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Historischer Moment. Zur Ausstellung im Alliiertenmuseum gehört eine Videoinstallation.

© Foto: Rick Buckley

West-Berlin, relevantes Gebiet: Neue Ausstellung in Berlin ehrt das Viermächte-Abkommen

17 Monate dauerten die Verhandlungen um das Abkommen, das 1971 den Status von West-Berlin sicherte. Das Alliiertenmuseum widmet ihm eine Sonderausstellungen.

1970 war West-Berlin zum Spielball im Ost-West-Konflikt geworden: Der Transit zwischen der Stadt und der Bundesrepublik war von Willkür gekennzeichnet, Besuche im jeweils anderen Teil Berlins waren unmöglich, die Lebensfähigkeit West-Berlins stand in Frage.

Erst das Viermächte-Abkommen, das am 3. September 1971 unterzeichnet wurde, brachte Sicherheit und Erleichterungen. Der Transitverkehr wurde geregelt, Passierscheinstellen für West-Berliner eingerichtet, der Status von West-Berlin gesichert. Zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung widmet das Alliiertenmuseum in der Clayallee jetzt dem Abkommen eine neue Sonderausstellung.

Dem Vertrag gingen zähe Verhandlungen voraus, sie dauerten 17 Monate, um jedes Wort wurde gestritten. Soll es Westberlin oder West-Berlin heißen? Auf welches Areal bezieht sich der Vertrag überhaupt? Weil sich die USA, Frankreich, Großbritannien und die Sowjetunion nicht einigen konnten, wurde kurzerhand nur noch vom „betreffenden Gebiet“, auf Englisch „relevant area“, gesprochen.

So, erklärt Projektleiter Florian Weiß, sei der Name der Sonderschau zustande gekommen: „Berlin – City of Relevance“.

Als der Vertrag im Herbst 1971 in Kraft trat, stürmte Uschi Brüning gerade die Hitparade der DDR. Während in Ost-Berlin ihr Lied „Komm, komm doch zu mir ehe der Tag ein Ende findet“ gesungen wurde, war in West-Berlin Glamrock angesagt: Die britische Band „The Sweet“ lag mit ihrem Song „Co-Co“ auf Platz eins der bundesdeutschen Popcharts. Auch dieser Song scheint die damalige deutsch-deutsche Wirklichkeit wiederzuspiegeln: „He danced in a ring of fire / That circled the island shore“.

Höhepunkt der Ausstellung ist die Videoinstallation „The Ambassador“

Beide Platten sind Teil der Ausstellung geworden, denn Kurator und Künstler Rick Buckley will nicht nur die historischen Dimensionen des Vertrages vermitteln, sondern die Besucher auch in die damalige Zeit mitnehmen. „Für mich ist es wichtig, dass der Betrachter nicht passiv ist, er muss mitdenken“, sagte der Brite, der seit 13 Jahren in Berlin lebt, beim Presserundgang am Mittwoch. „Ich gebe einen offenen Rahmen vor.“

Damit geht das Alliiertenmuseum einen neuen Weg der Präsentation. „Es ist ein Kunstwerk, es geht um Interpretation“, sagt Museumsdirektor Jürgen Lillteicher. Neben den historischen Fakten „gibt es einen künstlerischen Kontext, das fand ich sehr gangbar“.

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Der Höhepunkt der Ausstellung ist die Videoinstallation „The Ambassador“. Inspiriert von den Original-Verhandlungstischen, sie lagern im Fundus des Alliiertenmuseums, stellte Rick Buckley die Verhandlungssituation am historischen Ort im ehemaligen Gebäude des Alliierten Kontrollrats am Kleistpark, heute ist es das Kammergericht, nach.

[„Berlin – City of Relevance“, bis 27. Februar 2022, Alliiertenmuseum, Clayallee 135, www.alliiertenmuseum.de]

Aus der Filmstadt Babelsberg lieh er sich Requisiten, vom Museum kamen die Tische, die Rolle des britischen Botschafters Sir Roger Jackling nimmt Schauspieler Paul Frielinghaus ein. Es wird in dem knapp siebenminütigen Video nicht geredet – man sieht den Botschafter die Steinstufen vor dem Haus erklimmen, er sitzt am Verhandlungstisch, sein Gesicht in Großaufnahme, eine Uhr tickt laut. Er zieht die Brauen hoch, verdreht leicht die Augen, ein Mundwinkel scheint spöttisch hochzugehen, dann resigniert nach unten.

„Er ist nicht nur Botschafter, er ist auch Mensch“, sagt der Künstler. „Das Video zeigt die Härte des politischen Aushandlungsprozesses“, meint Museumsdirektor Lillteicher.

Den Praxistest hat das Video bereits bestanden. Vor wenigen Tagen sei die britische Botschafterin im Museum gewesen, berichtet er. „That’s our daily business“, sei ihr Kommentar gewesen.

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