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Der ehemalige SPD-Senator, Peter Strieder, hat eine Debatte über die Nazi-Architektur des Olympiaparks losgetreten.

© Andreas Conrad

Weiterentwickeln oder beibehalten?: Streit um das Nazi-Erbe des Olympiageländes

Lässt sich NS-Ästhetik transformieren? Peter Strieder, ehemaliger Senator für Stadtentwicklung, hat eine Debatte angestoßen.

So geht Entnazifizierung auch: Als die Hauptkadettenanstalt in Lichterfelde von der Leibstandarte Adolf Hitler genutzt wurde, bewachten zwei steinerne SS-Männer den Eingang in der Finckensteinallee. Als daraus die Andrews Barracks der U.S. Army wurden, verschwanden die martialischen Figuren unter Beton.

Wollte man Ähnliches mit dem der NS-Ästhetik verpflichteten Figurenschmuck auf dem Olympiagelände praktizieren, brauchte man viel Beton. Aber das ist es doch nicht, was Peter Strieder, ehemals SPD-Senator für Stadtentwicklung, durch einen kürzlich in der „Zeit“ erschienenen Appell erreichen wollte.

Darin hatte er, wie berichtet, einen anderen Umgang mit dem baulichen Erbe der von den Nazis propagandistisch instrumentalisierten Olympischen Spiele von 1936 gefordert: Die Skulpturen, Wandgemälde, Reliefs gehörten entfernt, die fragwürdigen Namensgeber für Plätze und Straßen ausgetauscht, das Maifeld samt Führertribüne abgeräumt und für Sportanlagen nutzbar gemacht.

Mit dem Vorstoß hat Strieder eine Debatte ausgelöst, die andauern dürfte. Bei einer am Mittwochabend über Facebook geführten, von der Bauabteilung des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf initiierten Expertendiskussion deutete sich bereits ein Symposium an, mit dem die – durchaus nicht neue – Frage um den Umgang mit dem ungeliebten, doch faszinierenden Erbe fortzuführen wäre.

Strieder will das Erbe weiterentwickeln und transformieren

Die ganze Inszenierung des Geländes entspreche der Ideologie der Nazis, wiederholte Strieder seine Kritik, Bilderstürmerei liege ihm aber fern. Es gehe nicht darum, Bildwerke etwa wegzuwerfen oder zu zertrümmern, vielmehr „sie möglicherweise woanders, in einem anderen Kontext anzuordnen“, also „das Erbe weiterzuentwickeln, zu transformieren“, keinesfalls aber „so zu bewahren, wie es ist, weil wir dann die Nazi-Propaganda statisch festhalten“. Man könne etwas dazu bauen wie beim Außenministerium, sagte Strieder. Das einstige Reichsbankgebäude war später Sitz des ZK der SED.

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Landeskonservator Christoph Rauhut widersprach Strieders Kritik, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Olympiagelände versäumt worden sei. Er verwies auf die Gratwanderung des Denkmalschutzes, erhalten und vermitteln zu wollen, dabei aber den „verbrecherischen Entstehungszusammenhang“ nicht vergessen zu machen.

Er verwies auch auf die vielen Veranstaltungen, die es in den vergangenen Jahren auf dem Maifeld gegeben habe, widersprach damit Strieders Vorwurf, das Areal sei nur ein heute überflüssiges Aufmarschgelände für NS-Massenkundgebungen gewesen, dessen Tribünen jetzt überflüssigerweise mit Millionenaufwand saniert würden.

Ein Anker zur Vermittlung?

Das Ende dieser Arbeiten bedeute aber das Aus für das dort geplante Sportmuseum, das ein „Schlüssel für die Auseinandersetzung“ mit dem Gelände sei, gab Jutta Braun, Vorsitzende des Zentrums deutsche Sportgeschichte, zu bedenken. Das Gelände sei ein authentischer Ort, ein „guter Anker zur Vermittlung“.

Nur am Rande, durch eine Anmerkung von Gabi Dolff-Bonekämper vom TU-Institut für Stadt- und Regionalplanung, wurde thematisiert, dass der auch fürs Maifeld geltende Denkmalschutz die Stadionbaupläne von Hertha BSC berührt. Nachdem ein erster Vorschlag für einen Standort im Olympiapark am Widerstand betroffener Mieter gescheitert war, wurde das Maifeld als Bauplatz vom Verein favorisiert.

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