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Der BER: Schon vor Eröffnung ein Berliner Wahrzeichen.

© picture alliance / Ralf Hirschberger / dpa

Witze über die marode Hauptstadt: Macht endlich Schluss mit Berlins Haha-Humor!

Der Flughafen! Die S-Bahn! Und dann dieser Michael Müller! Schlamperei und Unvermögen - da jagt in Berlin ein Scherz den nächsten. Lustig sind nur wenige. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Es gibt Haha-Witze. Wenn der Kaspar dem Krokodil mit der Holzlatte auf den Kopf haut, ist das ein Haha-Witz. Auch bei der „Heute-Show“ im ZDF machen sie gerne Haha-Witze. Die Pointen kreisen dann um Bonzen, die noch gieriger sind, als man ohnehin dachte. Um AfDler, die die Bundestagsregeln nicht beherrschen, um Donald Trump, der Kiel und Kiew nicht auseinanderhalten kann, was im Falle eines nuklearen Vergeltungsschlages ja durchaus wichtig wäre. Haha-Witze bestätigen Vorurteile, deshalb sind sie nicht wirklich witzig. Sie fördern den Schenkelklopfer-Instinkt. Sie sind berechenbar und kein bisschen subversiv.

In kaum einer anderen Großstadt werden Haha-Witze so ausgiebig kultiviert wie in Berlin. Mich ödet das an. Tausend Mal gehört, tausend Mal nicht amüsiert. Berlins Haha-Witze sind billig und banal. Sie zielen nicht auf Erkenntnis oder produktive Verstörung, sondern auf einverständiges JawollGegrunze.

Der BER: immer noch nicht fertig, verantwortungslose Geldverschwendung, da wird gekalauert, bis die Metaphernorgel aus der letzten Pfeife tutet. Oder die Bürgerämter: nächster freier Termin am 30. Dezember, kurz vor Mitternacht. Die Baustellen: nie ein Arbeiter zu sehen, zwischen 7 und 8 Uhr rattert eine Viertelstunde lang der Presslufthammer, dann ist für den Rest des Tages Ruhe. Das Chaos bei der S-Bahn, wenn es schneit: Wie schaffen das nur die Schweden, Norweger und Finnen, dass bei ihnen, hoch im Norden, auch bei 120 Zentimeter Neuschnee alles tadellos funktioniert?

Da geht’s zu wie bei den Bürgern aus Schilda

Ja, Berlin und seine Schlamperei, da weiß die Linke nicht, was die Rechte unterlässt, da geht’s zu wie bei den Bürgern aus Schilda und wie bei Hempels unterm Sofa. München, Hamburg und Frankfurt sind reich, sicher und gemütlich. In Sachsen sind die Schulen besser, an der Nordsee die Winde frischer. Wer’s gern warm hat, soll nach Freiburg ziehen, wer gern wandert, ist im Schwarzwald gut aufgehoben. Denn fast noch schlimmer als Berlin ist ja das Land drumherum, dieses Brandenburg, das langweiligste Bundesland Deutschlands. Manchmal hört man Geschichten von dort über Wölfe, aber sonst?

Und dann dieser Müller, Michael Müller. Sobald die Rede auf den Regierenden kommt, verstummen die Versammelten demonstrativ. Sie vereinen sich im stillschweigenden Einvernehmen, Auftreten, Stil und Niveau des Stadtoberhaupts nicht thematisieren zu wollen. Sie wissen schon, nicht wahr? Muss man nicht drüber reden. Außerdem kann er ja nichts dafür. Keiner kann aus seiner Haut.

Kommt das Gespräch in lockerer Runde auf den BER, auf Baustellen, den Senat oder die S-Bahn, gehe ich. Um nicht unhöflich zu wirken, verziehe ich vorher nochmal die Mundwinkel zu einem wissenden Lächeln, begleitet von einem leichten, zustimmenden Kopfnicken zu den Gags des letzten Possenreißers. Flughafen, Fluchhafen, Brandschutz, Willy-Brandt-Schutz, ach herrje, ein Wortspiel ist noch kein Bonmot. Und wer meint, sich dringend über Berlins hoch subventionierte Kleingeistereien erheben zu müssen, beweist nur, wie nötig er es selber hat.

Die ganze Stadt ist marode

Am Ende heißt es immer: alle abwählen, aus der Stadt jagen, entmachten. Die Linken sind schließlich nicht besser als die Rechten und die Liberalen nicht besser als die Ökos. Die ganze Stadt ist marode. Die Schulen verfaulen, und in Neuköllns dunkle Ecken traut sich um 3 Uhr morgens ohnehin kein anständiger, unbewaffneter Bürger ohne Pitbull auf die Straße. Ist doch so, wird man doch wohl mal sagen dürfen.

Klar darf man. Aber Originalitäts- oder gar Espritpreise lassen sich damit nicht gewinnen. Es wird Zeit, dass über Berlins Haha-Humor keiner mehr lacht. Und keiner mehr vorgibt, darüber zu lachen. Jeder Blondinen- und Ostfriesen-Witz hat größeren Tiefgang und stärkere Pointen. Die Stadt selbst ist gelegentlich eine Zumutung, das stimmt. Aber das bemühte, lustig sein wollende Aufspießen dieser Zumutungen ist die schlimmste von allen. Mit der Stadt werden wir fertig, die Witze über ihre Unzulänglichkeiten aber geben uns den Rest.

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