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Gekommen, um zu wählen. Franziska Giffey und Raed Saleh (Mitte) stellten sich zur Wahl, Michael Müller hielt seine Abschiedsrede.

© Davids/Sven Darmer

„Wir wollen anpacken“: Franziska Giffey und das dicke B

Beim hybriden Parteitag verabschiedet Berlins SPD ihren Chef Michael Müller. Das Ergebnis für Franziska Giffey und Raed Saleh steht am Sonnabend fest.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eindringlich beschwor sie ihr Programm: „Bauen, Bildung, beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit“. So bewarb sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey am Freitagabend auf dem ersten digitalen Landesparteitag der Berliner SPD für den Landesvorsitz. Es mache einen Unterschied, ob die SPD regiere oder nicht. „Wir wollen anpacken“, warb Giffey für sich – und für den SPD-Fraktionschef Raed Saleh, mit dem sie ein Führungsduo bilden will.

Es werde nicht einfach im nächsten Jahr, so Giffey, „aber wenn’s einfach wäre, könnte es ja jeder.“ Und dann sagte sie noch den Satz: „Ihr könnt euch auf mich verlassen, egal was passiert und was die Leute sagen“.

War das gemünzt auf den Streit um ihren Doktortitel, dessen erneute Prüfung durch die Freie Universität erst im nächsten Februar abgeschlossen sein soll? Im schlimmen Fall mit einem Ergebnis, das Giffey das Ministeramt kosten könnte. Mit möglichen Konsequenzen auch für ihre Spitzenkandidatur bei der Abgeordnetenhauswahl Ende September 2021. Doch erst mal freut sie sich auf „einen tollen Wahlkampf“.

Beinahe hätte es auf dem virtuellen Wahlkongress noch ein großes Durcheinander gegeben. Denn in der unspektakulären Debatte nach der Abschiedsrede des scheidenden Landeschefs Michael Müller teilte die Vize-Landeschefin der SPD-Arbeitsgemeinschaft „Selbstständige“, Angelika Syring, fast nebenbei mit, dass sie gemeinsam mit dem Genossen Ulrich Brietzke auch für den SPD-Landesvorsitz kandidieren wolle. In Konkurrenz zur Doppelspitze Giffey und Saleh.

Syring und Brietzke hatten schon im Februar vergeblich ein Mitgliederbegehren beantragt, die Parteibasis sollte entscheiden, wer die Landes-SPD künftig führen soll. Eine exotische Bewerbung, ohne Aussicht auf Erfolg.

Kandidatur in letzter Minute beschäftigt Parteijuristen

So wäre es auch dieses Mal gewesen, doch hätte diese Gegenkandidatur die Vorstandswahl empfindlich gestört. Denn die Delegierten mussten am Freitagabend noch in die bezirklichen Wahlkreisbüros ausschwärmen, um dort die neue SPD-Führung per Urnenwahl zu bestimmen. Eine Kampfkandidatur hätte den eng gefassten Zeitrahmen des Parteitags gesprengt.

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Zur Erleichterung der SPD-Spitze entschieden die befragten Parteijuristen, dass Syring als nur „beratende Delegierte“ kein Antrags- und somit auch kein Personalvorschlagsrecht habe. So konnte der hybride Kongress doch den geplanten Verlauf nehmen. Wenn auch ohne Vorwärts-Liederfreunde, die den Genossen normalerweise mit traditionellen Arbeiterliedern zum Auftakt die Herzen wärmten. Es gab kein Getratsche, kein Hände schütteln und busseln. Kein rhythmisches Klatschen nach guten Reden und keine Delegierten, die mit Charme oder Zorn ihre Anträge verteidigen.

Saskia Esken: Super-Wahljahr 2021 ist "völlig offen"

Denn nach zweifacher Vertagung des Wahlparteitags, bedingt durch Corona, kam am Freitag ab 17 Uhr nur ein versprengter Trupp von SPD-Oberen und Parteitags-Präsiden im Neuköllner Hotel Estrel vor den Web-Kameras zusammen, um den rund 280 Delegierten zu Hause via Notebook, Tablet oder Handy ihre Botschaften zu verkünden – und die virtuelle Diskussion über 222 Anträge zu organisieren. Über die meisten Forderungen wurde schon vorab Einvernehmen hergestellt. So konnte sich der virtuelle Parteitag auf die Neuwahl des Berliner SPD-Landesvorstands konzentrieren.

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Der Zeitplan war knapp. Zuerst wurde die Ko-Parteichefin Saskia Esken für ein Grußwort zugeschaltet. Die SPD sei so einig wie schon lange nicht mehr, sagte sie im aufgezeichneten Video. Im Super-Wahljahr 2021 sei in Berlin und im Bund „das Rennen um das Rote Rathaus und um das Kanzleramt völlig offen“, beschwor sie Zuversicht.

Michael Müller auch ohne Publikum ein starker Parteitagsredner

Dann hielt der Regierende Bürgermeister Michael Müller seine Abschiedsrede als SPD-Landesvorsitzender. Von 2004 bis 2012, dann wieder ab April 2016 führte er den hauptstädtischen Landesverband – und er bestätigte an diesem Abend, fast ohne Publikum, sein Talent als Parteitagsredner. Er finde es gut, dass die Landes-SPD jetzt mit der personellen Erneuerung und anderen wichtigen Entscheidungen vorankomme, sagte Müller.

Er appellierte an die Genossen, „klare Haltung zu zeigen“ und einen eigenen Weg zu gehen. Für den Bund forderte der scheidende SPD-Landeschef: „Wir müssen raus aus der Groko, die Zusammenarbeit mit der CDU ist unerträglich“. Zum Abschied schenkte ihm die Partei ein Willy-Brandt-Porträt, ein Originaldruck von Andy Warhol.

Am späten Abend gaben die Delegierten dann ihre Wahlzettel für die Vorstandswahl in den SPD-Kreisbüros ab. Ausgezählt und verkündet wird das Ergebnis am Sonnabend um 9 Uhr.

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