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Winterdienst: Arbeitslose schippen Schnee für die BSR

1160 Arbeitslose unterstützen den BSR-Winterdienst. Viele melden sich schon im Herbst dafür – freiwillig. Manche verzichten in dieser Zeit auch auf die Hartz-IV-Leistungen.

Von Sandra Dassler

Um vier Uhr morgens aufstehen, ein heißer Kaffee, ein Kuss für Frau und Sohn, die noch im Tiefschlaf liegen – dann stapft Steven Thom in den eiskalten Berliner Morgen. Vor dem 22-Jährigen liegen knapp acht Stunden harte körperliche Arbeit, aber er ist glücklich. „Ich habe mich schon im Herbst angemeldet“, sagt er, „weil ich mich so auf die Arbeit beim Winterdienst und die Kollegen freue.“

Steven Thom gehört zu den insgesamt 1160 ALG-II–Empfängern, die derzeit die Berliner Stadtreinigung (BSR) beim Schneeräumen und Streuen unterstützen. „Viele von ihnen machen das schon jahrelang“, sagt Uwe Mählmann, Sprecher der Agenturen für Arbeit in Berlin.

Dabei lohnt es sich, rein finanziell gesehen, für viele nicht wirklich. 100 Euro dürfen Hartz-IV-Empfänger im Monat anrechnungsfrei dazu verdienen, vom weiteren Lohn – bis zu 800 Euro – würden sie nur 20 Prozent erhalten, sagt Mählmann: „Dazu kommen natürlich noch Fahr- und sonstige Werbungskosten.“

Nicht wenige verzichten aber während dieser Zeit ganz auf die Leistungen. Steven Thom zum Beispiel, der fünf Tage in der Woche mit Schaufel und Schiebeschild loszieht: „Es ist so ein gutes Gefühl, wenn man nicht auf Hartz IV angewiesen ist“, sagt er: „Auch wenn ich nach der Schicht fertig bin und abends mit meinem dreijährigen Sohn schlafen gehe.“

Etwas mehr als 50 Euro bekommt Steven Thom pro Tag. Auch die anderen vom Jobcenter Vermittelten kämen freiwillig, erzählt er: „Es ist schön, etwas Sinnvolles für die Stadt und andere Menschen zu tun.“ Arbeitsamts-Sprecher Mählmann bestätigt das. Nur wenn die Zahl der von der BSR angeforderten Kräfte nicht zusammenkomme, übten die Jobcenter auch schon mal „sanften Druck“ aus: „Man kann als Jobvermittler ja durchaus einen jungen Mann von der Sinnhaftigkeit des Winterdiensteinsatzes zu überzeugen versuchen“, sagt Mählmann: „Schließlich sind ALG-II–Empfänger verpflichtet, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen.“

Das heißt auch, dass man Leistungen kürzen kann, wenn jemand partout keine Lust auf Beschäftigung hat. Eine Art Zwangsverpflichtung bringt aber gerade bei den Winterdienstjobs nicht viel. „Wir merken schnell, wenn jemand nicht arbeiten will“, sagt Holger Goldbach. Er leitet eines der fünf BSR-Regionalzentren, das für Lichtenberg, Pankow und Marzahn-Hellersdorf zuständig ist: „Wer zur Vorstellung schon völlig derangiert und mit einer Alkoholfahne kommt, den nehmen wir nicht. Und wer zweimal nicht antritt, wird sicher nicht mehr angerufen. Aber das ist eher die Ausnahme.“

Die meisten Leute, die das Jobcenter schickt, sind sehr motiviert, erzählt Goldbach. Sie räumen Straßenkreuzungen, Überwege, Gullys. Dabei sind sie stets mit fest angestellten BSR-Mitarbeitern unterwegs. Probleme gibt es selten, sagt Goldbach. Und manchmal führt so ein Winterdienstjob auch zu anderen Zuverdienstmöglichkeiten: „Bei der Fußball-WM 2006 haben wir beispielsweise viele Arbeitslose, die wir vom Winterdienst als zuverlässig und engagiert kannten, wieder geholt“, sagt Goldbach.

Auch Steven Thom war damals dabei. „Das war toll“, schwärmt er. Sein Traum ist aber etwas anderes: eine Festanstellung bei der BSR. Am liebsten als Kraftfahrer. 

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