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Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (l) und Kultursenator Klaus Lederer am Montag in der Baustelle der Staatsoper Unter den Linden.

© Jörg Carstensen/dpa

Wiedereröffnung der Staatsoper: Im Oktober geht's los - in Etappen

Erst öffnen, dann wieder schließen: Die Lindenoper wird am 3. Oktober mit Schumanns "Faust-Szenen" wieder in Betrieb genommen. Noch teurer als 200 Millionen Euro soll es für Berlin nicht werden.

Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder! Die Auftrittsarie der Elisabeth aus Wagners „Tannhäuser“ drängt sich dem Besucher förmlich auf die Lippen, wenn er an diesem Montagmorgen die Lindenoper betritt. Ja, sehr teuer ist dieser „geliebte Raum“ geworden, um weiter mit Wagner zu sprechen. Und lange schon ist es her, dass die Künstler und Techniker „aus ihm geschieden“ sind. Im Sommer 2010 übersiedelten sie aus Mitte nach Charlottenburg. Am 3. Oktober wird sich nun endlich der Vorhang im Stammhaus wieder heben – und zwar für eine szenische Produktion und nicht nur für ein Konzert, wie zuletzt vermutet worden war.
Gleich fünf Offizielle haben für die Pressekonferenz zum Wochenstart im Intendanzgebäude Platz genommen: Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, ihre Dienstherrin Katrin Lompscher, zuständig für Stadtentwicklung und Wohnen, außerdem Kultursenator Klaus Lederer, der aktuelle Intendant Jürgen Flimm sowie sein designierter Nachfolger Matthias Schulz – den die Pressesprecherin der Bauverwaltung zum Gaudium der sehr zahlreich versammelten Medienvertreter als „Martin Schulz“ vorstellt.

Der Teufel nistet gern in Altbauwänden, sagt Intendant Flimm zur Bauverzögerung

Dem frohen Anlass der nahenden Wiedereröffnung angemessen, herrscht im Saal überhaupt eine freudig gespannte Atmosphäre, die vor allem Jürgen Flimm mit allerlei Dönekes anzuheizen weiß, wenn er von Teufeln erzählt, die bekanntermaßen in Altbauwänden nisten und gerne zur Unzeit ihre Fratzen zeigen. Oder vom „Fatum“, das in Wahrheit an dem ganzen Zeitverzögerungs- und Kostenexplosions-Chaos Schuld sei, weil ja das Unterfangen der Generalsanierung durchaus an die Dimensionen von griechischen Tragödien heranreiche. Willkommen in Spreeathen.

Blick vom 3. Rang der Lindenoper, mit den berühmten Akustikgittern aus Keramik. Die Technik dahinter soll den Nachhall von 1,1 auf 1,6 Sekunden verlängern.
Blick vom 3. Rang der Lindenoper, mit den berühmten Akustikgittern aus Keramik. Die Technik dahinter soll den Nachhall von 1,1 auf 1,6 Sekunden verlängern.

© dpa/Jörg Carstensen

Nachdem die Bauverwaltung mit Hinweis auf interne Abstimmungsprozesse wochenlang gemauert hatte, steht der Fahrplan zur Rückeroberung der Lindenoper durch die Musen nun endgültig fest. Und der sieht so aus: Mitte Juli ist Schluss im Ausweichquartier des Schillertheaters, dann wird dort alles an Technik abmontiert was transportabel ist, zum Beispiel 2500 Scheinwerfer. Ab 1. August dürfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das neue alte Stammhaus betreten, um sich dort einzurichten, obwohl es sich offiziell noch um eine Baustelle handelt. Erst durch die bauaufsichtliche Gesamtabnahme Mitte September wird die Staatsoper offiziell zum Veranstaltungsort – in dem am Tag der Deutschen Einheit die erste Neuproduktion über die Bühne geht, inszeniert von Jürgen Flimm, dirigiert von Generalmusikdirektor Daniel Barenboim.

Zur Eröffnung werden ersatzweise Robert Schumanns "Faust-Szenen" gezeigt

Wolfgang Rihm war für dieses staatstragende Ereignis mit der Vertonung von Botho Strauß’ „Saul“ beauftragt worden, doch weil der Komponist erkrankte, wurde die Partitur nicht zeitig fertig. Eigentlich wollte es Flimm erst bei der Präsentation der Saison 2017/18 verraten, doch dann überholte der Intendant sich selbst: Statt „Saul“ sollen Robert Schumanns „Faust-Szenen“ erklingen.

Im Zuschauersaal der Berliner Staatsoper im Stammhaus Unter den Linden fehlen noch sämtliche Stühle.
Im Zuschauersaal der Berliner Staatsoper im Stammhaus Unter den Linden fehlen noch sämtliche Stühle.

© Jörg Carstensen/dpa

Zweimal wird die szenische Neuproduktion nur gezeigt, denn nach fünf Tagen gehen die Türen Unter den Linden schon wieder zu, bis zum 7. Dezember. Das sieht zwar nicht gut aus, doch seitens der Oper wollte man unbedingt das Symboldatum des 3. Oktober halten. Die erneute Schließzeit benötigt das Team, um die rund 20 Repertoirestücke an die neuen szenischen Gegebenheiten anzupassen. Das betrifft nicht nur jene Opern, die im Schillertheater herausgekommen sind, sondern sogar die bereits dorthin mitgebrachten Klassiker wie den „Barbier von Sevilla“ oder „Pelléas et Mélisande“ in Ruth Berghaus’ Regie – weil die Bühne ja durch die Sanierung größer geworden ist. 1330 Quadratmeter stehen künftig zur Verfügung, es gibt sieben Hubpodien, die einzeln bis zu neun Metern nach oben respektive nach unten bewegt werden können.
Am 7. Dezember, just zum 275. Geburtstag des ursprünglich von Friedrich dem Großen errichteten Musentempels, wird der Regelbetrieb starten, bis Jahresende versprich Flimm zwei weitere Premieren, außerdem sollen unter anderem „Die Meistersinger“ wieder aufgenommen werden. Und auch die Abonnementskonzerte der Staatskapelle sollen künftig im Stammhaus stattfinden.

Der Kronleuchter ist noch in dicke Plastikplanen gehüllt

Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder. Vom dritten Rang des Zuschauerraums aus betrachtet, sieht es hier noch sehr nach Baustelle aus. Überall ist Hämmern und Bohren zu hören, der Kronleuchter wird von dicken Plastikplanen verhüllt, kein einziger Stuhl ist montiert, den Wänden fehlen die Stoffbespannungen. Auf den Gesimsen aber glänzt und funkelt frisches Blattgold, darüber wölben sich jene Akustikgitter die das mit der Sanierung betraute Architekturbüro HG Merz entwickelt hat.
Zwischen den Wänden des Zuschauerraums und der um fünf Meter erhöhten Saaldecke nämlich wurde ein filigranes Netz aus glasfaserverstärkter Keramik eingefügt. Damit die Schallwellen in die neu geschaffene, 3000 Quadratmeter große Akustikgalerie durchdringen können. Dort sind – unsichtbar fürs Publikum – Reflektoren angebracht, die dafür sorgen werden, dass sich der Nachhall von unzureichenden 1,1 Sekunden auf zweckdienliche 1,6 Sekunden verlängert. Die Innovation wirkt durchaus elegant, weniger fremdkörperhaft als befürchtet in dem Rokoko-Ambiente, das originalgetreu nach den Entwürfen von Richard Paulick für den Nachkriegs-Wiederaufbau des Opernhauses wiederhergestellt wurden.

Generalmusikdirektor Daniel Barenboim wollte gerne, dass sich über die Sanierung die Akustik verbessert. Der Nachhallt soll jetzt von 1,1 auf 1,6 Sekunden verlängert worden sein.
Generalmusikdirektor Daniel Barenboim wollte gerne, dass sich über die Sanierung die Akustik verbessert. Der Nachhallt soll jetzt von 1,1 auf 1,6 Sekunden verlängert worden sein.

© Tim Brakemeier/dpa

Kleiner als in der Erinnerung wirkt der Saal bei der Begehung am Montag, intim, freundlich auch dank der frischen Wandfarbe im Farbton Elfenbein. Der Blick schweift über die Hufeisenform der Ränge, über die Decken-Rosette mit ihrem altvertrauten Zierrat – und tatsächlich steigt jetzt große Vorfreude auf. Nur noch 18 Wochen, bis hier wieder Opern erklingen!

Lederer: Die Mehrkosten sollen nicht auf die Besucher abgewälzt werden

Dich, teure Halle, grüß’ ich wieder. Kultursenator Lederer betont am Montag, dass die Mehrkosten der Generalsanierung keineswegs auf die Besucher abgewälzt werden sollen, die Ticketpreise der Staatsoper also weitgehend stabil bleiben. Und seine Kollegin von der Linken, Katrin Lompscher, betont, dass der Rahmen von 400 Millionen, der schon bei der letzten Terminverschiebung im Dezember 2014 avisiert worden war, wohl nicht gesprengt werden dürfte. Was für Berlin bedeutet, dass die Stadt für dieses Prestigeprojekt letztlich 200 Millionen berappen muss, statt der ursprünglichen geplanten 39 Millionen – da der Beitrag des Bundes von Anfang an auf 200 Millionen Euro gedeckelt war.
Wenn man ehrlich ist, muss man auf der Senatsseite weitere 200 Millionen Euro hinzu addieren: Seine Finanzierungszusage im Rahmen des Hauptstadtvertrags hatte der Bund nur unter der Bedingung gegeben, dass die Subventionen der Staatsoper um fast zehn Millionen Euro pro Jahr erhöht werden, die der Deutsche Oper um 5,5, Millionen Euro, die der Komischen Oper um vier, die des Staatsballetts um eine halbe Million Euro. Das war vor zehn Jahren.

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