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Für den BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup war es wohl sein letzter Auftritt vor den Berliner Parlamentariern, die sich mit dem Flughafen befassen. Foto: Patrick Pleul/dpa

© Patrick Pleul/dpa

„Wir sind in einem tiefen Tal“: Berliner Flughafen BER in der Krise - wenig Passagiere und ein Schuldenberg

Im Pandemiejahr 2020 gab es nur 9,1 Millionen Passagiere am Flughafen BER – und die Prognosen für die nächste Zeit sind schlecht. Auch die Finanzsituation ist desaströs.

Von Sabine Beikler

Die Lage der BER–Flughafengesellschaft (FBB) ist laut Bericht der Geschäftsführung an das Berliner Parlament dramatisch: 2020 hatte der BER wegen der Pandemie nur 9,1 Millionen Passagiere abfertigen können – nach 35,6 Millionen Fluggästen 2019. Für dieses Jahr rechnet die FBB mit 9,9 Millionen Passagieren.

„Das gilt aber nur dann, wenn es im Herbst wegen der Pandemie keine weiteren Reiseeinschränkungen gibt“, schränkte BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup am Donnerstag vor dem Controlling-Unterausschuss im Abgeordnetenhaus ein. Das Niveau von 2019 werde erst wieder 2025 erreicht. Und wenn es schlecht läuft, dann dauere die Krise bis 2027 an. Hinzu kommt die desaströse Finanzsituation des BER: Der Schuldenberg liegt bei 4,5 Milliarden Euro. Und die Liquidität ist laut Geschäftsführung auch nur bis Anfang 2022 gesichert.

Frühestens ab 2022 sollen die meisten Langstreckenflüge zum BER zurückkommen. Der Langstreckenverkehr sei „fast vollständig zum Erliegen gekommen“, steht in der Präsentation an die Ausschussmitglieder. „In den letzten 20 Jahren hatten wir bis zur Corona-Pandemie ein kontinuierliches Wachstum des Flugverkehrs“, betonte Lütke Daldrup, der Ende September als BER-Chef aufhört.

Die Wachstumsraten hätten oberhalb von fünf Prozent gelegen. Die Pandemie habe die gesamte Luftfahrtbranche massiv getroffen. „Wir sind in einem tiefen Tal“, sagte der BER-Chef.

Teilentschuldung von rund 1,1 Milliarden Euro

Für die Liquiditätssicherung sind laut Finanzstaatssekretärin Vera Junker bis 2026 von allen drei Gesellschaftern, also Bund, Berlin und Brandenburg, 817 Millionen Euro aufzuwenden. Parallel dazu müsse zwischen 2023 und 2026 eine Teilentschuldung des BER von rund 1,1 Milliarden Euro erfolgen. Junker betonte, dass das Fremdkapital für den BER vorzeitig abgelöst werden müsse. „Die FBB wäre dann wieder kapitalmarktfähig“, sagte die SPD-Politikerin. Ab 2026 solle die FBB wieder schwarze Zahlen erreichen.

Die Teilentschuldung ist Bestandteil des BER-Businessplans 2020/2021 und wird derzeit mit der EU-Kommission diskutiert. Laut Junker hat der Bund für die Teilentschuldung schon Finanzmittel eingestellt, die Brandenburger hätten noch keinen Haushaltsentwurf. Und in Berlin läuft die politische Diskussion darüber, in welcher Höhe diese Teilentschuldung erfolgen soll.

Der Vorsitzende des Unterausschusses Beteiligungsmanagement und -controlling, Jörg Stroedter (SPD) sagte dem Tagesspiegel, dass die Teilentschuldung „zwingend erforderlich“ sei. Allerdings sollte die Teilentschuldung nicht rund eine Milliarde Euro, sondern etwa zwei Drittel des Schuldenberges einschließen.

Trotz Corona Perspektive entwickeln

„Der Anzug ist zu eng genäht. Es platzen doch jetzt schon die Knöpfe. Man muss einplanen, dass die Prognosen nicht besser werden“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef. Der BER brauche auf lange Sicht Unterstützung. Er forderte eine Position für einen oder eine Strategieentwickler:in im Vorstand, „um eine Perspektive trotz Corona zu entwickeln“.

Eine Kapazitätsdebatte brauche man zurzeit nicht zu führen. Stroedter sieht den geplanten Bau eines Terminal 3 sehr kritisch. Anders Lütke Daldrup, der eine kurzfristige „Aktivierung“ des Terminal 3 einer Wiedereröffnung des Terminal 5 vorzieht.

Lütke Daldrups Nachfolgerin, die BER-Finanzgeschäftsführerin Aletta von Massenbach, informierte über die aktuellen Zahlen. Im ersten Halbjahr wurden weniger Erträge als erwartet erwirtschaftet. Statt 726 Millionen Euro laut Businessplan waren es nur rund 276 Millionen Euro. „Signifikante Einsparungen“ im Betrieb seien erzielt worden. Aber all diese Zahlen täuschen nicht darüber hinweg, dass der BER bis 2025 mindestens weitere 1,9 Milliarden Euro von den drei Gesellschaftern erhalten muss. Allein in diesem Jahr flossen 560 Millionen Euro an die FBB.

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Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses verständigte sich im Juni darauf, dass ein unabhängiges Sondergutachten zur Finanzlage der FBB erstellt wird. Staatssekretärin Junker sagte, dass Ende September der Zuschlag an einen externen Gutachter erfolgen werde. Dieser werde einen Eröffnungsbericht erarbeiten, der dem Businessplan vorangestellt werden soll. Dieser Bericht ist für Ende Oktober 2021 avisiert.

Hatte Lütke Daldrup am Donnerstag seinen wohl letzten Auftritt vor dem Ausschuss, war es für den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Jörg Simon der erste. Simon war zuvor Chef der Wasserbetriebe. „So schnell werden Sie mich nicht los“, scherzte Simon. Er sagte, dass die Geschäftsführung des BER neu aufgestellt werde – mit einem neuen, operativen Geschäftsführer.

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