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Der Prozess im Fall Weizsäcker wird am Freitag am Berliner Landgericht fortgesetzt.

© Sonja Wurtscheid/dpa

Update

Weizsäcker-Mordprozess in Berlin: Gutachter hält Gregor S. für vermindert schuldfähig

Am Berliner Landgericht attestiert ein Psychiater Gregor S. eine „ausgeprägte psychische Störung“. Der Angeklagte nennt den Prozess eine „Gehirnwäsche“

Als der Gutachter zu seiner Diagnose kommt, hält es Gregor S. kaum noch auf dem Stuhl. „Das ist doch kein Wahn, Mann!“, ruft der Angeklagte durch den Saal. Seine Stimme bricht, er scheint den Tränen nah.

Das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens muss sich für Gregor S. wie die schlimmste aller Niederlagen anfühlen, beharrt er doch darauf, nicht geisteskrank zu sein. In der Psychiatrie des Maßregelvollzugs war er in den Hungerstreik getreten, um so seine Verlegung ins Gefängnis zu erzwingen.

Doch nun hat ihm der Sachverständige gerade eine „sehr weitgehende Störung“ attestiert. Nach den Worten von Alexander Böhle leidet Gregor S. unter einer Zwangsstörung, zwanghaften Persönlichkeitsstörung auf Borderline-Niveau und Wahnerkrankung. Er hält den Gregor S. deshalb für vermindert schuldfähig.

Die Staatsanwältin legt dem 57-Jährigen aus Andernach, Rheinland-Pfalz, Mord an dem 59 Jahre alten Fritz von Weizsäcker sowie versuchten Mord an einem Polizisten zur Last. Der 34 Jahre alte Beamte, der privat zu dem Vortrag gekommen war, wollte den Angreifer stoppen und wurde schwer verletzt. 

Der Angeklagte hat gestanden, den jüngsten Sohn des Bundespräsidenten bei einem Vortrag in der Schlosspark-Klinik erstochen zu haben. „Ich bin froh, dass er tot ist“, erklärte Gregor S. vor dem Berliner Landgericht. Er habe die Familie des Chefarztes gehasst, insbesondere den früheren Bundespräsidenten.

Gutachter hält den Angeklagten weiterhin für gefährlich

Mit dem Gutachten ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gregor S. die kommenden Jahre in der Psychiatrie verbringen wird, beträchtlich gestiegen. Laut Gutachter müsse befürchtet werden, dass Gregor S. weiterhin gefährlich ist. Zwar sei in dessen Gefühlswelt Ruhe eingekehrt, aber die Struktur der Krankheit bleibe erhalten.

Hintergründe zum Weizsäcker-Mordprozess:

Auch der Konflikt mit seinem Hausverwalter habe bewiesen, „wie obsessiv“ Gregor S. sei. „Wahnerkrankungen tendieren zu eher ungünstiger Prognose.“ Weil sich der Angeklagte geweigert hatte, den Gutachter persönlich zu sprechen, war Böhle auf die Akten, die Zeugen im Prozess und die Wortmeldungen des Angeklagten angewiesen. „Zur Biografie war kaum etwas zu erfahren.“

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In den Akten und im Prozess habe es zahlreiche Hinweise auf eine Zwangserkrankung gegeben. Dazu zählten die räumliche Orientierungslosigkeit, von der Kollegen und der Angeklagte berichteten, seine Wasch- und Reinlichkeitszwänge am Arbeitsplatz im Gegensatz zur Verwahrlosung der eigenen Wohnung.

Angeklagter hatte bereits sieben Mal Ärger mit der Justiz

Die Störung mache es Gregor S. unmöglich, tiefer gehende soziale Bindungen einzugehen. Hinzu komme seine Neigung zu strafrechtlich relevanten Streitereien, die manchmal auch in Gewalt ausarteten. Sieben Mal bekam er Ärger mit der Justiz, weil er sich mit Mitmenschen angelegt hatte. Auch sein Hausarzt berichtete von auffällig regelmäßigen des Verletzungen.

Schließlich nimmt Gregor S. zwischen seinen Verteidigern Platz, um erneut zu erklären, dass er die Tat nicht im Wahn, sondern „aus politischer Überzeugung“ begangen habe. Mit seinem Stift zeigt er im Saal 700 herum – auf „alle Anwesenden“, von denen jeder einzelne bestreite, dass Richard von Weizsäcker die Toten im Vietnamkrieg mitzuverantworten habe. Ihm solle hier eine Art „Gehirnwäsche“ verpasst werden. Am Mittwoch sollen die Plädoyers gesprochen werden. Das Urteil könnte noch am selben Tag folgen.

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