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Frauen demonstrieren gegen den Paragrafen 219a

© picture alliance / Boris Roessle

Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche: Berliner Frauenärztinnen droht Anklage wegen Paragraf 219a

Zwei Berliner Frauenärztinnen informieren auf ihrer Homepage über Abtreibungen. Das könnte sie vor Gericht bringen. Grüne und SPD setzen auf eine Gesetzesnovelle.

Von Andreas Austilat

„Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen.“ So steht es auf der Homepage der Berliner Frauenärztin Bettina Gaber und ihrer Praxispartnerin. Man findet ihn erst nach zwei Klicks. Doch der Satz könnte die Ärztinnen vor Gericht bringen.

Es ist neun Monate her, da wurde in Gießen die Ärztin Kristina Hänel zur Zahlung von 6000 Euro verurteilt. Sie hatte sich damit verteidigt, sachlich über die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs zu informieren. Das Gießener Gericht sah darin unzulässige Werbung für den Abbruch. Mithin ein Verstoß gegen Paragraf 219a: „Wer öffentlich … eines Vermögensvorteils wegen“ oder „in grob anstößiger Weise“ Schwangerschaftsabbrüche „anbietet, ankündigt, anpreist“, muss mit Geld- oder Freiheitsstrafe rechnen.

Die Berufungsverhandlung der Gießener Ärztin steht noch aus, sie ist für den 6. September angekündigt, ähnliche Verfahren sind anhängig. Nun könnte es also die Berlinerinnen treffen, die Anklageschrift liegt Gabers Anwalt vor. Wird beim Amtsgericht Anklage erhoben, wäre es das erste derartige Verfahren in der Stadt. Ausgerechnet, denn die Berliner Senatoren für Justiz, Dirk Behrendt (Grüne), und Gesundheit, Dilek Kolat (SPD), gehören zu jenen, die wiederholt für eine Abschaffung des Paragrafen 219a plädiert haben. Das Land Berlin hat bereits eine entsprechende Initiative in den Bundesrat eingebracht.

Hinweis wurde erst jetzt zum Politikum

Bettina Gaber hätte einem möglichen Verfahren leicht entgehen können, wenn sie denn den Hinweis von ihrer Homepage genommen hätte. Ein entsprechendes Angebot machte ihr die Staatsanwaltschaft im Juni, Gaber lehnte ab. Die 55-Jährige hat den Hinweis seit acht Jahren auf ihrer Homepage, zum Politikum wurde er offenbar erst nach dem Prozess gegen Hänel. Die Anzeige wurde wie in den vergleichbaren Fällen von einem sogenannten Lebensschützer gestellt.

„Ich habe mich mit meiner Kollegin beraten“, sagt sie, „unsere Patientinnen haben ein Recht auf Information, auch darüber, dass ich das tue, was mir der Gesetzgeber erlaubt, nämlich Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.“

Ähnlich sieht das offenbar Gesundheitssenatorin Kolat, die auf der Internetseite ihrer Verwaltung eine Liste von Berliner Ärzten veröffentlicht hat, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Gabers Rechtsanwalt Johannes Eisenberg sieht darin durchaus eine Parallele zum Verstoß gegen das Werbeverbot nach Paragraf 219a, wie seiner Mandantin vorgeworfen wurde.

Die Staatsanwaltschaft bestreite das, unter anderem mit dem Hinweis, die Senatsverwaltung strebe keinen Vermögensvorteil an, wie er allerdings unter Hinweis auf den Homepage-Eintrag für seine Mandantin auch nicht ermittelt werden könne.

Eisenberg sieht einem möglichen Verfahren gelassen entgegen, glaubt eher an eine Gesetzesänderung angesichts des lange anhaltenden Streits um den Paragrafen 219a. Tatsächlich setzen sich im Bundestag Grüne, Linke, SPD und FDP für Abschaffung oder Reform ein. Die Union warnt ihren Koalitionspartner vor einem Zusammengehen mit der Opposition in dieser Frage.

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