt.

Da steht das Prachtstück – auf einem Marmorsockel. Der Tisch ist mit schwarzen und roten Samttüchern drapiert. Strahler sind auf die Goldmünze gerichtet und lassen sie funkeln.

Ist sie das? Die „Big Maple Leaf“? Die 100-Kilogramm schwere Goldmünze, die am 27. März 2017 aus dem Bode-Museum verschwunden ist? Sie sieht zumindest genau so aus. Diese Münze aber wurde nie gestohlen. Sie heißt zwar gleich, wie das verschwundene Stück, aber sie liegt sicher im Tresorraum der „Royal Canadian Mint“ (RCM) in Ottawa.

Die in Berlin durch ein Fenster gehievte Münze ist eine von Kanadas bekannten „Maple Leaf“ Goldmünzen, die bei Investoren in aller Welt beliebt sind.

Die Münze ist drei Zentimeter dick mit einem Durchmesser von fünfzig Zentimetern. Nachdem sie im Jahr 2007 geprägt worden war, bescheinigte ihr das Guinessbuch der Rekorde, die größte Goldmünze der Welt zu sein, eine Ehre, die inzwischen der australischen Goldmünze „Australian Kangaroo“ zukommt.

Die Vorderseite des „Big Maple Leaf“ ziert ein Ahornblatt, das „Maple Leaf“, Symbol Kanadas, und die Umschrift gibt nicht nur das Ausgeberland, sondern auch das Gewicht der Münze und den Feingehalt „99.999“ an, was für 99,999 Prozent steht. Die Rückseite zeigt Queen Elizabeth II, Staatsoberhaupt des Commonwealth-Landes Kanada.

Es gibt weltweit nur sechs „Big Maple Leaf“-Münzen

Normalerweise liegt „Big Maple Leaf“ in einer Spezialschatulle in dieser Schatzkammer, verborgen vor der Öffentlichkeit. Sehr selten wird die Münze gezeigt oder gar an einem anderen Ort ausgestellt, denn Transport und Präsentation sind teuer, nicht nur wegen der Versicherung dieser Münze, deren Wert nach dem jetzigen Goldpreis bei sechs Millionen kanadischen Dollar liegt – etwas mehr als vier Millionen Euro. Nur sechs dieser Münzen stellte die RCM 2007 her. Eine ist im Besitz der Queen, vier wurden von Investoren gekauft. Und eine davon erlitt als Leihgabe an das Bode-Museum in Berlin ein trauriges Schicksal.

Zwar stehen derzeit vier Männer wegen des Verdachts des Diebstahls der Münze in Berlin vor Gericht, aber gefunden wurde das Goldstück nicht. Der Diebstahl, die Festnahme der Verdächtigen im Sommer 2017 und der Prozessbeginn im Januar 2019 machten auch in Kanada Schlagzeilen.

Der große Berliner Goldraub

Vom „Great Berlin Gold Heist“ – dem großen Berliner Goldraub – ist die Rede. Bereits zwei Tage nach dem Diebstahl mutmaßte ein auf organisiertes Verbrechen spezialisierter früherer Mitarbeiter der kanadischen Bundespolizei: „Vielleicht ist sie bereits in Platten eingeschmolzen worden.“

Der Verdacht, dass die Münze eingeschmolzen und gestückelt verkauft wurde, hat sich bis heute gehalten. Da die Goldmünze zwar von der RCM geprägt wurde, aber nicht ihr Eigentum war, hält sich die kanadische Institution mit Stellungnahmen zurück. „Vielleicht ist es ja ein Trost, dass es den Ermittlungsbehörden gelang, Tatverdächtige festzunehmen und sie vor Gericht zu stellen“, sagt Sprecher Alexander Reeves. Das Urteil des Berliner Gerichts wird ebenfalls viel Interesse in Kanada finden.

Nach den zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen können Besucher die Münze bestaunen, die Berliner Museumsgänger nicht mehr sehen werden.
Nach den zahlreichen Sicherheitsvorkehrungen können Besucher die Münze bestaunen, die Berliner Museumsgänger nicht mehr sehen werden.

© Gerd Braune

„Big Maple Leaf“ hat der Royal Canadian Mint weltweit Aufmerksamkeit beschert, ihre Bedeutung aber liegt in der Herstellung von Umlauf- und Anlagemünzen. Wie eine Festung liegt die Münzprägeanstalt auf der Anhöhe über dem Ottawa-Fluss am Sussex Drive, nicht weit vom Parlament entfernt und in direkter Nachbarschaft der Nationalgalerie.

Münzen werden aus kanadischem Gold hergestellt

Das Gebäude wurde zwischen 1905 und 1908 als Zweigstelle der „British Royal Mint“ im spätgotischen Stil errichtet und diente von Anfang an zwei Zwecken: der Herstellung von Münzen für den Zahlungsverkehr – so genannter Umlaufmünzen – und als Raffinerie zur Verarbeitung und Reinigung von Gold, das in Kanada gewonnen wird. 1931 kam die Münzanstalt unter die Rechtshoheit Kanadas und wurde in Royal Canadian Mint umbenannt.

In Winnipeg, Hauptstadt der Provinz Manitoba, wurde 1976 eine weitere Produktionsstätte eröffnet. Die Aufgabenteilung zwischen Ottawa und Winnipeg ist klar: „Alle Umlaufmünzen werden in unserer Anlage in Winnipeg hergestellt, auch die Münzen, die als Gedenkmünzen in den Umlauf kommen“, erklärt Alexander Reeves. Die gängigen 1- und 2-Dollar-Münzen und die 25-, 10-, und 5-Cent- Münzen Quarter, Dime und Nickel werden in hoher Stückzahl in Winnipeg hergestellt.

Etwa 400 Millionen neue Münzen jährlich

Nahezu drei Milliarden Münzen befinden sich in Kanada im Umlauf und jedes Jahr stellt die Royal Mint etwa 400 Millionen neue Münzen her. Dazu gehören auch die Gedenkmünzen wie etwa zum 75. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie oder zum 50. Jahrestag der Entkriminalisierung homosexueller Beziehungen, der „Equality Loonie“. Die Kanadier nennen ihre 1-Dollar-Münze wegen des darauf abgebildeten Seetauchers (Loon) nur „Loonie“.

Mit der Anlage in Winnipeg übernahm die Royal Canadian Mint auch weltweit eine wichtige Rolle. Zahlreiche Länder lassen hier ihre Münzen prägen oder werden mit Rohlingen versorgt, den ungeprägten Metallscheiben. „Wir haben seit 1976 nahezu 80 Länder mit Münzen oder Rohlingen versorgt. Jüngste Beispiele sind Neuseeland, Barbados und Indonesien“, sagt Mint-Sprecher Reeves. Allein 2018 wurden etwa 1,8 Milliarden Münzen oder Rohlinge geliefert.

Die teureren Anlagemünzen, die als Geldanlageobjekte dienen, und die Sammlermünzen für Numismatiker werden dagegen in Ottawa hergestellt. Die Sicherheitsvorkehrungen sind umfassend. Hier könnten Diebe nicht, wie in Berlin, einfach durch ein Fenster klettern. Vor einigen Jahren zeigte jedoch ein spektakulärer Golddiebstahl, dass die Sicherheitshürden nicht unüberwindbar waren: Ein Mitarbeiter hatte Gold auf etwas unfeine Art in einer Körperöffnung aus der Münzprägeanstalt schmuggeln können. Die Vorkehrungen wurden verschärft.

Der Abfall bei der Prägung: „sehr wertvolle Fussel“

„Nimm zwei Ohrstöpsel“, wird der Besucher aufgefordert, bevor er den Fertigungsbereich betritt. Schnell und präzise arbeitet die Maschine, die die Anlagemünze „Maple Leaf“ in Gold oder Silber mit einem Edelmetallgehalt von einer Feinunze prägt. „Die Maschine wurde in Österreich gebaut“, erklärt Xianyao Li, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung. Sie überprüft das exakte Gewicht der Münze und tastet mit einem Laser blitzschnell die Oberfläche ab, um dann mit hoher Geschwindigkeit überflüssiges Metall abzukratzen.

Steven Papais, Chef der Produktionsabteilung, öffnet einen unscheinbaren Plastikcontainer. Er ist randvoll mit den feinen Gold- oder Silberspiralen gefüllt, die als „Abfall“ bei der Münzprägung übrig bleiben. „Sehr wertvolle Fussel“, nennt er sie. Die Spiralen landen wieder im Produktionsprozess. Und immer wieder wird genau gewogen. Jede Unze muss registriert werden.

Jede Goldmünze hat eine eigene DNA

Zwei Mitarbeiter sortieren die goldenen Anlagemünzen, den berühmten „Gold Maple Leaf“. Die „Maple Leaf“-Anlagemünzen in der Gold- oder Silberversion mit einem Edelmetallgehalt von 99,99 Prozent gehören zu den beliebtesten Anlagemünzen der Welt. Xianyao Li ist überzeugt, dass der „Maple Leaf“ auch die sicherste Anlagemünze ist. Jede Münze geht durch ein Lasergerät. „Wir schaffen eine digitale Signatur, einen Code, sozusagen eine DNA für jede einzelne Münze“, erläutert er. In der Datenbank werden diese Informationen gespeichert. Käufer können die Echtheit der Münze, die sie erwerben, anhand der digitalen Signatur überprüfen lassen.

Nebenan, im Tresorraum der Raffinerie, hat Rob Sargent auf einem Tisch einen Goldbarren, eine kleinere Goldplatte und ein Döschen wie aus einem Medikamentenschrank aufgestellt. Das Döschen ist unerwartet schwer. Es ist voll von Goldkörnern, die etwa die Größe von Getreidekörnern haben. „Diese Goldkörner liefern wir an Juwelier für die Schmuckherstellung“, erklärt Sargent, der die Raffinerieabteilung leitet und für die Verwaltung des Inventars zuständig ist. Das Gold kommt vor allem aus kanadischen Minen, „etwa 70 Prozent“, sagt Sargent, der Rest vor allem aus den USA. Da der Transport sehr teuer ist, kommt nur wenig Edelmetall aus anderen Ländern.

Im vergangenen Jahr verkaufte die Royal Canadian Mint Goldbarren und -münzen im Wert von 750 Millionen Euro. „Achtung, das ist schwer", warnt er, als er einem Besucher einen etwa 25 Zentimeter langen Goldbarren überreicht. „400 Unzen, etwa 12 bis 13 Kilo, also rund 600.000 US-Dollar“, sagt er. Das sind 537.000 Euro. „Das wäre ein nettes Haus hier in Ottawa“. Dann wandert der Goldbarren wieder in das Regal. Und die Türen des Tresorraums schließen sich.

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