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Das Fünf-Sterne-Hotel „Sofitel“ in Wilmersdorf ist bereits insolvent, andere große Häuser stehen Insidern zufolge kurz davor.

© imago/Florian Schuh

„Wir brauchen eine große Summe“: Kann eine Corona-Abgabe die Berliner Hotels retten?

Die Tourismusbranche leidet unter der Pandemie. Hotelmanager Michael Zehden schlägt dem Senat ein Hilfsprogramm vor. Dieser sieht noch viele offene Fragen.

Halbe Dinge macht Michael Zehden nicht. So war es schon in seiner zehnjährigen Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender bei Berlins Tourismus-Marketing-Gesellschaft Visit Berlin, als sich die Übernachtungszahlen in der Stadt verdoppelten. Und auch in der Pandemie denkt der Geschäftsführer mehrerer Hotels in Deutschland und Betreiber des West-Berliner Vier-Sterne-Hotels „Crown Plaza“ in großen Dimensionen.

Zehden will die gebeutelte Berliner Hotelbranche retten. Dafür hat er einen Plan und ist darüber bereits seit Wochen mit dem Regierenden Bürgermeister im Gespräch. „Wir brauchen eine große Summe“, sagt er. 700 Millionen Euro.

Die Lage für die Hotellerie ist ernst – und wird von Tag zu Tag bedrohlicher. Nach Monaten des Lockdowns, in denen touristische Übernachtungen verboten waren, steigen die Zahlen nur langsam wieder. Bei rund 30 Prozent liegt die aktuelle Auslastung, damit können die meisten Häuser nicht mal die laufenden Kosten decken. Wenn die Sommerferien bald enden, könnte die Lage noch dramatischer werden. Dazu kommt ein Preiskampf um die wenigen Gäste. Luxus-Zimmer sind für unter 100 Euro zu haben.

Die Krise trifft die ganze Branche, besonders aber die großen Häuser, die sonst auch Kongresse ausrichten und sich auf Geschäftsreisende und Besucher von Messen spezialisiert haben und derzeit Millionenverluste machen. Die bisherigen Corona-Hilfen für den Mittelstand von dreimal 50.000 Euro decken die Kosten nur kurzfristig. Das Fünf-Sterne-Hotel „Sofitel“ in Wilmersdorf ist bereits insolvent, andere große Häuser stehen Insidern zufolge kurz davor.

Zehden will genau das mit einem 700-Millionen-Euro-Rettungsschirm verhindern. Sein Plan sieht vor, dass das Land den Hotel- und Pension-Betreibern – abhängig von ihren Fixkosten und dem Rückgang ihres Umsatzes – Geld gibt. Aber nicht als Geschenk.

In seiner Rechnung geht Zehden von 0,7 Prozent Zinssatz und Bearbeitungsgebühr für das Land aus. Doch wie sollen die klammen Hotels das je wieder zurückzahlen? Hier kommt Zehdens eigentlicher Kniff.

Corona-Abgabe soll die Branche retten

„Mir schwebt eine Corona-Abgabe auf sämtliche Umsätze von drei Prozent vor“, sagt er. Bucht ein Gast also ein Zimmer für 100 Euro, zahlt er 103 Euro. Bestellt der Kunde ein Bier für 3,50 Euro an der Hotelbar kostet ihn das elf Cent mehr. Der Überschuss werde für die Tilgung der Kredite und Zinsen genutzt. Zehden geht davon aus, dass sich Hotelgäste solidarisch zeigen würden und nicht wegen drei Prozent fernbleiben.

Michael Zehden, 58, ist Hotel-Unternehmer. Er schlägt ein Hilfsprogramm für Berliner Hotels vor.
Michael Zehden, 58, ist Hotel-Unternehmer. Er schlägt ein Hilfsprogramm für Berliner Hotels vor.

© promo

Überhaupt ist er optimistisch, dass die Übernachtungszahlen und damit auch die Umsätze bis 2023 wieder auf das Niveau von 2019 steigen. Für seinen Plan ist das elementar, denn je höher die Einnahmen, desto schneller könnten die Unternehmen die staatlichen Gelder zurückzahlen. In „sechs bis sieben Jahren“ soll die Schuld beglichen sein. Verknüpft mit dem Kredit könnte eine Verpflichtung für den Verzicht betriebsbedingter Kündigungen und eine Sicherung der Ausbildung werden.

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Ende Juni habe er seine Ideen an einen Brief an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) geschickt. Der habe die Idee „ernsthaft und mit Interesse“ aufgenommen. „Das ist im Interesse der ganzen Stadt. Die Automobilindustrie von Berlin ist die Hotelbranche.“ Gehe der wichtige Wirtschaftszweig in die Knie, würden die Arbeitslosen das Land noch viel mehr kosten.

Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, zeigt Interesse an dem Modell.
Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, zeigt Interesse an dem Modell.

© Britta Pedersen/dpa

Der Bedarf der Branche sei höher, aber er habe aus psychologischen Gründen nicht eine Milliarde fordern wollen. Klingt besser – Zehden setzt alles daran, dass seine Idee Erfolg hat. Auch deshalb hat er erst spät die Spitzen von Visit Berlin und Dehoga informiert, zur Wirtschaftsverwaltung hat er gar keinen Kontakt aufgenommen. „Das war eine Privatinitiative, damit nicht alles schon vorab zerredet wird“, sagt Zehden. Nun hält er den richtigen Moment für gekommen, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen.

„Das Modell ist interessant, wirft aber auch Fragen auf“

Die Senatskanzlei bestätigte am Freitag zwar einen Brief, wollte sich inhaltlich dazu aber nicht äußern. Eine Antwort an Zehden sei auf dem Weg. In der Wirtschaftsverwaltung sagte eine Sprecherin: „ Das vorgeschlagene Modell ist interessant, wirft aber auch Fragen auf, die wir gerne mit der Branche erörtern, auch ob dieser Weg von allen getragen wird.“

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Beim Branchenverband Dehoga reagiert man verhalten. „Der Brief ist ein weiterer Hilferuf“, sagt Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder. Er sei beinahe täglich im Gespräch mit der Landes- und Bundespolitik. „Die bisherigen Hilfen reichen nicht aus“, sagt er. Man spreche über Mietminderungen, Kredite, Zuschüsse und eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes. Den Vorschlag von Zehden will Lengfelder inhaltlich nicht kommentieren. „Hauptsache die Hilfe kommt.“

Das sieht auch der CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff so. „Ich finde den Vorschlag gut, es braucht noch weitere substanzielle Hilfen“, sagte er. Angesichts von rund 250.000 Beschäftigten im Gastgewerbe kritisierte Gräff den Senat für sein Zögern. „Ich glaube nicht, dass sich der Senat darüber bewusst ist, welche Gefahr von einem Niedergang der Branche ausgeht.“

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