zum Hauptinhalt
"Das hier ist noch nicht das Ende", sagt Christian (rechts) vom Syndikat.

© Madlen Haarbach

Update

„Wir geben nicht auf": Räumungsprozess gegen Neuköllner Kiezkneipe „Syndikat" gestartet

Am Dienstag fand die Verhandlung um die angedrohte Räumung der Neuköllner Kneipe "Syndikat" statt. Das Urteil soll erst im November verkündet werden.

Rund 100 Menschen haben sich am Dienstag vor dem Berliner Landgericht am Tegeler Weg versammelt. „Die Kneipen denen, die drin saufen!" rufen sie im Chor, auf ihren Bannern fordern sie: „Syndikat bleibt!" Am Mittag fand hier die Verhandlung rund um die Räumungsklage der Immobilieneigentümerin „Firman Properties" gegen die Kiezkneipe „Syndikat" statt. Das Urteil stand am Nachmittag noch aus.

Die „Firman Properties" hatte der Neuköllner Kneipe im September 2018 nach 33 Jahren den Mietvertrag gekündigt, zum Jahresende sollten die Räumlichkeiten in der Weisestraße geräumt werden. Das Kneipenkollektiv verweigerte die Schlüsselübergabe - und betreibt das „Syndikat" seither einfach weiter.

Der größte Saal im historischen Gerichtsgebäude reicht nicht aus, als die Gerichtsverhandlung beginnt. Drinnen sitzen die Unterstützer zum Teil auf dem Fußboden, viele weitere warten draußen vor der Tür. Die letzte Reihe wird von mehreren Polizeibeamten in voller Montur belegt, aus Sicherheitsgründen, wie die Richterin betont. Störaktionen aus dem Publikum sollen so verhindert werden.

[330.000 Leute, 1 Newsletter: Die Autorin dieses Textes, Madlen Haarbach, schreibt den Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Neukölln. Den gibt es hier: leute.tagesspiegel.de]

Die Anwälte der „Firman Properties" hatten zuvor sogar gefordert, die Anhörung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen. Dabei verwiesen sie auf mehrere geplante „Aktionen" in und vor den Geschäftsräumen der „Pears Global Real Estate", zu denen auch die „Firman Properties" gehört. Störungen seien - auch durch Polizeipräsenz im Saal - allerdings nicht zu erwarten, so die Richterin.

Im Vorfeld hatte das Kneipenkollektiv beklagt, dass die Sicherheitsmaßnahmen an einen „Terrorprozess" erinnern würden. Einen Teil dieser Auflagen erließ das Gericht kurz vor Sitzungsbeginn jedoch.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Bei der „Pears Globale Real Estate" handelt es sich um ein Unternehmen der britischen Milliardärsfamilie Pears - der nach Tagesspiegel-Recherchen mindestens 3.000 Wohnungen in Berlin gehören sollen. Ihren Immobilienbesitz verschleiert die Pears-Gruppe in unzähligen Briefkastenfirmen, „Firman Properties" ist eine davon. Auf die Pears war zunächst das Kneipenkollektiv des Syndikats selbst gestoßen, als sie nach der Kündigung die „Firman Properties" nicht erreichte - und an deren Geschäftsadresse in Luxemburg lediglich einen Briefkasten mit 75 weiteren Namen vorfand.

Existiert die Eigentümerfirma überhaupt?

Auf diese Entdeckung stützt sich auch ein Teil der Strategie der Anwälte des „Syndikats": Sie bestreiten, dass die Klage zulässig ist - denn es sei nicht klar, ob die „Firman Properties" überhaupt existiert. Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei nicht eindeutig, ob das Unternehmen vor Gericht angemessen vertreten sei. Statt Gesellschaftern waren lediglich zwei Anwälte vor Ort. Ihre Klientin wolle sich „diesem hier nicht aussetzen", argumentiert eine Anwältin und deutet eine Kopfbewegung in Richtung Publikum an.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Anwälte des „Syndikats" argumentieren wiederum, dass ein Briefkasten noch kein Unternehmen sei. Zudem sei unklar, ob der lediglich in französisch vorliegende Handelsregisterauszug aus Luxemburg ausreiche. Dies könnte nur ein Gutachten über die luxemburgische Rechtsprechung klären. Ob das Gericht dieses einholen wird, war bislang unklar. Zunächst ließ die vorsitzende Richterin die Klage sowie die Klägeranwälte zu - wenn auch „gegebenenfalls vorläufig".

Einen Antrag, den Gewerbemietvertrag des „Syndikats" unter den selben Schutz wie Wohnräume zu stellen, erklärte die Richterin als juristisch nicht zulässig. Auf ihren Vermittlungsversuch, die Frist für die Durchsetzung einer möglichen Räumung um mehrere Monate zu verschieben, gingen widerum die Anwälte der „Firman Properties" nicht ein. Diese bestritten auch, dass das Kneipenkollektiv einen ernsthaften Versuch unternommen habe, andere Räume zu finden. Zu der Frage des Kollektivs, warum die Eigentümerin sich derart gegen die Fortsetzung des Mietverhältnisses wehre, wollten sich die Anwälte des Unternehmens nicht äußern.

Das Urteil soll am 26. November verkündet werden. Das Kneipenkollektiv und die Unterstützer zeigen sich bereits jetzt kampfbereit. „Egal wie das Gericht entscheidet, das hier ist heute noch nicht vorbei", sagt Christian, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. „Wir geben nicht klein bei", betont er und kündigt bereits eine mögliche Revision an. Ein Umzug in einen anderen Kiez komme für das Kneipenkollektiv weiter nicht in Frage. „Wir würden sicherlich in Spandau oder auch Brandenburg Räume finden - aber wir sind ein Teil vom Schillerkiez und wollen nicht umgepflanzt werden."

Zur Startseite