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Die Schauspielerin Marleen Lohse im Körnerpark in Berlin Neukölln.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wo in Neukölln die Stadt schweigt: Mit Schauspielerin Marleen Lohse unterwegs durch Berlin

Der Körnerpark erstrahlt im Sonnenlicht, der Berliner Lärm ist hier kaum zu hören. Ein Stadtspaziergang mit der Schauspielerin Marleen Lohse.

Von Laura Hofmann

35 Grad, alles sucht nach Schatten. Im Körnerpark spenden den die großen Bäume, die die wunderbar gepflegte Rasenfläche und die hübsch angelegten Blumenbeete an den Längsseiten säumen. Ein Idyll in Neukölln, ein bisschen Paris in Berlin. Da steigt Marleen Lohse die Treppe zum Park herunter. Von weitem zu erkennen an ihren roten Locken, die in der Sonne leuchten. Sie trägt ein verspieltes weißes Sommerkleid – ein altes ihrer Mutter, wird sie später erzählen. Sie blickt sich suchend um. Eine Szene wie im Kino, ja sie könnte geradewegs aus dem Film stammen, wegen dem wir hier sind: „Cleo“.

Darin spielt Lohse die gleichnamige Hauptrolle, eine verträumte, traurige junge Frau, deren Lebensgeschichte auf ganz besondere Weise mit der Geschichte Berlins verbunden ist. Auch am Drehbuch hat die 35-Jährige mitgeschrieben. Entstanden ist ein Berliner Sommermärchen, das an die fabelhafte Welt der Amélie erinnert. Als Cleo Paul (Jeremy Mockridge) kennenlernt, schöpft sie neue Hoffnung, eine alte Uhr zu finden, mit der sie die Zeit zurückdrehen und ihre Eltern retten kann. Der mit allerlei liebevollen Animationen arbeitende Film zeigt eine Schatzsuche, die unter dem Teufelsberg endet, und deren Botschaft lautet: In Berlin liegt eigentlich unter jedem Stein ein Schatz begraben. Man muss ihn nur sehen wollen.

„Ist das schön hier!“, freut sich Lohse jetzt im Park. Sie hat diesen Ort erst durch „Cleo“ entdeckt, hier war ihr erster Drehtag. Auf einer der Bänke, welche die Wiese umgeben, sitzen im Film Max Planck und Albert Einstein, schwarzweiße und leicht durchsichtige Figuren aus der Vergangenheit, die mit Cleo kommunizieren und sie so von ihrer Arbeit als Stadtführerin abhalten. Im wahren Leben bricht das Hintergrundrauschen plötzlich ab, die Fontäne im Brunnen, auf den der Park zuläuft, schrumpft, aus der Ferne dringen Kinderstimmen ans Ohr. Im Film gibt es einen Schalter, mit dem Cleo die laute Stadt stumm schaltet. „So kommt mir dieser Ort vor“, sagt Lohse, als sie auf das Zitronencafé in der Orangerie zusteuert. Kein Autolärm, kein Großstadtgetöse. Kaum zu glauben, dass der Park bis zur Stilllegung des Flughafens Tempelhof 2008 direkt in der Einflugschneise lag.

Auf den Spuren von Cleo

Lohse bestellt einen Cappuccino zum Mitnehmen. Viel los gerade. Am Dienstag feierte "Cleo" im Sommerkino am Kulturforum Berlin-Premiere. Vor 1000 Zuschauern, „da kamen mir schon die Tränen“, erzählt Lohse. Am Sonntagabend stellt die Crew um Regisseur Eric Schmitt „Cleo“ in Stuttgart und Augsburg vor, am Dienstag in München. Seit Donnerstag läuft er außerdem regulär im Kino. Warum sie diesen Park ausgewählt haben, auch für die letzte Szene im Film? Weil er nicht nur schön ist, sondern ein geschichtsträchtiger Ort: Angelegt wurde er in einer Kiesgrube, weiß die Schauspielerin, das erklärt, warum er fünf bis sieben Meter tiefer liegt als die Straßen, die ihn umgeben. Als der Kies abgebaut war, entschied der Besitzer Franz Körner, in dem riesigen Loch einen Park anzulegen. Den schenkte er 1910 der damaligen Stadt Rixdorf, unter der Bedingung, dass der Garten seinen Namen trägt.

Bekannt geworden ist Marleen Lohse schon mit 13 Jahren. Damals stand sie für die NDR-Serie „Die Kinder vom Alstertal“ vor der Kamera, als Pferdenärrin Julia Clement, genannt „Hexe“. Und im Fernsehen ist sie auch immer noch zu sehen: in der ARD-Krimireihe „Nord bei Nordwest“. Mit Shermin Langhoff kam sie 2013 ans Gorki-Theater, entschied sich aber dann für die Arbeit am Drehbuch von „Cleo“, für das sie und ihre Kollegen ein Stipendium des Regisseurs Wim Wenders erhalten hatten.

Berliner Geschichten

Lohse hat den Park verlassen und biegt ab in die Ilsestraße, vorbei an Altbauten, in Richtung St. Thomas-Kirchhof, wo Frau Sonnenburg begraben liegt. Frau Sonnenburg ist Cleos Nachbarin, eine alte Dame, die alleine lebt und Cleo im Treppenhaus auf dem Weg zur Arbeit regelmäßig abfängt, um ihr eingelegte Eier zu schenken. Pate für diese Figur stand ein Nachbar von Regisseur Schmitt. Die gute Seele des Hauses, doch als er starb, fiel das erstmal niemandem auf. Auch so eine Berliner Geschichte.

Neben dem Friedhof, an der Hermannstraße gelegen, befindet sich das 21 Gramm Café in einer ehemaligen Kapelle. „Mega!“, sagt Lohse, als sie über die Terrasse ins Innere tritt und die alten Säulen und Bögen bewundert. Seit einem Jahr versorgen die jungen Macher die Nachbarschaft mit Frühstücksplatten, Pancakes und Flammkuchen. 21 Gramm wiegt die Seele, das ist spätestens seit dem gleichnamigen Film von Alejandro González Iñárritu bekannt. Wie passend, denn um die Seele Berlins dreht sich schließlich auch „Cleo“.

Es muss nicht alles perfekt sein

„Ohne die Liebe“, raunt Marlene Dietrich in einer Szene an der Bar Cleo zu, „wäre diese Stadt eine Wüste“. Die Liebe ist es auch, die Cleo wieder mit Berlin versöhnt. Und mit der Zeit. Doch nicht nur der Figur Cleo hat der Film etwas gelehrt, sondern auch Lohse selbst. „Dass es sich lohnt, mutig zu sein“, sagt sie. „Dass man Dinge von sich zeigen kann, auch wenn sie noch nicht perfekt sind.“ Cleo hat Marleen mutig gemacht, so dass sie sich getraut hat, ein Lied aufzunehmen. Den von Katie Melua neu interpretierten Klassiker „Wonderful Life“, singt sie im Film selbst, das Lied ist auch auf Spotify erschienen. Hätte sie früher nie gemacht, obwohl sie schon seit Jahren für sich singt. Doch dann waren die Rechte an dem Song viel günstiger als der Song selbst. Und sie wurde zu ihrem Glück gezwungen.

Auf der Hermannstraße ist es zu laut und zu heiß. Lohse biegt nach rechts in die Leykestraße ab. Vorbei an Berlins größtem historischem Wasserturm, 40 Meter hoch, läuft dann weiter auf den Mittelweg, der wieder am Friedhof des heiligen Thomas vorbeiführt. Die Atmosphäre zur linken Seite erinnert an ein Industriegebiet, kein Mensch ist zu sehen. Auf der Wiese am Straßenrand liegt ein Leihfahrrad ohne Vorderrad, ein paar Meter weiter ein Einkaufswagen. „In Berlin gibt es überall etwas zu verschenken“, amüsiert sie sich. Wer freut sich nicht über eine durchgenässte Matratze oder einen alten Röhrenfernseher?

Kurze Zeit später ist Lohse wieder am Körnerpark angelangt, hier hat sie ihr Auto geparkt. Abends präsentiert sie „Cleo“ in zwei Berliner Kinos, dann geht es weiter mit der Deutschland-Tour. Aber jetzt wartet Zuhause in Prenzlauer Berg erstmal ein Haufen Wäsche auf sie.

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