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Weihnachtslieder singen leicht gemacht. Franziska Biermann und ihr Mann Nils Kacirek geben seit 14 Jahren Weihnachtsliederbücher heraus.

© Illustration: Franziska Biermann

Wie man im Advent in Stimmung kommt: Weihnachtslieder singen für Amateure

„Jingle Bells“ und „Last Christmas“ mit den Kindern singen? Ein Künstlerpaar hat traditionelle und moderne Weihnachtslieder neu arrangiert.

Wenn dann Heiligabend endlich alle unterm Weihnachtsbaum sitzen, mit einem zerfledderten Liederbuch in der Hand, stellt man fest, dass spätestens nach der ersten Strophe keiner mehr den Text beherrscht und dass die quäkende Blockflöte der Nichte nicht die perfekte Begleitung ist. Es reicht dann wieder mal nur für das immer gleiche, magere Repertoire: „Kling, Glöckchen, Klingeling“ und „Schneeflöckchen, Weißröckchen“.

Was schade ist, den eigentlich sind Weihnachtslieder für die meisten von uns mehr als die zwangsläufige Beschallung auf Weihnachtsmärkten und in den Kaufhäusern, wo uns eine überzuckerte Kinderchorversion von „Stille Nacht“ in die Flucht schlägt. Sie sind Kindheitserinnerung und für viele Menschen Kulturgut. Fast jeder von uns hat ein Lieblingslied, das ihn im Herzen rührt und das er auch noch nach dem dritten Glühwein über die Lippen bekommt.

Leider verläuft die Vorweihnachtszeit oft so hektisch, dass einem erst am 24. Dezember in der Kirche auffällt, wie wenig man dazu gekommen ist, seine Stimme für Weihnachten zu ölen und ein eigenes Repertoire aufzubauen. Das war genau der Grund, warum Franziska Biermann und Nils Kacirek vor 14 Jahren beschlossen, sich als Eltern dem Thema Weihnachtslieder zu stellen. Die Illustratorin und der Musiker bringen die besten Voraussetzungen dafür mit, sie gestaltet Kinderbücher, er arrangiert Filmmusik und spielt in einer Band.

"Kleine Kinder brauchen Rituale - Lieder gehören unbedingt dazu"

Als ihre eigenen Kinder im singfähigem Alter waren, haben sie überlegt, welche Traditionen sie aus der eigenen Familie kennen, welche davon sie mitnehmen, welche über Bord werfen wollen. „Kleine Kinder brauchen Rituale, da gehören Lieder unbedingt dazu“, sagt Biermann. „Wir haben es schon als Kinder sehr schön gefunden, eine Liedkultur zu haben, weil wir so ohne Strom Melodie und Text aus uns herausholen können, um damit Zeit zu verbringen.“ Weihnachtslieder gehören für die Hamburgerin dazu, auch wenn ihre Familie, wie so viele Menschen in der Großstadt, nicht unbedingt christlich lebt.

So fingen Biermann und Kacirek an, sich zu fragen, welche Weihnachtslieder sie mit ihren Kindern singen wollten – und vor allem, wie. „Mit zwei Leuten, wo die eine mit Bildern und der andere mit Musik beschäftigt ist, lag es auf der Hand, dass wir das selber machen“, sagt Biermann. Und zwar in Form eines Adventskalenders – für jeden Tag ein Lied und ein illustriertes Bild.

Musikalisches Paar. Franziska Biermann und Nils Kacirek.
Musikalisches Paar. Franziska Biermann und Nils Kacirek.

© promo

Das Buch und die CD „Am Weihnachtsbaume“ sind mittlerweile ein Klassiker für Menschen, die zusammen zeitgemäß Musik machen wollen. Dass etwas, das für ihre eigene Familie so gut funktioniert, auch bei anderen gut ankommt, hat Franziska Biermann überrascht. Es gibt wohl viele Familien, die genau wie ihre auch nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, aber trotzdem nicht von diesen Liedern lassen möchten.

Das erste Buch wurde auch ins Koreanische übersetzt

Inzwischen ist ihr erstes Liederbuch sogar ins Koreanische übersetzt worden. In diesem Oktober ist das zweite mit weiteren 24 Weihnachtsliedern erschienen. Sind im ersten vor allem Klassiker wie „O Tannenbaum“, „Lasst uns froh und munter sein“ und „O du fröhliche“, zu finden, hat sich das Paar im zweiten auch auf viele unbekanntere Lieder gestürzt, die das erste Buch wunderbar ergänzen.

Dieses Mal sind viele Lieblingslieder von Freunden und Bekannten dabei, wie zum Beispiel „Mele Kalikimaka“. „Das Lied aus Hawaii hat vor zwei Jahren meine beste Freundin angeschleppt, die hat das in ihrem Ukulelekurs als Weihnachtslied gespielt“, sagt Biermann. In der Weihnachtszeit trifft sich Familie Biermann mit Freunden und Kindern zum Singen und Plätzchen essen: „Jeder bringt mit, was er spielen kann und dann klimpern wir eine Runde rum.“

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Diese spielerische Art, mit dem Kulturgut „Weihnachtslied“ umzugehen, spiegelt sich auch in den Arrangements ihres Mannes wider. Zum Beispiel wechselte er für „Wenn Weihnachten ist“ die Tonart von Dur zu Moll – sehr zum Leidwesen von Franziska Biermanns Vater. Dieses Stück wird in ihrer Familie nämlich immer gesungen, und dabei laufen alle um den Tannenbaum herum. Die neue Version, die inzwischen auch schon zehn Jahre alt ist, hat zu einer riesigen Diskussion geführt. „Mein Vater ruft immer: Aber jetzt noch mal in Dur!“, erzählt Franziska Biermann.

"Jingle Bells" kindgerecht neu aufgelegt

Nicht nur die Melodien hat Niels Kacirek verändert und der Zeit angepasst, sondern auch die Texte entsprechend bearbeitet: „Das ist unbedingt wichtig, wenn man sich mit Traditionellem beschäftigt. Uns geht es ja nicht darum, einfach nur Bewahrer zu sein.“ Deshalb haben sie auch „Last Christmas“ ins zweite Buch aufgenommen.

Es ist die wahrscheinlich erste nicht schmalzige Version des Wham-Songs, in der er mühelos zu ertragen ist. Genauso wie der Höllensong „Jingle Bells“, den Kinder gleich noch mal hören wollen, weil das Lied im neuen Text um den Dackel der Tante geht, der dringend bei minus 40 Grad Gassi gehen will und dabei leider draußen festfriert.

[„Übermorgen kommt der Weihnachtsmann“, Carlsen Verlag, 20 Euro, der Adventskalender: www.instagram.com/eddimusik.de]

Von solchen Winterproblemen waren Franziska Biermann und Nils Kacirek viele Celsiusgrade entfernt, als sie die CD produziert haben. „Wir sind mit der Produktion noch in den Sommer reingekommen. Es wurden dann Weihnachtslieder in T-Shirt und kurzer Hose geschmettert, das war bizarr und lustig.“ Um die Sängerinnen und Sänger in die richtige Stimmung zu bringen, stellte Biermann einen Plastiktannenbaum auf. „Der steht auch jetzt wieder im Atelier, eine immerwährende Tanne, die ist wie ein modularer Regenschirm. Man spannt den auf und setzt die einzelnen Etagen der Tanne zusammen.“

Die Tochter schmettert mit 18 schon wieder mit

„Übermorgen kommt der Weihnachtsmann“ soll ihr letztes Liederbuch sein. Ihre Kinder sind jetzt groß. Die Tochter schmettert mit 18 schon wieder begeistert auf den Mitmachkonzerten mit, die sie in Hamburg geben werden, der zwölfjährige Sohn möchte da lieber im Hintergrund bleiben. Dafür hat Franziska Biermann vollstes Verständnis. „Was man da hört, hat eine große Authentizität, und die hat mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu tun.“ Das gilt auch für sie selbst: „Wir haben jetzt 110 traditionelle Kinder- und Weihnachtslieder bearbeitet und finden, das es reicht.“ Deswegen hat das Paar als Ausstand die ganze Produktion dokumentiert. Ab dem 1. Dezember wird es einen Instagram-Adventskalender geben. Da kann man sich jeden Tag ein Lied anhören und das entsprechende Making Of anschauen. Und Franziska Biermann weiß ja auch, dass ihre Bücher noch ein bisschen gebraucht werden: „Das Tolle ist, dass die jedes Jahr wieder auf den Tisch kommen.“

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