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Ein Graffiti für bezahlbare Mieten am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. Im Skandal um die „Diese eG“ spielt auch dieses Thema eine gewichtige Rolle. (Symbolbild)

© Jens Kalaene/dpa

Update

„Wie ein Miethai“: Nachforderungen und zweifelhafte Mieterhöhungen bei der Diese eG?

Der CDU-Obmann des Untersuchungsausschusses rund um die Geschäfte der Genossenschaft erhebt schwere Vorwürfe. Die Diese eG äußert sich nicht.

Riskante Geschäfte, mutmaßliche Verstöße gegen Förderrichtlinien und geheime Vereinbarungen mit einem einzelnen privilegierten Genossen – die Affäre um die Genossenschaft Diese eG erinnert an einen Polit-Thriller.

Die schwierige finanzielle Lage der Genossenschaft, die fünf Häuser in Friedrichshain-Kreuzberg durch das Vorkaufsrecht erwarb, könnte nun zu höheren Mieten für die Bewohner führen, sagte CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Stefan Evers, und erhebt schwere Vorwürfe.

Die Diese eG würde bei ihren Mietern „mindestens bis an die Grenzen des gesetzlich Zulässigen" gehen, „wie ein Miethai es nicht besser könnte", sagt Evers im Untersuchungsausschuss am Dienstag.

Nach seiner Kenntnis forderte die Diese eG nach dem Scheitern des nichtigen Mietendeckels die Differenz zur vorherigen Miete nach – „das verlangt nicht mal der Vonovia-Konzern von seinen Mietern“. Das bestätigte eine Zeugin und Mitbegründerin der Diese eG in dem Ausschuss, Cindy Lautenbach.

Lautenbach sagte an diesem Dienstag zur letzten öffentlichen Sitzung des "4. Untersuchungsausschuss Diese eG" im Abgeordnetenhaus aus, ebenso wie Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Befragt wurden sie zur prekären Finanzkonstruktion der neu gegründeten Diese eG.

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Dass nicht mal eine Zusage des Senats für die Förderung von Genossenschaften vorlag, als Baustadtrat Florian Schmidt das Vorkaufsrecht zugunsten der Diese eG ausübte, daran konnte sich Cindy Lautenbach „nicht erinnern“. Dabei soll sie als Aufsichtsratsmitglied die Finanzen der Diese eG kontrollieren. Auch zur Höhe und wiederholten Erhöhungen der Mieten, von denen Evers berichtete, sagte sie wenig.

Sie selbst habe so wenig Miete bezahlt, dass diese nicht gesenkt werden musste, als der vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippte Mietendeckel zeitweilig in Kraft war. „Wir sind alle sehr glücklich mit dem Modell“, sagte sie. Und dass sie nun keine Angst vor dem Verlust der Wohnung haben müsse. Würde sie das Modell Diese eG aber auch anderen empfehlen? „Nein“.

Landesbank stellte "Fehlbetrag" bei drei Häusern fest

Wie berichtet stand die Diese eG nach Angaben von Mitgliedern des für die öffentlichen Förderungen zuständigen "Bewilligungsausschusses" vor der Insolvenz und war deshalb auf großzügige Zugeständnisse des politisch zuständigen Wohnen-Senators Sebastian Scheel (Linke) angewiesen.

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Dazu zählte beispielsweise auch, dass der Senat Förderungen von rund 22 Millionen Euro gewährte, obwohl die Voraussetzungen dafür zunächst nicht vorhanden waren: Die Diese eG verfügte nicht über das dazu erforderliche eigene Kapital in Höhe von gut vier Millionen Euro auf ihren Konten.

Dass Geld auf den Konten fehlte, könnte ein Grund dafür sein, dass die Genossenschaft jeden Euro mehr Miete dringend benötigt. Die landeseigene Förderbank IBB jedenfalls stellte nach Informationen des Tagesspiegel Ende 2019 bei drei Häusern der Diese eG einen "Fehlbetrag" zwischen 15 Cent und 5,85 Euro je Quadratmeter und Monat fest.

Mieter sollen zu "freiwilligen Mieterhöhungen" motoviert worden sein

„Nach meiner Einschätzung muss die Diese eG mit maximalen Mieterhöhungen kalkulieren, um wirtschaftlich zu überleben", sagt Evers. Darüber hinaus seien Mieter zu „freiwilligen“ Mieterhöhungen motiviert worden. Dies bestätigte die Aufsichtsrätin der Diese eG, sagte aber dass es auch in anderen Fällen üblich sei sogar bei landeseigenen Unternehmen.

Aus Mietergesprächen wisse er, so Evers weiter, dass Bewohner nach dem Wechsel in die Diese eG teilweise 50 Prozent mehr Miete gezahlt hätten, als zuvor. Zwar waren die Mieten dem Vernehmen nach sehr günstig, eine solche Mieterhöhung wäre für normale Vermieter allerdings gar nicht erlaubt. Die Diese eG äußerte sich nicht zu den Vorwürfen: "Wir sehen davon ab Pressefragen vor Beendigung des PUA (Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Anm. der Redaktion) zu beantworten."

Mieter schlechter gestellt als bei Landesfirmen?

Träfen die Vorwürfe zu, wären die Mitglieder der Genossenschaft Diese eG schlechter gestellt als die Mieter landeseigener Wohnungsunternehmen. Denn die Landesfirmen verzichten freiwillig auf einen Teil ihres Mieterhöhungsspielraums, weil der Senat sie dazu drängte. Der Senat würde der Diese eG also trotz großzügiger Förderung für alle ihre Objekte nicht die Auflage erteilen, generell keine höheren Mieten zu verlangen..

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Zum Eklat kam es nach dieser letzten öffentlichen Sitzung des 4. Untersuchungsausschusses zur Affäre um die Diese eG nicht. Wohl aber zu scharfen wechselseitigen Attacken der Vertreter von Koalition und Opposition. „Der Mantel des Schweigens wurde über grünen Baufilz ausgebreitet“, sagte Bernd Schlömer von der FDP über die hochsubventionierte Genossenschaft. „Hätte die Staatsanwaltschaft die Akten einsehen können, dann wäre sie zu einem anderen Ergebnis gekommen“ – dann hätten die Strafverfolger die Ermittlungen zur mutmaßlichen Insolvenzverschleppung nicht eingestellt, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers.

Grüne: Kein Verstoß gegen Strafrecht

Grünen-Obmann Andreas Otto konterte: „Es wurde nicht gegen Strafgesetze verstoßen“. Und Michail Nelken (Linke) blies zum Gegenangriff auf Evers: „Sie wollen nicht, dass den Immobilien-Verwertern das Geschäft versaut wird“. Deshalb sei die CDU dagegen, dass Mieter ihr Geschick in die eigene Hand nehmen und die Koalition dabei helfe durch die Förderung von Genossenschaften.

Liegen die Dinge so einfach? Nach der Anhörung von Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) sagte Schlömer: „Sie hat wie alle Senatoren vor ihr gesagt, sie habe nichts mit der Diese eG zu tun gehabt“. Sie habe „nichts gesehen, nichts gewusst und nichts gehört“ - bis der Bezirk das Vorkaufsrecht ausgeübt hatte zugunsten der Diese eG, die für eine solche Investition nicht über die nötige Finanzkraft verfügte. Es sei eine „einsame Entscheidung von Baustadtrat Florian Schmidt“.

Leidtragende einer Pleite wären zuerst die Mieter

Tatsächlich hatten sich zuvor schon Innensenator Andreas Geisel sowie Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) von dem waghalsigen Geschäft distanziert und wie dieses erzwungen worden war.

Aus guten Gründen, denn bekannt ist inzwischen auch: Dass der Ausschuss, der die 22 Millionen Euro des Landes zum Erwerb der Häuser bewilligte, offen die Insolvenz der Diese eG diskutierte. Diskutiert wurde im Ausschuss sogar möglicher „Subventionsbetrug“ - und drohende strafrechtliche Konsequenzen. Und dass die wackelige Finanzkonstruktion Diese eG letztlich dank politischer Eingriffe stehen blieb: Auf Anweisung der Senatsverwaltung für Wohnen wurden Sonderkonditionen für die Diese eG möglich.

Leidtragende einer Pleite der Diese eG wären zuallererst die Mieter und Mitglieder der Genossenschaft: Denn sie würden das Geld verlieren, das sie zum Kauf ihrer Anteile an der Genossenschaft eingesetzt haben – und ihre Wohnungen würden meistbietend verkauft, sagt Evers.

Das Geld für ihre Genossenschaftsanteile wäre verbraucht, wenn eingeräumt werden müsste, dass Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können.

Ein ganz besonderer Genosse

Nur ein einziger, ganz besonderer Genosse ist abgesichert: Thomas Bestgen. Der Unternehmer ließ sich, wie berichtet, vertraglich zusichern, dass der Gegenwert seines Anteils an der Diese eG im Grundbuch abgesichert wird. Er hätte damit sogar im Falle einer Pleite einen Anspruch gegenüber einem neuen Eigentümer. Bestgen ist aus Sicht von Bezirksbaustadtrat Schmidt mit seinen Bauvorhaben ein Vorzeigeunternehmer. Der Grünen-Politiker hatte den Vorkaufsdeal mit der Diese eG eingefädelt, nach dem die landeseigenen Wohnungsunternehmen die Übernahme der Häuser wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit abgelehnt hatten.

Theoretisch gilt Bestgens Anteilkauf für eine Summe von 1,2 Millionen Euro, die er laut Vertrag für 12.000 Anteile an der Diese eG überweisen müsste. Gezahlt hatte Bestgen zunächst aber nur 100 Euro für einen einzelnen Anteil.

Denn die Diese eG hatte diesen besonderen Genossen frei gestellt von der Zahlung der verbleibenden 11.999 Anteile in einer geheim gehaltenen Vereinbarung. Bestgen soll dem Vernehmen nach inzwischen weitere 500.000 Euro bezahlt haben. Er selbst wollte sich dazu nicht äußern. Er und sein Geld sind bestens abgesichert – als einziges Mitglied der Genossenschaft.

In einer früheren Fassung dieses Artikels haben wir berichtet, dass der CDU-Generalsekretär Stefan Evers die Einstellung der Ermittlungen gegen Diese eG wegen mutmaßlichem Subventionsbetrug kritisierte. Richtig ist, dass er dies in Bezug auf mutmaßliche Insolvenzverschleppung bzw. Beihilfe zur Insolvenzverschleppung tat. Wir haben den Artikel geändert. Die Redaktion.

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