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© ddp

Wiedereröffnung: Lange Schlangen vor dem Neuen Museum

Wer die Nofretete in ihrer neuen alten Heimat bewundern will, muss erst einmal leiden: Das Wetter am Eröffnungstag des Neuen Museums ist nasskalt, der Besucherandrang enorm - die Länge der Warteschlange auch.

Als Vera Vogel-Lamprecht von ihren Kindern gefragt wurde, was sie sich zu ihrem 84. Geburtstag wünsche, antwortete die Wilmersdorferin ohne lange nachzudenken: "Ich möchte am ersten Tag der Eröffnung ins Neue Museum gehen und die Nofretete wiedersehen." Denn die kennt die begeisterte Museumsgängerin schon aus den Dreißiger Jahren, als die berühmte Büste auf der Museumsinsel im Ägyptischen Museum zu Hause war. Und so wartet Vogel-Lamprecht gemeinsam mit ihren Kindern und Schwiegerkindern an diesem Samstagmorgen um kurz nach zehn geduldig am Ende der langen Schlange, die sich auf der Bodestraße bis Hinter dem Gießhaus gebildet hat. Oft müssen die Wartenden hier allerdings großen Reisebussen ausweichen, woraufhin die Polizei das Ende der Menschenschlange in Richtung Lustgarten verlegt – dort ist genug Platz und kein Busverkehr.

Rund zweihundert Meter weiter hat der erste Einlass in das vom englischen Architekten David Chipperfield restaurierte Museum gerade begonnen – ein historischer Moment, da sind sich die gespannten Besucher einig: "Wir kennen das Neue Museum zwar schon vom Tag des offenen Denkmals. Aber nun, wo es bestückt ist, wirkt es bestimmt noch mal so toll", sagt Ramona Forchert aus Pankow.

Neben ihr haben einige Männer vom Verein "Restaurator im Handwerk" einen Informationsstand aufgebaut. Auch für Stuckateurmeister Sebastian Rost aus Pankow und Tischlermeister Dirk Meier aus der Nähe von Magdeburg ist heute ein großer Tag: Rost hat zwei, Meier drei Jahre an der Restaurierung des nach 70 Jahren wieder eröffneten Museums mitgewirkt. Während Rost und seine 15 Mitarbeiter für die Stuckarbeiten zuständig waren und sich dabei unter anderem Techniken im Umgang mit dem Material Marble-Cement (Marmor-Zement) aus dem 19. Jahrhundert aneignen mussten, war Meier mit seinen 20 Mitarbeitern für die Restaurierung der alten Türen verantwortlich. "Das Konzept, die alten Kriegswunden des Gebäudes nicht zu schließen, sondern sichtbar zu machen, funktioniert sehr gut", sagt Rost. "Das Ergebnis ist beeindruckend."
 
Stille Andacht vor der Nofretete

Dass Chipperfield die Symbiose von Alt und Neu in dem jahrzehntelang als Kriegsruine halb vergessenen Gebäude gelungen ist, davon sind die meisten der Besucher, die es nach rund einstündiger Wartezeit endlich ins Museum geschafft haben, überzeugt: "Unbeschreiblich", "wunderbar", "eine echte Bereicherung" sind nur einige der Ausdrücke der Begeisterung, die auf den ersten Seiten des fast noch jungfräulichen großen Gästebuchs im dritten Stock des Museums zu lesen sind.

So voll, wie mancher draußen befürchtet hat, ist es hier glücklicherweise gar nicht - dank der Entscheidung der Verantwortlichen, an diesem ersten Wochenende mit freiem Eintritt nur maximal 1250 Besuchern zugleich Einlass zu gewähren. Selbst im Nordkuppelsaal, wo in einem warmen, dunkelgrünen Licht die über 3300 Jahre alte Büste der Nofretete steht, ist die Menge überschaubar.

Still ist es hier. Andächtig stehen die Besucher vor dem berühmten Antlitz der ägyptischen Königin beinah wie vor einer Göttin. "Majestät ist wieder auf ihrem Thron. Fast möchte man sich verneigen", sagt Jens Fischwasser leise. Seit zwanzig Jahren wartet der 33-jährige Tempelhofer auf diesen Tag: "Mich freut es, wenn historische Gebäude durch kluge Restaurierung zu sich zurückzufinden", sagt Fischwasser. Chipperfields Konzept gefalle ihm sehr, nur für die neue Heimat der Nofretete hätte er sich lieber einen komplett restaurierten Saal gewünscht.

Zeit spielt keine große Rolle mehr
 
Im Raum nebenan hegt der anderthalbjährige Leander aus Prenzlauer Berg ganz andere Gedanken: Er schaut mit großen Augen auf ein rund 30 Zentimeter über dem Boden präsentiertes großes Fragment eines Palastfußbodens, das Vögel und Gräser zeigt. "Die vielen Tiere hier in der Ägyptischen Abteilung sind für Leander wie ein großes Bilderbuch", sagt Vater Thomas Wolf aus Prenzlauer Berg lachend und läuft schnell seinem Sohn hinterher, der sich zum nächsten Exponat aufgemacht hat. Leanders zweijährige Schwester Mailin hingegen lässt sich lieber von der Mutter im museumseigenen Kinderwagen gemächlich durch die Ausstellung schieben.

Einmal drin im Museum, spielt Zeit keine so große Rolle mehr. So scheinen die meisten Besucher zu denken: Erst 223 von ihnen haben das Museum nach zwei Stunden wieder verlassen, tausende warten noch draußen. Doch die Stimmung am Ende der Schlange, die mittlerweile weit in den Lustgarten reicht, ist ungebrochen gut. "Wir sind frohen Mutes und guten Fußes", sagt Joachim Schügen. Zu Hause möchte der Düsseldorfer erzählen können: "Ich bin dabei gewesen."

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