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Figuren, die die Opfer darstellen, liegen bei der Mahnwache anlässlich des SUV-Unfalls in der Invalidenstraße am Boden.

© Fabian Sommer/dpa

„Wir krümmen uns vor Schmerz“: Sie verlor ihr Kind und ihre Mutter – Hinterbliebene äußert sich im SUV-Prozess

Bei einem Unfall in der Berliner Invalidenstraße starben 2019 vier Menschen. Eine Hinterbliebene lässt eine Erklärung verlesen über ihren Schmerz.

Still war es im Gerichtssaal. Es sei der Versuch einer Beschreibung von Gefühlen, sagte eine Anwältin der Nebenklage im Prozess nach dem SUV-Unfall mit vier getöteten Fußgängern.

Sie vertritt die Mutter des dreijährigen Jungen – die 38-Jährige verlor in derselben Sekunde auch ihre Mutter. Der kleine Momme, seine 64-jährige Großmutter und zwei Männer, 28 und 29 Jahre alt, hatten keine Chance. „Wir krümmen uns vor Schmerz, wir weinen und weinen und weinen“, heißt es in der Erklärung. „Wir sind jetzt alle krank.“

Der angeklagte Unternehmer Michael M. muss sich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 44-jährige damalige Fahrer eines Porsche Macan am 6. September 2019 am Steuer gesessen habe, obwohl er wegen einer strukturellen Epilepsie und einer nur einen Monat zurückliegenden Gehirnoperation nicht in der Lage gewesen sei, das Auto sicher zu führen. Ein möglicher weiterer epileptischer Anfall sei vorhersehbar gewesen.

Der Unfall geschah vor den Augen der Mutter des dreijährigen Momme und eines älteren Bruders. „Ein schwarzes riesiges Ding streift mich“, verliest die Anwältin für die 38-jährige Frau. „Das Auto nimmt alles mit auf seinem Weg.“

Dann habe sie ihre Mutter gesehen – „sie hört und sieht mich nicht mehr“. Dann das Kind. „Das ist er nicht, denke ich, aber die rosa Socken.“ In ihrer Verzweiflung und Trauer seien sie später immer wieder zur Unfallstelle gegangen.

Mit mehr als 100 km/h rammte der Wagen die Fußgänger

Weil M. einen Krampfanfall erlitten hatte, verlor er laut Ermittlungen die Kontrolle über das Fahrzeug. Das fast zwei Tonnen schwere 400-PS-Auto preschte auf der Invalidenstraße in Mitte auf die Gegenfahrbahn. Der Wagen raste gegen Poller und den Mast einer Ampel, überschlug sich mehrfach, erfasste mit mehr als 100 Kilometern in der Stunde vier Fußgänger tödlich.

Nach 17 Verhandlungstagen könnte der Prozess in die Schlussphase gehen. Zentrale Frage ist: War für M. ein epileptischer Krampfanfall vorhersehbar? Wie wurde er nach seinem ersten epileptischen Anfall über weitere Risiken für sich und andere aufgeklärt?

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Die Verteidiger äußerten am Mittwoch vor dem Landgericht erneut Zweifel an Angaben eines Berliner Arztes, bei dem M. damals in Behandlung war. Er habe nach dem Unfall die Patientenakte hinsichtlich einer angeblichen Risiko- und Sicherheitsaufklärung ergänzt, sagten die Verteidiger.

Die Nebenkläger konterten, das seien „Nebelkerzen“. Zu Prozessbeginn Ende Oktober hatte M. erklärt, er habe sechs Monate vor dem Unfall erstmals einen Krampfanfall erlitten und sich in Behandlung begeben. Er sei sich absolut sicher gewesen, dass er mit antiepileptischen Medikamenten und der Operation alles getan habe, um einen zweiten Anfall auszuschließen. Fortsetzung: 19. Januar.

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