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Das Bild zeigt den sowjetischen Soldaten Militon Kantarija aus Georgien, der 1945 die sowjetische Flagge auf dem Reichstag hisst.

© Jewgeni Chaldej/Picture Alliance/ dpa

Update

Weltkriegsgedenken an mehreren Orten: Berliner Polizei verbietet auch Sowjetfahnen am 8. und 9. Mai

Neben russischen und ukrainischen Flaggen wird an 15 Gedenkorten auch das Zeigen von sowjetischen Symbolen untersagt – ebenso wie Militärmusik und Uniformen.

Beim Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs sind in Berlin an 15 Ehrenmalen und Erinnerungsorten nicht nur russische und ukrainische Flaggen verboten. Dort dürfen am 8. und 9. Mai auch keine Fahnen und Symbole der Sowjetunion gezeigt werden. Das hat die Polizei Berlin in einer Allgemeinverfügung festgelegt. In linken Kreisen hat die Entscheidung am Freitagnachmittag Empörung ausgelöst.

Die Sowjet-Flagge ist gerade in Berlin ein besonderes Symbol für die Zerschlagung des Nationalsozialismus und das Ende des Krieges. Das liegt auch an einem Bild, das zur Ikone wurde. Es ist eines der berühmtesten Fotos des 20. Jahrhunderts und eines der symbolstärksten.

Es steht für den Sieg über Adolf Hitler. Zwei Rotarmisten auf dem Dach des Reichstags, die dort als erste Soldaten der Sowjetarmee die rote Fahne hissen – darauf Hammer und Sichel statt das Hakenkreuzes der Nazis.

Wie der Fotograf nach dem Zerfall der UdSSR verriet, waren ein Ukrainer, ein Kumyke und ein Weißrusse auf dem 33 Stunden nach der Erstürmung des Reichstags gestellten Foto. Alles zur Geschichte des Fotos lesen Sie hier.

Für den 8. und den 9. Mai, der in Russland als „Tag des Sieges“ begangen wird, sind in Berlin mehr als 50 Versammlungen angemeldet. Mit bis zu 1800 Einsatzkräften an jedem der beiden Tage sollen schwerpunktmäßig die sowjetischen Ehrenmale im Tiergarten, Treptower Park und Pankow sowie zwölf weitere geschützt werden.

Verfügung für 15 Gedenkorte

Für insgesamt 15 Gedenkorte ist eine Verfügung erlassen worden, darunter Ehrenmale in Marzahn, in der Wiltbergstraße in Buch, am Nennhauser Damm in Staaken, am Ostseeplatz in Prenzlauer Berg, in Wittenau am Rathauspark, in der Brodauer Straße in Kaulsdorf und in der Nöldenerstraße in Rummelsburg.

[Mehr zum Thema auf Tagesspiegel Plus: Risiken, Propaganda, Auflagen – Was Sie über die Aktionen am 8. und 9. Mai wissen müssen]

Außerdem in der Küstriner Straße in Alt-Hohenschönhausen, am Haus der Befreiung in der Landsberger Allee in Hellersdorf, an der Mosaiksäule Deutsch-Sowjetische Freundschaft in der Walter-Felsenstein-Straße in Marzahn, am Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst und an der Bersarin-Gedenktafel in der Petersburger Straße in Friedrichshain.

In all diesen Bereichen sind nicht nur russische oder ukrainische Flaggen verboten, sondern auch Fahnen und Symbole der Sowjetunion. Auch Fahnen der Separatistengebiete Luhansk und Donezk in der Ukraine sind untersagt.

Auch russische und ukrainische Militärmusik ist untersagt

Zugleich dürfen keine militärischen Uniformen und Teile von Uniformen oder militärischen Abzeichen getragen und die russischen Symbole „V“ oder „Z“ sowie St.-Georgs-Bänder nicht gezeigt werden. Russische und ukrainische Marsch- oder Militärmusik ist ebenfalls untersagt.

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Die Polizei spricht von Symbolen und Kennzeichen, die geeignet seien, den Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine zu billigen oder zu verherrlichen. Fahnen und St.-Georgs-Bänder sind aber an Kränzen und Blumen zulässig. Diplomaten treffen die Vorgaben nicht, Weltkriegsveteranen dürfen Uniformen tragen.

Die Polizei will gegen jegliches Verhalten einschreiten, das Gewaltbereitschaft vermittelt. Ausschreitungen werden nicht erwartet, da die Behörden keine Hinweise darauf haben, dass pro-russische Gruppen gewalttätig werden könnten.

„Deutsch-Russisches Museum“ wird zum „Museum Karlshorst“

Vor dem alten Offizierskasino an der Zwieseler Straße in Karlshorst, in dem einst die Wehrmacht bedingungslos kapitulierte, sollen die Fahnenmasten diesmal leer bleiben. Auch dort, wo der Zweite Weltkrieg in der Nacht zum 9. Mai 1945 offiziell zu Ende ging, hat sich seit Russlands Überfall auf die Ukraine Ende Februar einiges verändert.

„Deutsch-Russisches Museum“ stand bis vor Kurzem vor dem Gebäude, doch zum Tag der Befreiung soll der Schriftzug dauerhaft in „Ort der Kapitulation Mai 1945“ geändert werden. Mit einer Metallkonstruktion, wie eine Sprecherin sagt, denn das Klebeband über dem abgelegten Namen des Museums hätten Unbekannte abgerissen.

Die von Deutschland und Russland gemeinsam getragene Einrichtung heißt nun schlicht „Museum Karlshorst“. Vom Krieg in der Ukraine hat sich die Leitung bereits zweimal distanziert, doch die Zukunft des Gedenkortes scheint nun ungewiss: Mit der russischen Seite, die ihren Angriff offiziell als „Entnazifizierung“ der Ukraine bezeichnet, hat das Museum alle Gemeinsamkeiten verloren.

Der „Toast auf den Frieden“ mit 300 Gästen entfällt

Das Museumsfest fällt aus, der übliche „Toast auf den Frieden“ mit 300 Gästen entfällt. Stattdessen soll es eine „Mahnung für den Frieden“ geben. Die Leitung kann nicht abschätzen, wie viele Menschen sich am Sonntag für die Ausstellungen mit Militärgerät im ehemaligen Verwaltungssitz der sowjetischen Streitkräfte interessieren werden.

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Auch an anderen Gedenkorten soll es ruhiger zugehen. Der Senat habe sich in der aktuell „bedrückenden Lage“ für ein stilles Gedenken entschieden, kündigte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) an.

Eine Beteiligung an offiziellen Veranstaltungen soll es deshalb nicht geben – entsprechend kurz fällt die Terminliste aus: Ein Filmfestival zum Kriegsende, eine Fahrradtour zu Gedenkorten in Marzahn-Hellersdorf und Kranzniederlegungen in mehreren Bezirken.

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