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Rainer Schwarz, Hartmut Mehdorn, Klaus Wowereit, Matthias Platzeck, Wolfgang Tiefensee und Thomas Weyer beim Spatenstich.

© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Wie alte, weiße Männer den neuen Flughafen gebaut haben: Unsere Autorin ist genauso alt wie der BER – ein persönlicher Rückblick

Unsere Autorin ist mit den Pannen am BER aufgewachsen. Während Flughafen- und Technikchefs nichts außer Fehlern hinbekamen, ist sie erwachsen und kritisch geworden.

Als der Bau des neuen Berliner Hauptstadtflughafens BER am Standort Schönefeld beschlossen wurde, hat man mich gerade gezeugt. Vielleicht nicht auf den Tag, aber nehmen wir es mit den Daten an dieser Stelle einmal nicht so genau. Am 28. Mai 1996 beendet ein überraschend angesetztes Spitzengespräch den zu dem Zeitpunkt fünfjährigen Streit um den Standort eines neuen Flughafens.

Der offizielle Vertrag wurde erst knapp drei Jahre später aufgesetzt. Da konnte ich mit meinen knapp zwei Jahren immerhin schon toben und halbwegs sprechen. Damals setzten Franz Müntefering, Berlins damaliger Regierender Eberhard Diepgen und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe ihre Unterschrift auf das Papier, das das wohl peinlichste Großprojekt in der bundesdeutschen Geschichte besiegeln sollte.

Erstaunlich ist, mit welchem Selbstbewusstsein drei alte, weiße Männer – ja, sie waren damals schon alt – die Geschichte des Scheiterns einläuteten. Eigentlich sollte ich mir, als Kind dieser Zeit, ein Beispiel an den drei Herren nehmen.

Und an den 16 anderen Herren, die sich in den vergangenen 23 Jahren wahlweise mit den Titeln „Flughafenchef“, „Aufsichtsratschef“ und „Technikchef“ kürten, noch dazu.

Matthias Platzeck heißt einer von ihnen. Er war 2012 stellvertretender Aufsichtsratschef und sagte rund zwei Wochen vor der geplanten BER-Eröffnung noch, der Termin sei nicht in Gefahr. Dabei waren erste Mängel beim Brandschutz und bei den Abfertigungsanlagen bekannt geworden. Bloß keine Panik! Das nennt man Chuzpe, Hut ab!

Bis zu meinem Abitur platzten vier weitere Eröffnungstermine

Dieses Selbstbewusstsein hätte ich mir 2012 mit 15 Jahren auch gewünscht, als meine Gedanken darum kreisten, was wohl die Mitschüler über mich denken, und warum ich nicht so aussehe, wie all die dünnen und erfolgreichen Frauen, die man eben so auf dem Fernsehbildschirm vorgesetzt bekam.

Bis zu meinem Abitur (2015) platzen vier weitere Eröffnungstermine. In der Zwischenzeit hatte ich Theatergruppen geleitet, war Schülersprecherin gewesen (das half beim Selbstbewusstsein), Freunde fürs Leben gefunden, mich mit ihnen gestritten, unzählige Diäten ausprobiert, den ersten festen Freund kennengelernt und mich wieder von ihm getrennt. Die Banalität der Teenagerjahre.

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Als ich mein Abiturzeugnis in der Hand hielt, hieß es vom BER: „Nach der Pleite der Baufirma Imtech könnte sich die Eröffnung des BER weiter verzögern.“ Hätten der BER und ich uns damals getroffen, ich hätte sicher Verständnis für ihn gehabt.

Ich wollte hoch hinaus und hatte Angst, auf dem Land, ohne ordentliche Verkehrsanbindung zu versauern. Wie es um meine Zukunft stand, wusste ich auch nicht. Ich war jung, aber pleite. Also zog ich für ein schlecht bezahltes Praktikum von Bayern nach Berlin. Wohin auch sonst? Anfang 2016 war das.

Als man noch sagen konnte: „Die Bahn kommt, wenn der Flughafen kommt.“

Damals hieß es vom BER, dem Armen: „Ein neuer Rückschlag bei der Entrauchungsanlage beschert der Flughafengesellschaft viel Arbeit.“ Geplanter Eröffnungstermin damals: Oktober 2017. Geplante Kosten: 5,34 Milliarden Euro. So arm dran war er vielleicht doch nicht.

Heute habe ich ein Bachelorstudium hinter mir und bin ich Volontärin bei einer Tageszeitung in Berlin. Zum Glück bei einer, bei der die Leute, die nichts mit Medien machen, noch sagen: „Der Tagesspiegel, der ist noch ganz gut.“

Die Leute, die was mit Medien machen, warnen davor, wie unsicher die Zukunft der Branche ist. Sie trauern den guten, alten Zeiten hinterher, als Redakteure ihre Arbeitstage in schicken Cafés verstreichen ließen.

Den Zeiten, in denen sich der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, der irgendwann auch mal Flughafen-Chef war, noch den Satz „Die Bahn kommt, wenn der Flughafen kommt“ leisten konnte, ohne mit Häme übersät zu werden. Also ohne einen Shitstorm. Heute wünschten wir, das Bahnnetz wäre besser ausgebaut – denn fürs Fliegen sind wir mittlerweile zu woke.

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