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Seit anderthalb Jahren ist das Schöneberger Jugendzentrum Potse besetzt.

© imago/Schöning

Update

Wo ist Platz für Punk in Berlin?: Landgericht verurteilt Jugendzentrum Potse zur Räumung

Vor anderthalb Jahren besetzten Aktivisten die Räume des Schöneberger Jugendzentrums. Der Bezirk klagte. Am Mittwoch sprach das Gericht ein Versäumnisurteil.

Das Landgericht verurteilte am Mittwochmorgen das Schöneberger Autonome Jugendzentrum Potse, die von ihm seit anderhalb Jahren besetzten Räume in der Potsdamer Straße zu räumen. Der Vorsitzende Richter verkündete ein so genanntes Versäumnisurteil. Die Vertreter des Jugendzenrums Potse, das vom Verein Potze getragen wird, hatten bei einer ersten Verhandlung im Januar den Gerichtssaal verlassen; damit war eine Fortführung des Prozesses unmöglich. Gegen das Urteil kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden. Es ist noch nicht rechtskräftig.

Der Anwalt des Trägervereins Potze, Lukas Theune, sagte gegenüber dem Tagesspiegel, dass er Einspruch gegen das Urteil einlegen wird. Im Zivilrecht führt dies seinen Angaben zufolge dazu, dass es erneut eine Verhandlung geben wird, unabhängig davon, ob der Einspruch erfolgreich ist oder nicht.

Jugendstadtrat will weiter nach Räumen für die Potse suchen

"Mit der Potse verschwindet eine Schöneberger Institution", sagte Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD). Er bedaure dies, damit würden Orte für unangepasste Jugendliche in Berlin immer weniger. "Ich kann verstehen, dass die Jugendlichen ihre Räume nicht freiwillig aufgeben wollen. Aber es sind nun mal nicht die Räume des Bezirks. Ich suche weiterhin nach Räumlichkeiten für die Potse und hoffe nach wie vor, dass so schnell wie möglich ein geeigneter Ort für das Jugendzentrum gefunden wird", sagte Schworck.

Auf die Frage, wann denn eine Räumung stattfinden werde, nannte Schworck keinen Zeitpunkt. Das könne er noch nicht sagen. Er hoffe auf jeden Fall, dass es eine friedliche Lösung geben werde.

Theoretisch könnte der Bezirk einen Räumungstitel sofort beantragen, wenn das schriftliche Urteil vorliegt, auch ohne das Ergebnis des Einspruchs abzuwarten. Denn das Gericht hatte entschieden, dass das Urteil vorläufig vollstreckbar ist.

"Wir verlassen die Räume nicht"

Proteste vor dem Gerichtsgebäude in Moabit gab es diesmal nicht. Am Mittwochnachmittag demonstrierten rund 100 Unterstützer und Mitglieder des Potse-Kollektivs in der Potsdamer Straße. Auch Bezirksverordnete der Linken waren zur Unterstützung gekommen. "Wir erkennen dieses Urteil nicht an und werden in den Räumen bleiben, bis es eine Alternative gibt", sagt eine Potse-Aktivistin. Der Bezirk sei klar in der Verantwortung, Räume zur Verfügung zu stellen. Er habe fünf Jahre lang versagt, diese zu finden.

Protest in der Potsdamer Straße. Am Mittwoch demonstrierten Potse-Unterstützer gegen das Räumungsurteil
Protest in der Potsdamer Straße. Am Mittwoch demonstrierten Potse-Unterstützer gegen das Räumungsurteil

© Sigrid Kneist

Seit gut anderthalb Jahren halten die Aktivisten die Räume in der Potsdamer Straße 180 besetzt. Silvester 2018 weigerten sie sich, diese zu verlassen, nachdem der Mietvertrag ausgelaufen war und nicht verlängert werden konnte. Das Bezirksamt reichte im März 2019 Räumungsklage ein.

Die Verhandlung vor genau einem halben Jahr war gescheitert. Die Anwälte hatten dem Vorsitzenden Richter Befangenheit vorgeworfen. Als dieser dennoch weiterverhandeln wollte, verließen sie den Gerichtssaal. Zunächst war der Verkündungstermin des Urteils für Juni angesetzt. Der Termin wurde verschoben.

Eine Alternative gibt es nur für ruhige Veranstaltungen

Das Jugendzentrum Potse konnte Jahrzehnte lang die Räume in der Potsdamer Straße nutzen, ebenso wie das zweite Jugendzentrum Drugstore. Dieses allerdings machte vor anderthalb Jahre seine Räume frei.

[Die Autorin Sigrid Kneist kennt den Fall seit langem: Sie berichtet jeden Dienstag im Leute-Newsletter über den Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Newsletter für alle Berliner Bezirke können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Versuche des Bezirks, eine Alternative zu finden, scheiterten. Lediglich für ruhige Veranstaltungen wurde eine Lösung gefunden; die Räume sind aber noch nicht bezugsfertig. Die Potse ist allerdings bekannt für Punkkonzerte, die in einem solchen Rahmen aber nicht möglich sind. 

Ende Juni besetzten Aktivisten ein Gebäude auf dem Kreuzberger Dragoner-Areal, um Solidarität mit der Potse zu zeigen.
Ende Juni besetzten Aktivisten ein Gebäude auf dem Kreuzberger Dragoner-Areal, um Solidarität mit der Potse zu zeigen.

© Annette Riedl/dpa

Immer wieder gab es Protestaktionen in der Stadt. Erst vor gut zehn Tagen besetzten Aktivisten ein Gebäude auf dem Kreuzberger Dragoner-Areal, das sie aber selber wieder verließen.

Im Dezember vergangenen Jahres demonstrierten sie auch für eine Viertelstunde in der Bezirksverordnetenversammlung im Rathaus Schöneberg.

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