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Tommy Erbe

© Thilo Rückeis

Weihnachtsmärkte in Berlin: „Bei uns kann man noch kuscheln“

Tommy Erbe ist seit über 12 Jahren im Adventsgeschäft. Ein Gespräch über wechselndes Publikum und die Weihnachtsmarkt-Trends 2018.

Herr Erbe, Sie veranstalten jetzt im zwölften Jahr den Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg. Trinken Sie noch gern Glühwein?

Ich kann den eigentlich schon Anfang Dezember nicht mehr sehen, es reicht einfach irgendwann. Aber im Januar habe ich dann meist wieder Appetit.

Was ist heute anders als vor 12 Jahren?

Das Publikum verjüngt sich, es kommen mehr Menschen in den Zwanzigern. Im Zeitalter der digitalen Medien suchen die Leute eine Atmosphäre wie hier – bei uns kann man noch kuscheln.

Gruppenkuscheln?

Wo sonst finden Sie im winterlichen Berlin einen Ort, an dem sich 5000 Leute zum Quatschen treffen – ohne C-Klasse-Bühnenprogramm?

Sondern A-Klasse? Sie verzichten ja komplett auf Dauerbeschallung, sondern setzen auf Livebands.

Wir sind ein Weihnachtsmarkt mit Abitur. Kein Glühwein von der Stange, kein Einweg, keine Pommes, keine Minipizza. Wir sind ruhig und traditionell, quasi das letzte Lagerfeuer. Qualitätsmäßig kann der Gendarmenmarkt noch mit uns mithalten, aber sonst... Der Spandauer Weihnachtsmarkt ist nur noch ein Abziehbild seines früheren, schöneren Ichs, und der Breitscheidplatz – das ist ein Schandfleck. Ich bin ein Kind der City West, 30 Jahre lang habe ich dort gelebt und gearbeitet und ich kenne niemanden, der sich je für diesen Weihnachtsmarkt ausgesprochen hat.

Was ist so schlimm daran?

Das ist Fressen, Saufen, billige Deko, fertig. Gut, auch das hat seine Berechtigung, es gibt ja auch das Publikum dafür. Aber doch nicht am Ku’damm, in der guten Stube der City West!

Im Gegensatz zu den Kollegen an der Gedächtniskirche müssen Sie die Kosten für die Poller– erhöhte Sicherheitsauflagen nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz 2016 – selbst tragen. Im vergangenen Jahr klagten Sie noch erfolgreich gegen den Bezirk.

Der Bezirk hat in meinen Augen in diesem Jahr getrickst, indem er die Genehmigung an die Erstellung eines Sicherheitskonzepts koppelte. Eines, das weit über das des Bezirks hinausging. Wir tragen die Kosten nun selbst, um die Veranstaltung nicht zu gefährden. Aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Da wurde versucht, uns mit unlauteren Methoden in die gewünschte Spur zu bekommen. Aber ich bleibe dabei: Terrorabwehr ist Staatsaufgabe.

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Bezirk sonst so?

Das Problem in Berlin ist: Jeder Bezirk kocht seine eigene Suppe. Es ist ein Unterschied, ob Sie einen Weihnachtsmarkt im goldenen Westen oder irgendwo in Marzahn organisieren. Ich finde es gut, dass wir hier ohne Ende kontrolliert werden, aber für den Wettbewerb sollte das für alle gelten.

Verraten Sie uns mal den Weihnachtsmarkt-Trend 2018.

Die Leute wollen nach wie vor trinken, aber weniger Starkes. Da bieten wir seit ein paar Jahren etwa Quittenglühwein aus Weißwein an. Und ich kann Ihnen sagen, was bei uns in diesem Jahr neu und auf jeden Fall gegen den Trend ist: Wir haben zwei historische Karussells und lassen die Kinder kostenlos fahren. Ich weiß gar nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ob wir die da wieder runterkriegen? Mal sehen.

Tommy Erbe veranstaltet seit zwölf Jahren den Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg. Er ist Touristiker und „ein Kind der City West“.

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