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Seine Geschwister muss man nehmen wie sie sind - doch es gibt ein paar Strategien, die man im Umgang mit ihnen beherzigen kann.

© Daniela Jovanovska-Hristovska/iStock

Wie überstehen wir unsere Geschwister?: Die Bruder-Schwester-Überlebenstaktik

Ob wir sie lieben oder hassen: Seine Geschwister wird man nicht los. Die wichtigsten Tricks, die das Leben mit ihnen einfacher machen.

Brüder und Schwestern sitzen im selben Boot. Egal ob man selbst gerade noch mittendrin steckt – in der Zwangs-WG mit den eigenen Geschwistern oder schon erwachsen und ausgezogen ist. Unsere Brüder und Schwestern werden immer ein Teil unseres Lebens sein und damit auch auf ewig das Potenzial dazu haben, uns auf die Nerven zu gehen, uns zu verletzten, zu bevormunden oder auch uns neidisch werden zu lassen.

Jedes Geschwisterkind erinnert sich aus dem Stegreif heraus an ein Dutzend spannender, gemeiner, glücklicher, lustiger, trauriger und oftmals sogar mehr oder weniger traumatischer Geschichten – aus dem Zusammenleben mit den eigenen Brüdern und Schwestern. Zum Glück gibt es aber einige nützliche „Überlebenstricks“, wie man am besten lernt, damit umzugehen. Einige davon sollen an dieser Stelle geteilt werden. Eins schon mal vorweg: Alles rund um das Zusammenleben mit Geschwistern (einschließlich dieser Tipps) sollte man nicht ganz so ernst nehmen und frei nach dem Motto leben: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt“.

DIE SCHATZTRUHEN-STRATEGIE

Persönliches Eigentum? Nie gehört! Wir Geschwister kennen dieses Problem nur zu gut: unter Brüdern und Schwestern kursiert oft der Trugschluss, dass alles, egal wie privat es auch sein mag, doch irgendwie zum Allgemeingut zählt. Jetzt könnte man sich jedes Mal auf’s Neue darüber aufregen, dass die gierige Schwester oder der listige Bruder wieder was gemopst hat – viel effektiver ist es erfahrungsgemäß aber, sich intensiv auf den „Ernstfall“ vorzubereiten. Bedeutet im Klartext: Habe ich etwas gefunden oder bekommen, dass von nun an nur mir gehören soll, lasse ich es nicht mehr aus den Augen, beziehungsweise verstecke es besser als Piraten zehn Säcke Goldmünzen. Unbeobachtete Schokoladenhasen, Plätzchenboxen oder Spielzeuge sind wie Freiwild und werden entsprechend schnell vom Feind erbeutet. Zu beachten dabei: Kostbarkeiten niemals alle am gleichen Ort verstecken. Die Wahrscheinlichkeit für das Fortbestehen der persönlichen Vorräte wird durch unterschiedliche Aufbewahrungsorte deutlich erhöht.

SEI EINE NISCHENJÄGERIN ODER –JÄGER!

Es ist verlockend, sich für den gleichen Sport oder das gleiche Hobby wie die Schwester oder der Bruder zu entscheiden. Die friedlichste Variante ist es allerdings nicht. Sucht Euch lieber Euren ganz eigenen Bereich, in dem Ihr gut seid und in dem Ihr Erfolge feiern könnt. So habt Ihr dabei nicht im Hinterkopf, wie gut Eure Schwester oder Euer Bruder im gleichen Wettbewerb war oder in der gleichen Prüfung abgeschnitten hat. Man nennt das De-Identifikation, es bedeutet, dass sich jedes Geschwisterkind innerhalb der Familie seine eigene Nische sucht. So kommt man sich gegenseitig nicht so sehr in die Quere. Der Grund dafür: Abgrenzung verringert Konkurrenz. Wer erst gar nicht in derselben Disziplin wie die Geschwister antritt, dem fällt es unterm Strich auch leichter die Bewunderung und Aufmerksamkeit von Außenstehenden und Eltern zu ergattern.

DIE PERSÖNLICHE REISEPLANUNG

Urlaub mit der Familie kann schön sein, oft ist er aber auch ein Minenfeld, gespickt von unausgeschlafenen, gereizten, chronisch gelangweilten, überdrehten oder mit der Allgemeinsituation unzufriedenen Teilnehmer*innen – unterschiedlicher Altersgruppen. Die gute Nachricht ist: Es gibt Bücher, Filme, Comics und Musik. Und mit all diesen mentalen „Fluchtmöglichkeiten“ sollten wir uns vor jedem Urlaub mit Geschwistern massenhaft ausrüsten. Auch wenn es nur für den Notfall ist. Ich würde für meinen inneren Seelenfrieden, ohne zu zögern, sofort auf ein drittes Paar Schuhe oder vier Pullover verzichten, um bloß keinen Platz in meinem Koffer zu verschwenden. Bücher, Mp3-Player, Hörbücher, E-Bookreader, Tablets und alles, was mich sonst noch so ablenken kann und mir dabei hilft, in eine andere Welt abzudriften, sollte unbedingt auf den Urlaubspacklisten von Menschen mit Geschwistern stehen und sorgfältig abgehakt werden.

WIE DU MIR, SO ICH DIR

Ja richtig, diesen Spruch haben wir zwar alle schon oft gehört, wie wichtig er aber tatsächlich ist, unterschätzen wir dennoch häufig. Vor allem, wenn es um die Privatsphäre geht. Ein Thema, das für viele Geschwister paradoxerweise gerade durch Abwesenheit so omnipräsent wie kein anderes ist. Beispiel: Alle platzen ständig ins eigene Zimmer hinein. Klingt nach einem hoffnungslosen Fall, ist aber mit der richtigen Taktik auch in den Griff zu bekommen: Klingt simpel, aber wenn Du willst, dass Deine Privatsphäre respektiert wird, solltest Du das selbst auch bei anderen tun. Nicht nur weil es fair ist und selbstverständlich so gehandhabt werden sollte, sondern auch und vor allem, weil Du eine gute Argumentationsgrundlage brauchst, um Dich und Deine Forderungen im Streitfall zu untermauern. Wenn Du Dich selbst immer an die Privatsphärenregeln gehalten hast, kannst Du bei einem Verstoß selbstbewusst die Frage in den Raum werfen, „wann habe ich jemals DEINE Privatsphäre so rücksichtslos missachtet“? Falls du wirklich immer fair gespielt hast, könnten deine Geschwister dann theoretisch nur mit „niemals“ antworten. Mach dir jedoch nicht zu große Hoffnungen, das werden sie vermutlich niemals tatsächlich aussprechen, aber wenn sie genauer darüber nachdenken, wird ihnen vielleicht wenigstens im Nachhinein auffallen, dass Du dich – im Gegensatz zu ihnen – immer an die Regeln gehalten hast und das könnte ihnen mit etwas Glück eventuell doch zu denken geben.

SCHILDER UND SCHIEDSRICHTER

Wenn es trotz zahlreicher mündlicher Hinweise doch immer wieder vorkommt, dass Familienmitglieder nicht anklopfen oder ein lautes und deutliches „nein" auf die Frage, „kann ich hereinkommen“ entweder aus purer Absicht nicht akzeptieren oder ganz aus Versehen mit der etwas ähnlich klingenden Antwort „klar, komm doch bitte so schnell und stürmisch wie möglich in mein Zimmer geplatzt“ verwechseln — dann ist es angebracht, zu härteren Methoden zu greifen. Das könnten, zum Beispiel, einfach zu befolgende Signale an der Zimmertür sein, wie beispielsweise „Bitte nicht stören“ oder „Bitte sofort wieder umdrehen und sich nie wieder dieser Tür nähern, danke!“. Leider kommt es nur zu häufig vor, dass derartige Schilder an der Zimmertür von der Realität nicht bestätigt werden und trotzdem alle hereinplatzen – wann immer es ihnen passt. Die gute Nachricht ist dabei: Wir haben noch ein Ass im Ärmel, um diesen Kampf für uns zu entscheiden. Immerhin genießt man als Kind und Jugendlicher einen Vorteil, den man leider nur einen sehr geringen Teil seines Lebens hat. Die Rede ist von universell einsetzbaren Schiedsrichter*innen: Unseren Eltern! Im Erwachsenenleben wünscht man sich so oft einen neutralen Beobachter*in, der oder die, die Macht besitzt, auf Knopfdruck Gerechtigkeit herzustellen. Zum Beispiel jemanden, der dem dreisten Drängler in der Straßenbahn mal an den Ohren zieht und ihm klar macht, dass er gefälligst mit dem Schubsen aufhören sollte – genauso, wie es in Kindertagen die Eltern gemacht haben. Und manchmal müssen eben die Elternschiedsrichter ganz gezielt auf Verletzungen der Gemeinschaftsrechte sowie auf Privatsphärenverstöße hinweisen. Das hat in diesem Fall auch nichts mit petzen zu tun, sondern vielmehr mit dem Einfordern der eigenen Rechte. Nutzt es aus, solange Ihr noch könnt.

SPIEGLEIN, SPIEGLEIN

In manchen Situationen kann es außerdem helfen, in den „Wer nicht hören will, muss fühlen“-Modus umzuschalten. Haltet Euren Geschwistern den Spiegel vor, das hilft manchmal recht gut, um den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen. Wer ständig alle Grundregeln des Zusammenlebens verletzt und dieses Fehlverhalten nicht einsieht, dem muss vor Augen geführt werden, wie es sich anfühlt, wenn jemand einfach so ständig hereinplatzt oder sich auf andere Art unfair verhält. Versuche es zuerst mit Sätzen wie „Stell Dir vor, wie Du es finden würdest, wenn ich … machen würde“. Spiegelt ihnen also ihr Verhalten! Und falls das nicht hilft, dann ist es Zeit dafür, die Stufe zwei einzuläuten: Platze selbst zu jeder Gelegenheit in ihr Zimmer und rufe jedes Mal „Siehst du, genau so fühlt es sich an, wenn jemand einfach so reinplatzt“. Ziehe diese, ich nennen sie einmal „erweiterte Spiegelübung“, etwa ein bis drei Tage durch und versuche es dann nochmal ganz ruhig mit einem Gespräch und dem wiederholten Angebot: Wie du mir, so ich dir. Vielleicht einigt ihr euch ja auf diesem Wege darauf, von nun an beide damit aufzuhören und erreicht so im besten Fall sogar einen Waffenstillstand.

Die Autorin, das Buch und ihre Geschwister:

Katja Schwarz, 28 Jahre alt, hat mit Schwester Tina (31, links im Bild) und Bruder Tobias (23) viel Prägendes erlebt. Trotz tausdendfach gebrochener Zimmerregeln, geklauter Lieblingsklamotten und verpetzter Sünden ist ihre Beziehung über die Jahre nur noch inniger geworden. Über diese Erfahrung hat sie das sehr ironische Buch „How to survive mit Geschwistern“ geschrieben, erschienen bei Scharzkopf & Schwarzkopf (9,99 Euro). Der abgedruckte Text ist eine von der Autorin überarbeitete Kurzfassung daraus. Ihre persönliche Bilanz: „Das Tollste an unseren Geschwistern lernen wir erst im erwachsenen Alter zu schätzen. Davor ist die Anwesenheit von Bruder oder Schwester einfach viel zu selbstverständlich. Doch dann ist eine Geschwisterbeziehung wie ein Ass im Ärmel, das man jederzeit ziehen kann, sobald man den Halt im Leben verliert, Hilfe braucht oder einfach nur ein gemeinsames Geschenk für die Eltern sucht. In jedem Fall ist es eine Verbindung, die für immer bleibt.“

Katja Schwarz

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