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Die St.-Annen-Kirche in Dahlem war einer der Orte, an denen sich die Bekennende Kirche formierte.

©  Sabeth Stickforth

Widerstand im NS-Reich in Dahlem: St.-Annen-Kirche gedachte der "bekennenden Christen"

In der Dahlemer St.-Annen-Kirche wurde an Pfarrer Eberhard Röhricht und die "bekennenden Christen" erinnert. Sie hatten sich der NS-Diktatur widersetzt.

Am 19. Oktober vor 80 Jahren predigte in der Dahlemer St.-Annen-Kirche Pfarrer Eberhard Röhricht. Er predigte über Jesu Ausspruch: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Röhricht versuchte, seinen Zuhörern Mut zu machen. Wahrscheinlich predigte er auch gegen die eigene Angst an. Denn was er da sagte, dass man Gott vertrauen solle und ihn höher achten müsse als die weltlichen Mächte, dafür konnte ein Pfarrer 1934 verhaftet werden.

Die Mehrheit der Protestanten, die sogenannten „Deutschen Christen“, hatten sich bereitwillig den Nazis angeschlossen und die Auslegung des Evangeliums angepasst. Pfarrer der „Deutschen Christen“ halfen der Gestapo bei der Suche nach getauften Juden. Führerkult und Blut-und-Boden-Ideologie zogen in der Kirche ein. Das wollten die „bekennenden“ Protestanten nicht mitmachen. Im Mai 1934 hatten sie auf einer Synode in Wuppertal-Barmen theologisch begründet, warum Christen allein dem Wort Gottes verpflichtet seien. Das gefiel den Nazis nicht. „Bekennende“ Pfarrer und Bischöfe wurden verhaftet. Auf der Dahlemer Synode im Oktober 1934 sagten sich die „bekennenden Christen“ dennoch endgültig von den Deutschen Christen los.

An diesem Sonntag steigt Altbischof Wolfgang Huber auf die Kanzel der Annenkirche in der Königin-Luise-Straße. Auch er predigt über den Bibeltext „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“. Energisch, wie es die Zuhörer von ihm gewohnt sind, erinnert Huber an den Mut der „Mütter“ und „Väter“ vor 80 Jahren. Die Dahlemer Gemeinde blieb widerständig und hielt zu ihrem Pfarrer Martin Niemöller, auch nachdem dieser verhaftet worden war. Doch auch sie seien nicht frei von Selbstgerechtigkeit gewesen, sagt Huber. „Sich in Jesu Namen zu versammeln bedeutet immer, zur Umkehr zu rufen. Und zwar uns selbst, nicht die anderen.“

„Lebt euren Glauben und eure Nächstenliebe so, dass sie ansteckend ist“, gibt Huber den Dahlemern mit auf den Weg. „Lieber Gott, lass uns nicht zur geschlossenen Gesellschaft werden“, heißt es in der Fürbitte am Ende des Gottesdienstes. Hubers Aufforderung und die Fürbitte haben ihren „Sitz im Leben“, wie Theologen gerne sagen: An diesem Sonntagmorgen drängen sich in der kleinen Annenkirche fast ausschließlich grauhaarige Menschen, umwölkt vom Duft teurer Parfums. „Tolle Predigt“, raunen sie sich nachher beim Empfang mit Sekt und Häppchen zu.

Das findet auch Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Mitglied in der Dahlemer Kirchengemeinde. „Es darf kein antiquiertes, selbstgerechtes Gedenken geben“, sagt er, „wir müssen uns fragen, was aus den Erkenntnissen der Bekennenden Kirche für heute folgt.“ Darum soll es in auch einem Planspiel am späteren Nachmittag gehen. Für Steinbach ist die Frage entscheidend, wie sich die Kirche in der Flüchtlingsfrage verhält. Auch Huber hatte in seiner Predigt gefragt: „Ist unser Land Zuflucht für Bedrängte, in dem sie ihre Furcht hinter sich lassen können?“

Bei den „bekennenden“ Protestanten habe sich die Solidarität mit den jüdischen Nachbarn in Grenzen gehalten, sagt Andreas Nachama in seiner Rede am Nachmittag. Er ist der Direktor der Stiftung Topographie des Terrors. Nur einige wenige „bekennende“ Pfarrer hätten die Verfolgungen verurteilt, zum Beispiel die Breslauer Pfarrer. „Und siehe da, den Pfarrern passierte nichts“, sagt Nachama. „Das zeigt, was auch für andere möglich gewesen wäre.“ Claudia Keller

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