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Wo die Mittel fehlen: Geht Berlin in der Coronakrise das Geld aus?

Corona hat Berlin auch finanziell stark getroffen. Wie wird sich Einnahmen und Ausgaben nun entwickeln? Die Ideen der Parteien gehen auseinander.

Von Sabine Beikler

Fehlende Steuereinnahmen, Lücken im Haushalt – und der BER: welche Standpunkte vertreten die Berliner Parteien im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf in Sachen Finanzpolitik? Ein Überblick.

1. Keine finanzielle Deckung

Als der Senat im Juni den Entwurf zum Doppelhaushalt 2022/23 in Höhe von fast 70 Milliarden Euro verabschiedet hatte, wurde deutlich, dass die erwarteten Einnahmen in Höhe von rund 63 Milliarden weit hinter den Ausgaben liegen. Hinzu kommt in der Finanzplanung ein „Handlungsbedarf“ bei den Ausgaben, auch pauschale Minderausgaben genannt, von zwei Milliarden Euro, die noch nicht komplett gegenfinanziert sind. Ein Teil der Minderausgaben wird über nicht abgeflossene Investitionsmittel und Haushaltsreste gedeckt.

Berlin hat noch Rücklagen aus einem 2020 aufgenommenen, pandemiebedingten Kredit über 7,3 Milliarden Euro. Rechnerisch sind noch 4,1 Milliarden  im Topf, faktisch sind sie im Doppelhaushalt schon verplant. 2024 werden diese Rücklagen aufgebraucht sein. Die Hoffnung des Senats liegt auf einer positiven Entwicklung der Konjunktur und damit steigenden Einnahmen.

Die SPD setzt weiter auf den Kurs „Konsolidieren und Investieren“, auf Konjunkturprogramme, Investitionen in die Wirtschaft und Geld aus dem „Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (Siwana)“. Die Grünen wollen neben nachhaltiger Haushaltspolitik und Schuldenabbau in die Daseinsvorsorge investieren und ein Klima-Budget für die Haushalte in Land und Bezirken einführen. Die Linken sehen keine Einsparungen im laufenden Betrieb.

Finanzielle Spielräume sieht die Partei in sogenannten Extrahaushalten. Die CDU fordert einen „umfassenden Kassensturz“ für eine mittelfristige Finanzplanung. Die FDP lehnt die Aufnahme weiterer Schulden ab und setzt auf Einnahmen durch Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum. Einen „strikten Sparkurs“ fordert die AfD, die „Einsparpotentiale von mindestens 3,5 Mrd. Euro“ identifiziert hat.

2. Steuereinnahmen fehlen

Die Steuern machen mit rund 72 Prozent den Großteil der gesamten Landeseinnahmen aus. Davon entfallen rund 30 Prozent auf die Lohn- und Einkommensteuer, 40 Prozent auf die Umsatzsteuer. Das restliche Aufkommen verteilt sich auf die übrigen Steuerarten, insbesondere die Gewerbe-, Grunderwerb- und die Grundsteuer. 2020 hatte Berlin 20,73 Milliarden Steuern eingenommen.

Das war ein Rückgang um rund 4,8 Prozent gegenüber 2019. Die Coronakrise hat rund ein bis zwei Jahre an Wirtschaftswachstum gekostet, was sich auch in den Steuereinnahmen niederschlägt. Berlin fehlen gegenüber dem Vorkrisen-Niveau Einnahmen in Höhe von 1,5 bis 1,6 Milliarden Euro pro Jahr.

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Die SPD will die Grundsteuer abweichend vom Bundesmodell „reformieren“, sodass der Bodenwert – der Wert des Grundstücks – stärker Berücksichtigung findet. Die Grundsteuer soll nicht mehr auf die Mieter:innen umlegt werden. Die Linke will eine Erhöhung der Hebesätze – was zu einer Steuererhöhung führen würde – und eine „deutliche Erhöhung der Grunderwerbssteuer“ prüfen. Auch die Grünen wollen eine „Weiterentwicklung der Grundsteuer in Richtung einer Bodenwertsteuer“ und ein Verbot der Abwälzung von Grundsteuern auf Mieter:innen.

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Um Unternehmen unmittelbar zu entlasten, will die CDU eine „vorübergehende Absenkung“ des Gewerbesteuerhebesatzes prüfen. Die FDP lehnt „jede Form“ von Steuer- und Abgabenerhöhungen ab und plädiert für einen einmaligen Grunderwerbsteuerfreibetrag. Kommunale „Bagatellsteuern“ wie die Hundesteuer will sie abschaffen. Die AfD will die Grunderwerbssteuer von sechs auf 3,5 Prozent senken.

3. Investitionen steigen

Trotz geringerer Einnahmen will Berlin bei den Investitionen nicht sparen. Im Entwurf für den Doppelhaushalt 2022/23, der nicht mehr vor der Wahl vom Parlament verabschiedet wird, sind 6,5 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen. Schulbau bleibt Investitionsschwerpunkt mit je 900 Millionen Euro für die nächsten beiden Jahre. Weitere 510 Millionen Euro soll die Wohnungsbaugesellschaft Howoge für die Schulen aufbringen. 800 Millionen jährlich sollen auch in den Ausbau des Nahverkehrs fließen.

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Das kann nur mit der Aufnahme weiterer Kredite funktionieren. Hier sind sich SPD, Grüne und Linke weitgehend einig. Auch die FDP will den Investitionsanteil am Landeshaushalt erhöhen. Zahlen nennt sie nicht. Die CDU will Investitionen in Wirtschaft und Arbeit „Vorfahrt geben“. Für die Ermittlung des Finanzbedarfs fordert die AfD eine Prioritätenliste zum Abbau von Investitionsrückständen.

4. BER im Sinkflug

Schlechte Prognosen für den BER: Wegen der Pandemie konnte der Flughafen 2020 nur 9,1 Millionen Passagiere abfertigen. 2019 waren es 35,6 Millionen Fluggäste insgesamt. In diesem Jahr rechnet die Flughafengesellschaft am BER vorsichtig mit 9,9 Millionen Passagieren. Hinzu kommt die desaströse Finanzsituation des BER mit Schulden von 4,5 Milliarden Euro.

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Um die Liquidität zu sichern, müssen die drei Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg bis 2026 mindestens 817 Millionen Euro dazuschießen. Ab 2026 will die Flughafengesellschaft wieder schwarze Zahlen schreiben. Unabhängig vom Pandemieverlauf wird es ohne eine Teilentschuldung in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro nicht gehen.

Die SPD will mit Bund und Brandenburg die finanzielle Sanierung des Flughafens „konsequent“ vorantreiben. Die Grünen fordern ein Sanierungskonzept, eine Erweiterung und weitere Start- und Landebahnen lehnen sie ebenso wie die Linken ab. Grüne und Linke wollen den BER weiter in öffentlicher Regie betreiben.

CDU und FDP wollen ihn zu einem „echten internationalen Drehkreuz“ ausbauen und neue Interkontinentalverbindungen ansiedeln, dazu brauche es eine Partnerschaft mit „starken privaten Unternehmen“ (CDU) und eine „neue Eigentümerstruktur (FDP). Die AfD fordert ein zukunftsfähiges Flughafenkonzept.

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