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 Firmensitz in Adlershof. Das Unternehmen liefert seit DDR-Zeiten pharmazeutische Produkte nach Osteuropa und Russland.

© dpa

„Wir hoffen auf Beschäftigte aus der Ukraine“: So wirkt sich der Krieg auf Berliner Firmen aus

Bei einer Diskussionsrunde sprachen Vertreter von Berlin-Chemie und Otis darüber, welche Folgen der Ukraine-Krieg schon jetzt hat und wie sie damit umgehen.

"Unsere größte Sorge gilt momentan den 300 Beschäftigten in der Ukraine", sagte Christian Matschke, Produktionsvorstand des Arzneimittelkonzerns Berlin-Chemie am Montag. Berlin-Chemie gehört seit 1992 zur italienischen Menarini-Gruppe. Das Berliner Traditionsunternehmen, das seinen Stammsitz in Adlershof hat, ist für das Arzneimittelgeschäft in Deutschland und Osteuropa zuständig.

1890 entstand dort die „chemisch-pharmazeutische Fabrik Kahlbaum“. Schering kaufte diese 1937 – und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. Die DDR gründete den VEB Berlin-Chemie, später wählte die Treuhandanstalt Menarini als Investor aus. "Das Geschäft geht ja trotz des Krieges weiter", berichtete Christian Matschke, als Teilnehmer einer Diskussionsrunde am Montag, die von den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg (UVB) organisiert worden war.

Thema: Die Herausforderungen der geopolitischen Zeitenwende auf die Wirtschaft. Die Versorgung mit Arzneimitteln per Lkw gehe weiter in der Ukraine - trotz des Krieges. Ein Werk hat das Pharma-Unternehmen auch in Russland. "Der Rubel-Verfall ist natürlich ein Problem, wenn man auf dem russischen Markt weiter bleiben will", sagte Matschke.

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Der Berlin-Chemie-Vorstand sieht ein Gas-Embargo aus Russland genauso problematisch wie sein Vorredner Michael Hüther, Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln. Dieser nannte ein Gas-Embargo sogar "eine Kernschmelze" für die Industrie. Matschke ergänzte, dass die pharmazeutische Industrie zwar nicht so stark dadurch getroffen würde wie die chemische Industrie, doch die Auswirkungen seien immens.

Aufzughersteller Otis hofft auf Beschäftigte aus der Ukraine

Zudem betonte er, dass Deutschland das einzige Land sei, dass aus Kernkraft und Kohle gleichzeitig aussteige. "Hier werden weiter hohe Investitionskosten auf uns zukommen", sagte der Berlin-Chemie-Vorstand. Nur mit hohen, zusätzlichen Investitionen sei dies zu stemmen. Viele der Arzneistoffe des Unternehmens würden in Asien hergestellt, Matschke sprach von 20 bis 50 Prozent. Welche man jetzt in Eigenregie produzieren solle, müsse man sich bald klar machen. Matschke plädierte für den Fokus auf innovative Produkte. "Ein Beispiel sind die mRNA-Impfstoffe", sagte er.

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Auch Winnie Freudenberg, Personalleiterin des Aufzugherstellers Otis Deutschland in Tegel, sprach über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf ihr Unternehmen. Durch den demografischen Wandel sei die Belegschaft überaltert, dringend würden Fachkräfte gesucht. "Wir hoffen aus der Ukraine Geflüchtete gewinnen zu können für uns" sagte Freudenberg. Bereits nach den Fluchtbewegungen 2015 habe man qualifizierte Syrer im Unternehmen eingestellt.

Das Herzstück des Unternehmens sei die internationale Vernetzung

Über eine schon länger bestehendes digitales Modul könnten geflüchtete Ukrainerinnen - im arbeitsfähigen Alter sind es ja nur Frauen, die das Land verlassen dürfen - verteilt werden. Der Aufzughersteller hat Standorten in verschiedenen Ländern.. "Dort, wo es Sinn ergibt", betonte Freudenberg und ergänzte: "In der Produktion beispielsweise ist es nicht nötig, Deutsch zu können."

Die Hilfsbereitschaft des "international gut aufgestellten Unternehmens", wie Freudenberg sagt, sei ausgesprochen groß. Das Herzstück sei die "internationale Vernetzung". Die sei auch wichtig, um die immer stärker werdenden Lieferkettenengpässe zu durchbrechen, um den Lieferfluss wieder in Gang zu bringen.

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